Regelmäßige Arbeitsstätte eines Polizeibeamten der Autobahnpolizei

Ein Polizeibeamter der Autobahnpolizei verfügt in dem Revierkommissariat, das er arbeitstäglich höchstens eine Stunde aufsucht, um dort insbesondere seinen Dienstwagen für den Streifeneinsatzdienst zu übernehmen, nicht über eine regelmäßige Arbeitsstätte.

Das aus verschiedenen Autobahnabschnitten bestehende Einsatzgebiet eines Polizeibeamten der Autobahnpolizei im Streifeneinsatzdienst stellt keine großräumige (regelmäßige) Arbeitsstätte dar.

BFH Urteil vom 19.10.2016 – VI R 32/15 BFHNV 2017 S. 281

Begründung:

Entgegen der Auffassung des FG sind die Aufwendungen des Klägers für die Fahrten von seiner Wohnung zum Revierkommissariat in X in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen. Der Kläger kann auch den Abzug der geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen beanspruchen.

Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen und gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu berücksichtigen. Erwerbsaufwendungen sind grundsätzlich auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte. Allerdings sind die Aufwendungen dafür nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung nur begrenzt nach Maßgabe einer Entfernungspauschale als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen sind nach § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar. Wird der Steuerpflichtige jedoch vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit entfernt beruflich tätig, so ist nach Satz 2 der Vorschrift für jeden Kalendertag, an dem der Steuerpflichtige wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und seinem Tätigkeitsmittelpunkt über eine bestimmte Dauer abwesend ist, ein nach dieser Dauer gestaffelter Pauschbetrag abzuziehen.

Tätigkeitsmittelpunkt i.S. des § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG und (regelmäßige) Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist die dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsucht. Das ist regelmäßig der Betrieb, Zweigbetrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers.

Eine (regelmäßige) Arbeitsstätte ist allerdings nicht jeder beliebige Tätigkeitsort, sondern der Ort, an dem der Arbeitnehmer typischerweise seine Arbeitsleistung im Schwerpunkt zu erbringen hat. Insoweit ist entscheidend, wo sich der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit eines Arbeitnehmers befindet. Dort liegt die eine regelmäßige Arbeitsstätte, die ein Arbeitnehmer nur haben kann. Dieser Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit bestimmt sich nach den qualitativen Merkmalen der Arbeitsleistung, die der Arbeitnehmer an dieser Arbeitsstätte im Einzelnen wahrnimmt oder wahrzunehmen hat, sowie nach dem konkreten Gewicht dieser dort verrichteten Tätigkeit.

Nach ständiger Senatsrechtsprechung kommt auch ein größeres, räumlich geschlossenes Gebiet als regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (und damit beim Verpflegungsmehraufwand als Tätigkeitsmittelpunkt i.S. des § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG) in Betracht, wenn es sich um ein zusammenhängendes Gelände des Arbeitgebers handelt, auf dem der Arbeitnehmer auf Dauer und mit einer gewissen Nachhaltigkeit tätig wird. Unter diesen Voraussetzungen kann auch ein Werksgelände oder ein Waldgebiet eine großräumige (regelmäßige) Arbeitsstätte bzw. einen Tätigkeitsmittelpunkt darstellen.

Das Einsatzgebiet des Klägers auf den Bundesautobahnen A Y und A Z sowie auf der Bundesstraße B W stellte –entgegen der Ansicht des FG– auch keine großräumige (regelmäßige) Arbeitsstätte dar. Bei den Autobahnabschnitten und der Bundesstraße handelte es sich nicht um dauerhafte, betriebliche Einrichtungen des Arbeitgebers. An den vorgenannten Straßenabschnitten befand sich auch keine Einrichtung des Arbeitgebers, die nach ihren infrastrukturellen Gegebenheiten mit einem Betriebssitz oder einer sonstigen betrieblichen Einrichtung vergleichbar war. Das Revierkommissariat in X befand sich nach den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht an den Bundesautobahnen A Y und A Z bzw. an der Bundesstraße B W, sondern war mit diesen Straßenabschnitten lediglich über öffentliche Verkehrswege verbunden.

Entgegen der Auffassung des FG kann allein der Umstand, dass ein Arbeitnehmer eine betriebliche Einrichtung seines Arbeitgebers nachhaltig (arbeitstäglich) aufsucht, dort keine regelmäßige Arbeitsstätte begründen. Der Einwand, auch in solchen Fällen sei es dem Arbeitnehmer möglich, sich auf die Wegekosten einzustellen und auf deren Minderung hinzuwirken, selbst wenn er dort ein Fahrzeug übernimmt und auf diesem auswärts tätig wird, trifft zwar in der Sache zu, vermag diese Fälle aber nicht aus dem Regeltypus einer “Auswärtstätigkeit” (Leistungsort außerhalb des Betriebs oder der Betriebsstätte des Arbeitgebers) herauszulösen. Im Übrigen weist der Senat nochmals darauf hin, dass die Vorhersehbarkeit wechselnder Tätigkeitsstätten und die “Möglichkeit”, Wegekosten zu mindern, nicht Tatbestandsmerkmale der in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG geregelten Entfernungspauschale sind. Der Umstand, dass sich der Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten etwa durch die Bildung von Fahrgemeinschaften, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und gegebenenfalls sogar durch eine entsprechende Wohnsitznahme hinwirken kann, beschreibt lediglich generalisierend und typisierend den Regelfall, nach dem sich die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip erweist. Individuelle Zufälligkeiten und Besonderheiten in der tatsächlichen Ausgestaltung eines Arbeitsverhältnisses bleiben hierbei unberücksichtigt.

Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 26. Juni 2014 5 C 28.13 (BVerwGE 150, 108) ergibt sich keine abweichende rechtliche Beurteilung des Streitfalls. Das BVerwG hat in jenem Urteil entschieden, dass Fahndungsfahrten eines Polizeivollzugsbeamten bei der Autobahnpolizei keine Dienstreisen i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Hessischen Reisekostengesetzes (HRKG) seien. Der Begriff der Dienstreise im reisekostenrechtlichen Sinne (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HRKG) in der Auslegung, die das BVerwG in seinem Urteil in BVerwGE 150, 108 gefunden hat, entspricht damit nicht dem Regeltypus der ertragsteuerlichen “Auswärtstätigkeit” nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, für die ein Leistungsort außerhalb des Betriebs oder der Betriebsstätte des Arbeitgebers kennzeichnend ist. Mit der –im Streitfall allein maßgeblichen– steuerlichen Einordnung der Fahrtätigkeit von Polizeivollzugsbeamten hat sich das BVerwG in seinem Urteil in BVerwGE 150, 108 nicht befasst.