Höhe des pauschalen Sicherheitszuschlags bei Lücken in der Rechnungsnummernabfolge

Lücken in der Rechnungsnummernabfolge können im konkreten Einzelfall eine Schätzung nötig erscheinen lassen, wenn die Vollständigkeit der Erfassung der Einnahmen nicht mehr.
Eine griffweise Schätzung in Form eines Sicherheitszuschlags ist insoweit charakteristisch; dessen Höhe ist anhand der jeweiligen tatsächlichen Umstände wirtschaftlich vernünftig zu wählen.
BFH Beschluss vom 07.02.2017 – X B 79/16
Sachverhalt:
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb in den Streitjahren einen Handels- und Dienstleistungsbetrieb für Kaffeeautomaten und Zubehör. Seinen Gewinn ermittelte er mittels Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung.
Der Kläger nutzte ein Software-Programm, das für jede Rechnung automatisch eine fortlaufende Nummer vergab. Die Bankverbindung konnte programmtechnisch frei gewählt werden. Der Kläger unterhielt neben seinem betrieblichen Konto bei der Sparkasse 1 ein weiteres Konto bei der Sparkasse 2, in der Buchhaltung als “Nebenkassenkonto” bezeichnet. Betriebliche Eingänge auf dem “Nebenkassenkonto” übertrug der Kläger in ein Kassenbuch. Die Rechnungen wurden überwiegend durch Banküberweisung beglichen. Soweit überhaupt Barzahlungen im Betrieb anfielen, führte er diese nicht in einem (anderen) Kassenbuch auf.
Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung der Streitjahre stellte die Prüferin des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt –FA–) fest, dass eine Rechnung über 1.508 EUR brutto und zwei Rechnungen über insgesamt 4.608,68 EUR nicht verbucht worden seien. Außerdem lägen für acht Rechnungsnummern im Streitjahr 2005, für fünf Rechnungsnummern im Streitjahr 2006 und für zehn Rechnungsnummern im Streitjahr 2007 keine Ausgangsrechnungen vor. Der tatsächliche Stand des “Nebenkassenkontos” zum jeweiligen Gewinnermittlungsstichtag sei vom Stand laut Buchführung abgewichen.
Begründung:.
Der Kläger ist der Ansicht, es sei zu klären, ob ein zwingender Schätzungsauftrag für die Finanzbehörde vorliege, wenn entgegen der Pflichtangabe nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) Lücken in der zahlenmäßigen Abfolge vorlägen.
Insoweit wirft der Kläger keine abstrakte Fragestellung auf. Seine Frage betrifft erkennbar lediglich seinen Einzelfall und ist auch nicht im Rahmen des § 162 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) verallgemeinerungsfähig.
§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO schreibt einen Schätzungsauftrag (u.a.) vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen bestehen. Ob solche tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls. Auch die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die Lücken in der Rechnungsnummernabfolge zur Schätzung verpflichten, hängt von der tatsächlichen Situation und damit vom jeweiligen Einzelfall ab. Dies zeigt exemplarisch der Streitfall. Das FG hat seine Schätzungsbefugnis damit begründet, dem Kläger sei es nicht gelungen, eine hinreichend plausible mit Nachweisen unterlegte Erklärung dafür zu geben, warum in einem Zeitraum von drei Jahren Rechnungsnummern in nicht zu vernachlässigender Zahl keine Ausgangsrechnungen zuzuordnen waren und dabei die Besonderheiten des Streitfalls (Rechnung Nr. 51329, Nichterfassung der Bareinnahmen) gewürdigt.
Soweit der Kläger auf den Beschluss des FG Hamburg vom 30. April 2012 5 V 18/12 abstellt, macht er selbst schon diese Sachverhaltsunterschiede deutlich. So fehlt es im dort entschiedenen Fall zusätzlich zu den festgestellten Lücken in der Rechnungsnummernabfolge an der Abgabe von Steuererklärungen. Es konnte auch nicht ausgeschlossen werden, dass die gesamte Buchführung und nicht nur das Kassenbuch nachträglich erstellt worden waren. Also kam es nicht (nur) auf die fehlende Nummerierung der Rechnungen an.
Auch der dem Urteil des FG Köln vom 2. Juli 2010 11 K 3676/06 zugrundeliegende Sachverhalt zwang das dortige Finanzamt bereits aufgrund der Unvollständigkeit der Aufzeichnungen zur Schätzung. Der dortige Steuerpflichtige hatte erst im Klageverfahren Steuererklärungen eingereicht. Buchführungsunterlagen legte er nicht vor.
Ob Lücken bei der fortlaufenden Nummerierung der Rechnungen nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 UStG zur Schätzung führen müssen, ist also einzelfallbezogen zu beantworten und obliegt der Entscheidung der Tatsacheninstanz. Die Revision kann deshalb nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden.
Das Gleiche gilt in Bezug auf die Höhe eines (Un-)Sicherheitszuschlags. Dieser ist anhand der jeweiligen tatsächlichen Umstände wirtschaftlich vernünftig zu wählen, wenn das FG aufgrund einzelner Feststellungen von sachlichen Fehlern in den Unterlagen des Klägers ausgeht. Einer abstrakten Aussage ist eine solche Fragestellung nicht zugänglich.
Soweit sich der Kläger gegen die Höhe des (Un-)Sicherheitszuschlags wie auch die Art und Weise der Plausibilitätsprüfung des FG wendet, richtet sich sein Vorbringen gegen die Richtigkeit der Schätzung.
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn es erscheint zumindest vertretbar, wenn das FG aufgrund der Vielzahl von Lücken bei den Rechnungsnummern in Kombination mit den drei nicht verbuchten Rechnungen die Vollständigkeit der Erfassung der Einnahmen nicht mehr als gewährleistet ansieht. Eine solche Situation ist charakteristisch für den Unsicherheitsfaktor..
Diese Form der Schätzung steht auch nicht im Widerspruch zur Senatsentscheidung vom ab.