Umkehr der Steuerschuldnerschaft und Rückwirkung der Rechnungsberichtigung

Der gesonderte Umsatzsteuerausweis des Leistenden begründet eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG auch dann, wenn tatsächlich der Leistungsempfänger die Steuer schuldet.
§ 14c UStG enthält abstrakte Gefährdungstatbestände, deren Verwirklichung nicht davon abhängt, dass der Empfänger Unternehmer oder zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Die Rechnungsberichtigung nach § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG hat keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung.

BFH Beschluss vom 31.05.2017 – VB 5/17

Begründung:

Die erste und die –damit im Wesentlichen inhaltsgleiche– vierte Rechtsfrage, ob die Umsatzsteuer auch dann nach § 14c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geschuldet wird, wenn weder eine konkrete noch eine abstrakte Gefährdung des staatlichen Steueranspruchs gegeben ist, weil die nach § 14c UStG geschuldete Steuer mit einer von den Leistungsempfängern nach § 13b UStG geschuldeten Umsatzsteuer “materiell identisch” ist, vom Leistungsempfänger pünktlich und zeitnah erklärt und abgeführt worden ist, sodass kein Liquiditätsvorteil entstehen konnte und die Leistungsempfänger als Hoheitsträger nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt waren, sind nicht mehr klärungsbedürftig, da sie bereits durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) geklärt sind.

Die in Irland ansässige Klägerin wies für die von ihr gegenüber inländischen Leistungsempfängern erbrachten Werklieferungen und sonstigen Leistungen in Rechnungen Umsatzsteuer gesondert aus und schuldet diese daher nach § 14c Abs. 1 UStG. Danach wird die Mehrwertsteuer von jeder Person geschuldet, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist. Damit soll einer Gefährdung des Steueraufkommens entgegengewirkt werden, die sich aus dem Recht auf Vorsteuerabzug ergeben kann.

Die Steuerschuld nach § 14c UStG setzt weder voraus, dass aufgrund der Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis tatsächlich ein Vorsteuerabzug in Anspruch genommen wurde, noch, dass eine konkrete Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, da § 14c UStG abstrakte Gefährdungstatbestände formuliert, deren Verwirklichung nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht einmal davon abhängt, ob der Empfänger überhaupt Unternehmer bzw. zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Im Übrigen ist zu beachten, dass Hoheitsbetriebe als juristische Personen des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art gewerblich oder beruflich und damit unternehmerisch tätig sein können (§ 2 Abs. 3 UStG) und insoweit eine Berechtigung zum Vorsteuerabzug besteht.

Einer Inanspruchnahme der Klägerin steht auch nicht entgegen, dass die nach § 14c UStG geschuldete Steuer mit einer von den Leistungsempfängern nach § 13b UStG geschuldeten Umsatzsteuer “materiell identisch” ist. Aus der gesetzlichen Regelung in § 14c UStG folgt, dass es sich hierbei um einen zusätzlichen Steueranspruch des Fiskus handelt, der erst mit einer wirksamen Berichtigung (§ 14c Abs. 1 Satz 2 UStG), aber nicht mit der Begleichung der Umsatzsteuer durch den Empfänger erlischt.

Von grundsätzlicher Bedeutung ist auch nicht die Rechtsfrage, ob die Argumentation des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der Entscheidung Senatex vom 15. September 2016 C-518/14 (EU:C:2016:691) zur Rückwirkung bei Rechnungsberechtigungen auf die Konstellation einer Umsatzsteuerschuld nach § 14c UStG übertragen werden kann. Denn es ist höchstrichterlich bereits entschieden, dass einer Rechnungsberichtigung i.S. des § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung zukommt (BFH-Urteil in BFHE 255, 474, Leitsatz 3). Wie sich aus der Verweisung in § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG auf § 17 Abs. 1 UStG ergibt, wirkt die Rechnungsberichtigung erst für den Besteuerungszeitraum der Berichtigung ohne Rückwirkung auf den Besteuerungszeitraum der Rechnungserteilung; jede andere Auslegung wäre mit dem Normzweck des § 14c UStG und des Art. 203 MwStSystRL, einer Gefährdung des Steueraufkommens durch einen unzutreffenden Steuerausweis in Rechnungen entgegenzuwirken, nicht zu vereinbaren.

Der Umstand, dass nach der Rechtsprechung des EuGH einer Rechnungsberichtigung beim Vorsteuerabzug unter bestimmten Voraussetzungen Rückwirkung zukommen kann (vgl. EuGH-Urteile Senatex, EU:C:2016:691, UR 2016, 800; Barlis 06 – Investimentos Imobiliarios e Turisticos vom 15. September 2016 C-516/14, EU:C:2016:690, UR 2016, 795) führt deshalb in Bezug auf § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG zu keiner anderen Beurteilung.