Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen der Eingliederungshilfe

Leitsatz
Leistungen der Eingliederungshilfe und im Rahmen eines “Individuellen Services für behinderte Menschen”, die eine Pflegekraft auf der Grundlage von § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XI gegenüber einem auf dem Gebiet der Pflege von Menschen tätigen Verein erbringt, sind umsatzsteuerfrei, wenn die Kosten der Leistungen aufgrund gesetzlicher und vertraglicher Regelung von einem Träger der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit getragen werden.
BFH v. 7.12. 2016 – XI R 5/15,

Sachverhalt:
Leistungen der Eingliederungshilfe und Leistungen im Rahmen eines “Individuellen Services für behinderte Menschen”, die eine Pflegekraft auf der Grundlage von § 77 Abs.1 Satz 1 SGB XI gegenüber einem auf dem Gebiet der Pflege von Menschen tätigen Verein erbringt, sind umsatz- steuerfrei, wenn die Kosten der Leistungen aufgrund gesetzlicher und vertraglicher Regelung von einem Träger der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit getragen werden.

Der Kläger war in den Streitjahren Mitglied eines Vereins, welcher selbst Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband war. Der Verein erbrachte satzungsgemäß Leistungen der Altenhilfe und Hilfe für behinderte Menschen mit Hilfebedarf im Gemeinwesen in der häuslichen Umgebung und in gemeinschaftlichen Wohnformen.

Die Arbeiten wurden durch Mitglieder des Vereins erledigt und erfolgten gemäß den Rahmenvereinbarungen des SGB V, XI und XII. Der Kläger, der selbst keine Ausbildung zur Pflegefachkraft nach § 71 Abs. 3 SGB XI besitzt, rechnete über seine Leistungen gegenüber dem Verein ab. Zwischen dem Kläger und den betreuten Personen selbst bestanden keine vertraglichen Beziehungen. Vielmehr hatte der Verein mit den betreuten Personen Verträge über die zu erbringen-
den Leistungen abgeschlossen. Der Verein stellte wiederum die vom Kläger ausgeführten Leistungen den Sozialversicherungsträgern vertragsgemäß in Rechnung. Fraglich ist, ob die Leistungen des Klägers in den betreffenden Streit -jahren 2004 bis 2006 umsatzsteuerfrei sind.

Begründung:
Der BFH führt zunächst aus, dass eine Steuerbefreiung nach nationalem Recht in
den Streitjahren nicht vorliegen würde. So verneint er die Anwendung des § 4 Nr.18 UStG, da der Kläger nicht selbst Mitglied eines anerkannten Verbands der freien Wohlfahrtspflege i. S. d. § 23 UStDV sei.

Eine Steuerbefreiung i. S. d. § 4 Nr.16 Buchst. e UStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung würde überdies nicht in Betracht kommen, da der Kläger habe nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts keine Einrichtung zur ambulanten Pflege kranker bzw. pflegebedürftiger Personen betrieben habe. Leistungen i. S. d. § 4 Nr.14 bzw. Nr.16 Buchst. b oder d UStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung habe der Kläger der Sache nach nicht ausgeführt.
Der Kläger könne sich aber mit Erfolg auf die Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A Abs.1 Buchst. Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 132 Abs.1 Buchst. g MwStSystRL) berufen. Art. 132 Abs.l Buchst. g MwStSystRL befreit eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden von der Umsatzsteuer.

Wie bereits der BFH mit Urteil v. 18.8.2005 (V R 71/03,) geäußert habe, seien Leistungen, die auf der Grundlage des SGB erbrach” werden, oftmals “eng mit der sozialen Fürsorge oder der sozialen Sicherheit” verbunden. Danach seien auch im Streitfall, die vom Kläger erbrachten Leistungen eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen, denn sie werden, wie das Finanzgereicht fest-gestellt habe, auf Grundlage des § 36 SGBXI und der §§ 39,45 SGBXI und § 53 SGBXII erbracht.

Ebenso handele es sich bei dem Kläger um eine “Einrichtung” i. S.d. wStSystRL. Insbesondere auch natürliche Personen seien nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und BFH unter diese Begrifflichkeiten zu fassen. Dieser sei auch als .anerkannte” Einrichtung anzusehen. Wie bereits aus den Rechtsprechungen des EuGH ersichtlich, ist es Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann. Dabei haben, so der BFH, die nationalen Behörden im Einklang mi dem Unionsrecht und unter der
Kontrolle der nationalen Gerichte die für die Anerkennung maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Im Streitfall ergebe sich die erforderliche Annerkennung des Klägers als Einrichtung mit sozialem Charakter aus § 77 SGB XI und daraus, dass eine Übernahme der Kosten der fraglichen Leistungen zum großen Teil durch andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit erfolge. Unerheblich sei, dass keine vertraglichen Vereinbarungen des Klägers mit den Kostenübernahmestellen bestanden. Es reiche aus, dass der Verein die Kosten den Einrichtungen der sozialen Sicherheit in Rechnung gestellt hat und jene in allen Fällen sämtliche Kosten mittelbar getragen haben.

Leistungen der Eingliederungshilfe und Leistungen i Rahmen eines “Individuellen Services für behinderte Menschen”, die eine Pflegekraft auf de Grundlage von § 77 Abs.1 Satz 1 SGB XI gegenüber einem auf dem Gebiet der Pflege von Menschen tätigen Verein erbringt, sind umsatzsteuerfrei, wenn die Kosten der Leistungen aufgrund gesetzlicher und vertraglicher Regelung von einem Träger der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit getragen werden.