Beachtung des Internationalen Privatrechts auch im Steuerrecht

Hat das Tatsachengericht einen Vertrag, der ausländischem Recht unterliegt, nach deutschem Recht ausgelegt, liegt darin ein Verstoß gegen materielles Bundesrecht, der vom Revisionsgericht ohne Rüge zu berücksichtigen ist.
BFH Urteil vom 07.12.2017 IV R 23/14

Begründung:
Gerichte dürfen Verträge, die ausländischem Recht unterliegen, nicht nach deutschem Recht auslegen. Sie müssen daher nicht nur die ausländischen Rechtsnormen, sondern auch deren Anwendung in der Rechtspraxis ermitteln und haben hierfür ggf. einen Sachverständigen hinzuzuziehen, wie der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Urteil vom 7. Dezember 2017 IV R 23/14 entschieden hat.
Im Streitfall produzierte die Klägerin, eine deutsche Fondsgesellschaft, einen Spielfilm. Sie räumte die Rechte zur Verwertung des Films einem ausländischen Vertriebsunternehmen ein. Die Verträge waren im Wesentlichen kalifornischem Recht unterstellt.
Zwischen dem Finanzamt (FA) und dem Fonds bestand Streit darüber, ob und ggf. in welcher Höhe eine am Schluss der Vertragslaufzeit vom Vertriebsunternehmen zu leistende Zahlung in der Bilanz des Fonds bereits während der Laufzeit des Vertrags gewinnerhöhend auszuweisen war. FA und Finanzgericht (FG) hatten die Verträge nach den in Deutschland üblichen Methoden ausgelegt, während der BFH unter Beachtung der Vorgaben des Internationalen Privatrechts nun eine Auslegung nach kalifornischem Recht verlangt. Im Streitfall fehlten daher Feststellungen zu den Grundsätzen, nach denen Willenserklärungen und Verträge nach kalifornischem Recht auszulegen sind. Weiter geht es darum, ob das kalifornische Zivilrecht Begriffe wie “Fälligkeit” und “aufschiebende” sowie “auflösende Bedingung” kennt und ob es diesen Begriffen die gleiche Bedeutung wie das deutsche Zivilrecht beimisst. Zu klären ist auch, wie Begriffe wie “Call Option” und “Final Payment” nach kalifornischem Rechtsverständnis zu beurteilen sind.

Die Ermittlung ausländischen Rechts darf wegen der erforderlichen Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht vom Revisionsgericht selbst durchgeführt werden. Zuständig ist vielmehr das FG, an das das Verfahren wegen eines sog. Rechtsanwendungsfehlers trotz Fehlens einer diesbezüglichen Rüge zurückverwiesen wurde.

Verlängerte Festsetzungsfrist auch bei Steuerhinterziehung durch Miterben

Der Erbe tritt sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers ein und schuldet die Einkommensteuer als Gesamtschuldner in der Höhe, in der sie durch die Einkünfteerzielung des Erblassers entstanden ist.

Auch eine wegen Demenz des Erblassers unwirksame Einkommensteuererklärung führt –ist sie unrichtig oder unvollständig– zu einer Berichtigungspflicht des Erben nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 AO, bei deren Verletzung eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO durch Unterlassen vorliegen kann.

Die Berichtigungspflicht des Erben nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 AO wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass er bereits vor dem Tod des Erblassers Kenntnis davon hatte, dass dessen Steuererklärung unrichtig ist.

Die Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 und 3 1. Halbsatz AO tritt auch dann ein, wenn der als Gesamtschuldner in Anspruch genommene Erbe keine Kenntnis von der Steuerhinterziehung eines Miterben hat.

Jedem Erben steht die Möglichkeit zu, sich nach Maßgabe des § 169 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz AO zu exkulpieren.

BFH Urteil vom vom 29.8.2017, VIII R 32/15

Begründung (BFH):

Die Festsetzungsfrist aufgrund einer Steuerhinterziehung verlängert sich bei einem Erbfall auch dann, wenn der demenzerkrankte Erblasser ausländische Kapitaleinkünfte nicht erklärt, jedoch ein Miterbe von der Verkürzung der Einkommensteuer wusste und selbst eine Steuerhinterziehung begeht. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 29. August 2017 VIII R 32/15 entschieden hat, wirkt die Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre dabei auch zu Lasten des Miterben, der von der Steuerhinterziehung keine Kenntnis hat.

Im Streitfall war die Klägerin gemeinsam mit ihrer Schwester Erbin ihrer verstorbenen Mutter. Die Erblasserin hatte in den Jahren 1993 bis 1999 Kapitaleinkünfte im Ausland erzielt, die sie nicht in ihren Einkommensteuererklärungen angegeben hatte. Seit 1995 war sie aufgrund einer Demenzerkrankung nicht mehr in der Lage, wirksame Einkommensteuererklärungen abzugeben. Die Steuererklärungen der Erblasserin waren unter Beteiligung der Schwester der Klägerin (Miterbin) erstellt worden. Dieser war spätestens ab Eintritt des Erbfalls bekannt, dass die Mutter (Erblasserin) ihre Kapitaleinkünfte in den Einkommensteuererklärungen zu niedrig angegeben hatte. Das Finanzamt (FA) erließ gegenüber der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der Erblasserin geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen es die Steuer für die nicht erklärten Zinsen nachforderte.

Der BFH hat die Revision der Klägerin, soweit sie zulässig war, als unbegründet zurückgewiesen. Zunächst hat er klargestellt, dass die Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers gemäß § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auch dessen Steuerschulden „erben“; denn gemäß § 1967 BGB haften die Erben für die Nachlassverbindlichkeiten. Dies gilt gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) auch für die Steuerschulden. Auf die Kenntnis von der objektiven Steuerverkürzung des Erblassers kommt es nicht an, sondern nur auf die Höhe der entstandenen Steuerschuld. Mehrere Erben haften als Gesamtschuldner. Dies bedeutet, dass das FA im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens jeden Erben für die gesamte Steuerschuld des Erblassers in Anspruch nehmen kann.

War der Erblasser zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung aufgrund einer Demenzerkrankung geschäftsunfähig i.S. des § 104 Nr. 2 BGB, ist seine Steuererklärung zwar unwirksam. Dies hat auf die Höhe der gesetzlich entstandenen Steuer jedoch keine Auswirkung. Erfährt ein Erbe vor oder nach dem Erbfall, dass die Steuern des Erblassers zu niedrig festgesetzt wurden, ist er auch in diesem Fall nach § 153 Abs. 1 Satz 2 AO verpflichtet, die (unwirksame) Einkommensteuererklärung des Erblassers zu berichtigen. Unterlässt er dies, begeht er eine Steuerhinterziehung.

Diese Steuerhinterziehung führt dazu, dass sich bei allen Miterben die Festsetzungsfrist für die verkürzte Steuer nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf zehn Jahre verlängert. Wie der BFH hervorhebt, trifft dies auch den Miterben, der weder selbst eine Steuerhinterziehung begangen hat noch von dieser wusste.

Rechtsanwälte müssen mandatsbezogene Daten zu Umsatzsteuerzwecken angeben

Ein Rechtsanwalt, der Beratungsleistungen an im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer erbracht hat, die ihm ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mitgeteilt haben, kann die u.a. für diese Fälle vorgeschriebene Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung mit den darin geforderten Angaben (u.a. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Mandanten, Gesamtbetrag der Beratungsleistungen an den Mandanten) nicht unter Berufung auf seine Schweigepflicht verweigern.

BFH Urteil vom 27.9.2017, XI R 15/15

Begründung:
Ist ein Rechtsanwalt beratend für Unternehmer aus anderen EU-Mitgliedstaaten tätig, muss er dem Bundeszentralamt für Steuern Zusammenfassende Meldungen übermitteln, in denen die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr) jedes Leistungsempfängers anzugeben ist. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 27. September 2017 XI R 15/15 entschieden hat, dürfen Rechtsanwälte die Abgabe dieser Meldungen mit den darin geforderten Angaben nicht unter Berufung auf ihre anwaltliche Schweigepflicht verweigern.
Im Urteilsfall erbrachte die Klägerin, eine Rechtsanwaltsgesellschaft, Leistungen aus anwaltlicher Tätigkeit an Unternehmer, die in anderen Mitgliedstaaten der EU ansässig sind. Der Ort der Leistungen lag somit nicht im Inland. Zudem waren die Leistungsempfänger in ihrem Ansässigkeitsstaat Steuerschuldner für die von der Klägerin bezogenen Leistungen. Dementsprechend erteilte die Klägerin Rechnungen ohne deutsche Umsatzsteuer. Die dann erforderliche Abgabe der Zusammenfassenden Meldung mit Angabe der USt-IdNrn ihrer Mandanten verweigerte die Rechtsanwaltsgesellschaft allerdings unter Berufung auf die anwaltliche Schweigepflicht.

Der BFH folgte dem nicht. Zwar stehe Rechtsanwälten im Besteuerungsverfahren gemäß § 102 der Abgabenordnung ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, das sowohl die Identität des Mandanten als auch die Tatsache seiner Beratung umfasse. Allerdings hätten die im EU-Ausland ansässigen Mandanten durch die Mitteilung der USt-IdNr gegenüber der Klägerin in deren Offenlegung in Zusammenfassenden Meldungen eingewilligt. Dies ergebe sich aus dem EU-weit harmonisierten –und daher auch ausländischen Unternehmern als Leistungsempfängern bekannten– System der Besteuerung innergemeinschaftlicher Dienstleistungen. Ob § 18a des Umsatzsteuergesetzes nicht ohnehin die anwaltliche Schweigepflicht zulässigerweise einschränkt, konnte deshalb offenbleiben.

Erlass von Steuern aus Billigkeitsgründen

Begehrt ein Steuerpflichtiger, der an mehreren Personengesellschaften unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, einen Steuererlass aus Billigkeitsgründen, weil er übermäßig durch Einkommen- und Gewerbesteuer belastet sei, so ist bei der Entscheidung über den Erlassantrag die bei den Personengesellschaften entstandene Gewerbesteuer, die anteilig auf den Steuerpflichtigen entfällt, einzubeziehen. Allerdings darf eine Gewerbesteuerbelastung, die darauf zurückzuführen ist, dass Gewinne und Verluste einzelner Gesellschaften für Zwecke der Gewerbesteuer nicht saldiert werden können, bei der Prüfung einer Übermaßbesteuerung nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden.

BFH Urteil vom 23.02.2017 – III R 35/14

Begründung:

Die Revision ist unbegründet und wird nach § 126 Abs. 4 FGO zurückgewiesen. Denn das FG hat zwar zu Unrecht die Ermessensausübung des FA bei der Entscheidung über den Erlassantrag nicht beanstandet. Aber es hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen, weil angesichts einer Ermessensreduzierung auf Null eine andere Entscheidung als eine Klageabweisung nicht in Betracht kam.

Das FG hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Die Ermessensausübung durch das FA war zwar nicht zutreffend, allerdings kam wegen einer Ermessensreduzierung auf Null eine andere Entscheidung als die Ablehnung des Erlassantrags nicht in Betracht. Wegen dieser Ermessensreduzierung auf Null machen es die fehlerhaften Ermessenserwägungen des FA, welche das FG nicht beanstandet hat, nicht erforderlich, das angefochtene Urteil aufzuheben.

Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden. Der Zweck der §§ 163, 227 AO liegt darin, sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalles, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur des Steuerbetrages insoweit Rechnung zu tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen. Die Entscheidung des FA über den Erlass von Steuern ist eine Ermessensentscheidung, so dass sich die gerichtliche Überprüfung gemäß § 102 FGO darauf zu beschränken hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.

Die Unbilligkeit kann in der Sache liegen oder ihren Grund in der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen haben. In der wirtschaftlichen Situation des Steuerpflichtigen liegende (persönliche) Billigkeitsgründe hat der Kläger trotz Aufforderung nicht substantiiert gegenüber dem FA geltend gemacht, so dass dieses seine Prüfung zu Recht auf sachliche Billigkeitsgründe beschränkt hat.

Anlass für einen Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen kann eine Übermaßbesteuerung sein, so wie sie der Kläger im Streitfall geltend macht. Nach der Rechtsprechung des BVerfG fällt die Steuerbelastung in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie nach Art. 14 des Grundgesetzes –GG–. Die steuerliche Belastung auch höherer Einkommen darf für den Regelfall nicht so weit gehen, dass der wirtschaftliche Erfolg grundlegend beeinträchtigt wird und damit nicht mehr angemessen zum Ausdruck kommt. Allerdings lässt sich aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 GG keine allgemein verbindliche, absolute Belastungsobergrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung ableiten (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 97, 114). Die frühere Rechtsprechung des BVerfG zum sog. Halbteilungsgrundsatz (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 93, 121, 138), auf die sich der Kläger noch gegenüber dem FA berufen hatte, ist damit überholt.

Aufteilung eines Erstattungsbetrages auf zusammenveranlagte Ehegatten

Werden Einkommensteuer-Vorauszahlungen für zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute geleistet, kann aus der Sicht des Finanzamts als Zahlungsempfänger mangels entgegenstehender ausdrücklicher Absichtsbekundungen aufgrund der zwischen den Eheleuten bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft angenommen werden, dass derjenige Ehegatte, der die Zahlung auf die gemeinsame Steuerschuld bewirkt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehepartners begleichen will (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).

Das hat zur Folge, dass bei einer Überzahlung beide Ehegatten erstattungsberechtigt sind. Der Erstattungsbetrag ist zwischen ihnen hälftig aufzuteilen. Allein der Umstand, dass über das Vermögen des anderen Ehegatten das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Die Entscheidung über die Aufteilung eines Erstattungsbetrags auf Ehegatten ist nicht notwendigerweise einheitlich zu treffen, weswegen keine Pflicht zur Beiladung des anderen Ehegatten nach § 60 Abs. 3 FGO Satz 1 besteht.
Eine notwendige Beiladung nach § 218 Abs. 3 AO i.V.m. § 174 Abs. 5 AO ist in Fällen, in denen das Finanzamt den diesbezüglichen Antrag (§ 174 Abs. 5 Satz 2 AO) nicht gestellt hat, nicht geboten.

BFH Beschluss vom 20.02.2017 – VII R 22/15 BFH/NV 2017, 906

Begründung:

Die Revision ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung des vom FA seiner Ehefrau zugerechneten hälftigen Betrags hat und dass der angefochtene Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) rechtmäßig ist.

Nach § 37 Abs. 2 AO ist erstattungsberechtigt (Erstattungsgläubiger), auf dessen Rechnung eine Zahlung ohne rechtlichen Grund bewirkt worden ist. Das ist nach der Rechtsprechung des BFH derjenige, dessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem FA gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte, wobei es nicht darauf ankommt, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist.
D
iese Grundsätze gelten auch für den Fall, dass mehrere Personen als Gesamtschuldner die überzahlte Steuer schulden, wie es bei zusammen veranlagten Ehegatten hinsichtlich der Einkommensteuer und der daran anknüpfenden Steuer der Fall ist (§ 26b EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann das FA als Zahlungsempfänger in Ermangelung entgegenstehender ausdrücklicher Absichtsbekundungen, solange die Ehe besteht und die Eheleute nicht dauernd getrennt leben, davon ausgehen, dass derjenige Ehegatte, der die Zahlung auf die gemeinsame Steuerschuld bewirkt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen will und dass die Zahlung der Einkommensteuer auf Rechnung beider Ehegatten als Gesamtschuldner bewirkt worden ist. Dabei sind für die Beurteilung der mit der Zahlung verfolgten Absicht diejenigen Umstände zu berücksichtigen, die dem FA im Zeitpunkt der Zahlung erkennbar waren. Das hat zur Folge, dass beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO erstattungsberechtigt sind. Der Erstattungsbetrag ist dann –wie im Streitfall auch geschehen– zwischen beiden Ehegatten nach Köpfen aufzuteilen.

Die Umstände, dass die gegen den Kläger festgesetzten Einkommensteuer-Vorauszahlungen 2010 auf dessen Einkünften aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) beruhen und dass er für den streitgegenständlichen Abrechnungszeitraum sämtliche Vorauszahlungen geleistet hat, führen nicht dazu, dass das FA im maßgeblichen Zeitpunkt, in dem die Einkommensteuer-Vorauszahlungen vom Konto des Klägers abgebucht worden sind, von einer abweichenden Tilgungsbestimmung des Klägers hätte ausgehen müssen.

Dass über das Vermögen der Ehefrau des Klägers am 14. August 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und dass der Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid (auch) dem in diesem Verfahren bestellten Insolvenzverwalter zugestellt wurde, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Nach den Feststellungen des FG, gegen die keine Verfahrensrügen erhoben worden sind und an die der Senat infolgedessen nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, hat der Kläger den Abbuchungen von seinem Konto nicht widersprochen und gegenüber dem FA im Zeitpunkt der Abbuchung keine ausdrückliche Tilgungsbestimmung getroffen. Wie der erkennende Senat entschieden hat, gibt allein die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Ehegatten keinen zwingenden Hinweis auf eine bestimmte Tilgungsabsicht, so dass im Zeitpunkt der Bewirkung der Vorauszahlungen nicht ohne
Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die Vorauszahlungen allein auf Rechnung des vom Insolvenzverfahren nicht betroffenen Ehegatten bewirkt werden sollten. Das FA muss nämlich in diesem Zeitpunkt keine Vermutungen über eine bestimmte wirtschaftliche Interessenlage auf Seiten des steuerpflichtigen Ehegatten für den Fall anstellen, dass die Vorauszahlungen später zu einem Erstattungsanspruch führen könnten. Ebenso ist es nicht gehalten, Vermutungen darüber anzustellen, ob das Insolvenzverfahren andauert oder ob der Anspruch ggf. nachträglich der Insolvenzmasse zugeführt wird.

Bei der rechtlichen Beurteilung hat sich der Senat bei seiner Entscheidung von den Überlegungen leiten lassen, dass es auch während eines Insolvenzverfahrens eines der Ehegatten durchaus Gründe für den anderen Ehegatten geben kann, Steuervorauszahlungen auf Rechnung beider Ehegatten zu bewirken und dass gerade bei nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten die noch bestehende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft der Grund für den nicht insolventen Ehepartner sein kann, bei einer bestehenden Gesamtschuld auch auf die Schuld des jeweils anderen Ehegatten zu leisten, um diesen zu unterstützen, seine Gläubiger zu befriedigen und somit zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens beizutragen, zu der es im Streitfall auch gekommen ist.

Entgegen der Auffassung der Revision kann eine abweichende Tilgungsbestimmung des Klägers auch nicht daraus abgeleitet werden, dass das FA die Vorauszahlungsbescheide vom 4. März und vom 12. April 2010 nicht nur dem Prozessbevollmächtigten des Klägers, sondern auch dem Insolvenzverwalter bekannt gegeben hat. Entscheidend ist, dass der Kläger auf die ihm bekannt gegebenen Bescheide die festgesetzten und geschuldeten Einkommensteuer-Vorauszahlungen tatsächlich geleistet und dabei keine Tilgungsbestimmung getroffen hat. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob das FA den für das Insolvenzverfahren seiner Ehefrau bestellten Insolvenzverwalter aufgrund der Gesamtschuldnerschaft zu Recht als zusätzlichen Bekanntgabeadressaten der Bescheide ansehen konnte, zumal die Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen gegenüber dem Kläger selbst bei einer rechtsfehlerhaften Bekanntgabe der Vorauszahlungsbescheide gegenüber dem Insolvenzverwalter unberührt bliebe.

Trotz der Bekanntgabe der Vorauszahlungsbescheide an den Insolvenzverwalter konnte das FA in Ermangelung einer anderweitigen Tilgungsbestimmung von einer Zahlung des Klägers auch auf die Steuerschuld seiner Ehefrau ausgehen. Denn die Vorauszahlungen schuldeten die Ehegatten als Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 AO), so dass das FA erwarten konnte, dass zumindest der Kläger die Gesamtschuld begleichen werde. Jedenfalls musste es nicht davon ausgehen, dass allein aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der dadurch veranlassten Einzelbekanntgabe an den Kläger und an den Insolvenzverwalter der Kläger Zahlungen nur auf seine eigene Steuerschuld leisten würde.

Unbeachtlich für die Bestimmung des Tilgungswillens des Klägers ist der Umstand, dass im Fall der Insolvenz eines der Ehegatten das Veranlagungswahlrecht durch den Insolvenzverwalter ausgeübt wird, denn nach den Feststellungen des FA waren der Kläger und seine Ehefrau im maßgeblichen Zeitpunkt der Leistung der Vorauszahlungen noch zusammen veranlagt. Einen Antrag auf Aufhebung der Zusammenveranlagung hat der Insolvenzverwalter nicht gestellt.

Das FG war nicht verpflichtet, die Ehefrau des Klägers gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO beizuladen. Nach dieser Bestimmung sind Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, (notwendig) beizuladen. Ein Fall der notwendigen Beiladung liegt im Streitfall jedoch nicht vor. Wie der erkennende Senat entschieden hat, reicht der Umstand, dass zusammen veranlagten Ehegatten nicht mehr als 100 % der in den Zusammenveranlagungsbescheiden durch Anrechnung der von den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einbehaltenen Lohnsteuer festgestellten Erstattungsbeträge erstattet werden dürfen, nicht aus, um die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung gegenüber den Ehegatten zu begründen, denn über Steuerschulden und Guthaben von Steuerpflichtigen wird im Steuererhebungsverfahren grundsätzlich gegenüber jedem Steuerpflichtigen gesondert und einzeln entschieden, auch wenn mehrere Steuerpflichtige im Steuerfestsetzungsverfahren bei Zusammenveranlagung von Eheleuten als Einheit behandelt worden sind und daher die festgesetzte Steuer als Gesamtschuldner schuldeten.

Auch nach der Änderung des § 218 AO durch das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22. Dezember 2014 (BGBl I 2014, 2417), mit dem in § 218 Abs. 3 AO eine Regelung eingefügt worden ist, nach der nachträglich gegenüber dem Steuerpflichtigen oder einer anderen Person die entsprechenden steuerlichen Folgerungen gezogen werden können, wenn eine Anrechnungsverfügung oder ein Abrechnungsbescheid auf Grund eines Rechtsbehelfs oder auf Antrag des Steuerpflichtigen oder eines Dritten zurückgenommen und in dessen Folge ein für ihn günstigerer Verwaltungsakt erlassen wird, gilt die angeführte BFH-Rechtsprechung weiterhin. Denn ausweislich der Gesetzesbegründung (BTDrucks 18/3017, S. 35) soll die neue Regelung nur in den Fällen gelten, in denen der andere Ehegatte oder Lebenspartner an dem Verfahren, das zur Aufhebung geführt hat, beteiligt wurde. Hierzu verweist § 218 Abs. 3 Satz 2 AO auf die entsprechende Geltung des § 174 Abs. 4 und 5 AO. Hinsichtlich der Rechtswirkungen gegenüber Dritten stellt § 174 Abs. 5 Satz 1 AO auf die Beteiligung des Dritten an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, ab. In diesem Zusammenhang bestimmt § 174 Abs. 5 Satz 2 AO, dass die Hinzuziehung oder Beteiligung Dritter zu diesem Verfahren zulässig ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH hat die danach für zulässig zu erachtende Beiladung jedoch nur dann zu erfolgen, wenn die Finanzbehörde diese veranlasst oder beantragt hat. Der Gesetzesbegründung kann nicht entnommen werden, dass § 218 Abs. 3 AO in jedem Fall –insbesondere bei der Beteiligung eines Ehegatten– von einer notwendigen Beiladung des Dritten nach § 60 Abs. 3 FGO ausgeht. Im Streitfall hat das FA den von der Rechtsprechung geforderten Antrag nicht gestellt, weshalb eine notwendige Beiladung nach § 218 Abs. 3 i.V.m. § 174 Abs. 5 AO nicht geboten war. Zudem ist im Streitfall der Abrechnungsbescheid weder auf Grund eines Rechtsbehelfs noch auf Grund eines Antrags des Klägers oder dessen Ehefrau zurückgenommen worden, so dass bereits aus diesem Grund der Anwendungsbereich des § 218 Abs. 3 AO nicht eröffnet ist.
E
ntgegen der Ansicht der Revision bestand für das FG kein Anlass, den Sachverhalt hinsichtlich der von den Ehegatten erteilten Einzugsermächtigung weiter aufzuklären (§ 76 Abs. 1 FGO). Nach den Feststellungen des FG hat das FA die festgesetzten Vorauszahlungsbeträge vom Konto des Klägers abgebucht, so dass die Steuerschuld getilgt worden ist. Aus der Sicht des FG bestand daher kein Anlass, an der Wirksamkeit der von beiden Ehegatten erteilten Einzugsermächtigung zu zweifeln, zumal selbst eine unwirksam erteilte Einzugsermächtigung nichts an der Überzahlung und der Entstehung des streitgegenständlichen Erstattungsanspruchs geändert hätte. Daher hätte sich dem FG die Frage nicht aufdrängen müssen, ob die Ehefrau des Klägers aufgrund des Insolvenzverfahrens noch die rechtliche Befugnis hatte, die Ermächtigung selbst zu erteilen. Im Übrigen hat das FG festgestellt, dass nur der Kläger Kontoinhaber war, so dass auch nur er über das Guthaben verfügen konnte. Dass er selbst die Einzugsermächtigung unterschrieben und damit die Abbuchungen ermöglicht hat, bestreitet die Revision nicht.

Keine Gemeinnützigkeit einer Kunststiftung bei Unterbringung der Kunstwerke in nicht öffentlich zugänglichen Privaträumen

Werden Kunstwerke in privaten –nicht der Allgemeinheit zugänglichen– Räumlichkeiten untergebracht und nur teilweise gelegentlich öffentlich ausgestellt, verfolgt eine zur Bewahrung und Förderung von bildender Kunst gegründete Stiftung mangels Selbstlosigkeit keine gemeinnützigen Zwecke.

BFH Urteil vom 23.02.2017 – V R 51/15

Begründung:

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sind Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO) von der Körperschaftsteuer befreit. § 3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) enthält eine entsprechende Regelung für die Befreiung von Gewerbesteuer. Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Eine Förderung oder Unterstützung geschieht nach § 55 Abs. 1 AO selbstlos, wenn dadurch nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke z.B. gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke verfolgt werden und im Übrigen die weiteren in § 55 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 AO genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Nach der Rechtsprechung handelt eine Körperschaft selbstlos, wenn sie weder selbst noch zugunsten ihrer Mitglieder eigennützige oder eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt.

Dabei trägt eine Körperschaft, die eine Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung wegen Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke begehrt, die Feststellungslast für die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass sie die Voraussetzungen der Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung erfüllt.

Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG im Streitfall zu Recht angenommen, dass jedenfalls im Streitjahr das eigennützige Interesse der Stifter im Vordergrund des Handelns der Klägerin stand, so dass es an der gebotenen Selbstlosigkeit i.S. von § 55 Abs. 1 AO mangelte. Die Klägerin hat im Streitjahr den in § 2 der Satzung verankerten Stiftungszweck nicht in ausreichendem Umfang verwirklicht, insbesondere was die vorgesehene Zurverfügungstellung von Werken der Stiftung im Rahmen von öffentlichen Ausstellungen und Leihgaben angeht.

Die Klägerin macht zwar im Rahmen einer Verfahrensrüge geltend, das FG habe zu Unrecht bei seiner Entscheidung darauf abgestellt, dass sich die Gemälde “in den Wohnräumen” der Stifter befunden hätten, während es sich in Wahrheit lediglich um die gleiche Adresse, aber von der Wohnung getrennte Räumlichkeiten in einer anderen Etage gehandelt habe. Dieser Umstand ist aber schon nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht entscheidungserheblich, weil es nach den Ausführungen des FG in diesem Zusammenhang auf die durch den ausschließlichen Zugang in derselben Adresse gesicherte tatsächliche –die Allgemeinheit für diesen Zeitraum ausschließende– Sachherrschaft der Stifter an den Gemälden ankam. Dieser Umstand wird auch von der Klägerin nicht grundsätzlich in Frage gestellt, zumal sie auch zu keiner Zeit vorgetragen hat, dass die Gemälde zu bestimmten Öffnungszeiten der Allgemeinheit zugänglich gewesen wären.

Das FG hat hierzu ausgeführt, dass der Stifter und Vorstand der Klägerin, Herr A, sich unstreitig aufgrund seiner Kunst- und Sammelleidenschaft seit Jahren in diesem Bereich engagiert habe. Sein Eigeninteresse liege im Sammeln und Besitzen von Kunstgegenständen aus der geographischen Mitte Deutschlands. Dieses Interesse habe Herr A mit der Gründung der Stiftung weiterverfolgt. Denn auch nach der Übertragung seiner privat angeschafften Kunstwerke auf die Stiftung habe sich für ihn faktisch nichts geändert, weil er nach wie vor den unmittelbaren Besitz an diesen Kunstwerken –ebenso wie an den von der Klägerin in den Streitjahren angeschafften Kunstwerken– habe. Sämtliche Kunstwerke hätten sich noch bis Juli 2013 im Besitz von Herrn A befunden. Auch danach seien die Kunstwerke in einer von diesem in der Nähe angemieteten Wohnung gelagert worden. Die Allgemeinheit habe in dieser Zeit kaum einen Nutzen an den Kunstwerken gehabt, da ihnen diese –abgesehen von wenigen Kunstwerken als Leihgaben bei Kunstausstellungen– nicht zugänglich gemacht worden seien. Gegen das Vorliegen der Selbstlosigkeit spreche auch, dass durch die in § 7 der Satzung enthaltene Regelung der Verbleib der Stiftung und damit auch der unmittelbare Besitz am Stiftungsvermögen für die nächsten beiden Generationen unmittelbar im Familienbesitz bereits sichergestellt sei. Daran ändere der in § 12 der Satzung vorgesehene Anfall des Vermögens der Stiftung bei Auflösung derselben auf andere gemeinnützige Einrichtungen nichts, weil diese Regelung lediglich den in § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO vorgesehenen Mindestvorgaben für die Anerkennung der Selbstlosigkeit entspreche.

Die Behauptung der Klägerin, mit der tatsächlichen Sachherrschaft an den Gemälden in den nur ihnen zugänglichen Räumlichkeiten werde den Stiftern lediglich ein unbeachtlicher ideeller Vorteil gewährt, geht fehl. Denn auf diese Weise wird der interessierten Allgemeinheit abgesehen von einzelnen Ausstellungen in entscheidungserheblicher Weise der zur Erfüllung des Stiftungszwecks maßgebliche Kunstgenuss an den Gemälden verwehrt.

Die nach Darstellung der Klägerin gebotene “Bewahrung von Gemeingut von Kunst und Kultur” steht im Einklang mit dem aufgezeigten eigennützigen Interesse der Stifter an der Anschaffung und dem Sammeln der Kunstwerke und vermag Letzteres daher nicht zu entkräften.

Dasselbe gilt für den Hinweis der Klägerin, dass die Kunstwerke durch die Stiftung auf Dauer dem Vermögen der Stifter entzogen seien mit der Maßgabe, dass das Stiftungsvermögen zugleich nach § 4 Abs. 2 der Satzung in seinem Bestand dauernd und ungeschmälert zu erhalten sei; denn dieser Umstand bedeutet angesichts der Lagerung der Kunstwerke im Erdgeschoss des eigenen Wohnhauses bzw. in hierfür später angemieteten Räumlichkeiten nicht, dass die Stifter ihren tatsächlichen Besitz –und damit auch ihren durch jederzeitigen Zugang möglichen eigennützigen Genuss– an den früheren und von der Stiftung neu erworbenen Kunstwerken der Sammlung in irgendeiner Form grundsätzlich eingeschränkt hätten. Auf die von der Klägerin beschriebenen geänderten Eigentumsverhältnisse an dem Gebäude durch die Übertragung auf den Sohn der Stifter kommt es insoweit nicht an, da sich an der tatsächlichen Sachherrschaft bezogen auf die Gemälde für die Öffentlichkeit nichts geändert hat.

Entfallen der Geschäftsgrundlage bei tatsächlicher Verständigung

Die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung im Steuerfestsetzungsverfahren kann nach den Grundsätzen vom Fehlen oder Wegfall der Geschäftsgrundlage ausnahmsweise entfallen, wenn ihr eine (irrtümlich) von beiden Parteien angenommene Geschäftsgrundlage von vornherein gefehlt hat oder wenn sie nachträglich weggefallen ist und einem der Beteiligten unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ein Festhalten an dem Vereinbarten nicht zuzumuten ist.
BFH Urteil vom 11.4.2017, IX R 24/15

Begründung (BFH):

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 11. April 2017 IX R 24/15 entschieden, dass einer tatsächlichen Verständigung keine Bindungswirkung zukommt, wenn ein Umstand, den beide Parteien der Vereinbarung als Geschäftsgrundlage zugrunde gelegt haben, von vornherein gefehlt hat.
Im Streitfall machten die Kläger aus der insolvenzbedingten Auflösung einer GmbH für das Streitjahr 2007 einen Verlust geltend. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens schlossen die Kläger auf Vorschlag des Finanzgerichts (FG) mit dem Finanzamt (FA) eine sog. tatsächliche Verständigung. Danach sollte in tatsächlicher Hinsicht von einem bereits im Jahr 2005 entstandenen Verlust ausgegangen werden. Bei der Umsetzung der Vereinbarung stellte das FA fest, dass die Einkommensteuerfestsetzung 2005 wegen einer vom vormaligen Berater der Kläger erklärten Einspruchsrücknahme nicht mehr änderbar war. Daher machten die Kläger geltend, dass die tatsächliche Verständigung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage aufzuheben und der Auflösungsverlust im anhängigen Streitjahr 2007 anzusetzen sei. Das FG folgte dem nicht und wies die Klage als unbegründet ab.
Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und das Verfahren an das FG zurückverwiesen. Nach seinem Urteil entfällt die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung, wenn ein wesentlicher Umstand, den die Parteien als gemeinsame Grundlage der Verständigung vorausgesetzt haben, nicht vorliegt, sodass ein Festhalten an der Vereinbarung jedenfalls einem der Beteiligten nicht zuzumuten ist.
Im Streitfall seien die Beteiligten übereinstimmend von der verfahrensrechtlichen Änderbarkeit des Einkommensteuerbescheids 2005 ausgegangen. Da diese angenommene gemeinsame Geschäftsgrundlage von vornherein gefehlt habe, komme der tatsächlichen Verständigung keine Bindungswirkung zu. Es komme nicht darauf an, ob in Bezug auf die Fehlvorstellung ein Verschulden der Kläger vorliege. Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang ohne Bindung an die Verständigung zu prüfen haben, ob der Auflösungsverlust -wie von den Klägern vorgebracht- im Streitjahr 2007 zu berücksichtigen ist.

Allgemeinpolitische Betätigung gemeinnütziger Körperschaften

Dem Gebot zeitnaher Mittelverwendung (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO) ist nicht nur dann Genüge getan, wenn das konkrete Guthaben, das auf einem projektbezogenen Bankkonto der gemeinnützigen Körperschaft durch Spendeneingänge entstanden ist, innerhalb der gesetzlichen Mittelverwendungsfrist für die gemeinnützigen Zwecke verwendet wird. Es genügt vielmehr, wenn die projektbezogenen Aufwendungen innerhalb der gesetzlichen Frist von einem anderen Bankkonto der gemeinnützigen Körperschaft bezahlt werden.
Eine Körperschaft fördert schon dann den Umweltschutz (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AO), wenn sie Maßnahmen durchführt, die “darauf gerichtet sind”, u.a. die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen zu sichern. Für die Gewährung der Steuerbegünstigung kommt es weder auf den tatsächlichen Erfolg der Maßnahme noch auf die Vollendung der Förderung an.
Das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO ist im Hinblick auf die Grenzen der allgemeinpolitischen Betätigung einer steuerbegünstigten Körperschaft noch gewahrt, wenn die Beschäftigung mit politischen Vorgängen im Rahmen dessen liegt, das das Eintreten für die satzungsmäßigen Ziele und deren Verwirklichung erfordert und zulässt, die von der Körperschaft zu ihren satzungsmäßigen Zielen vertretenen Auffassungen objektiv und sachlich fundiert sind und die Körperschaft sich parteipolitisch neutral verhält.

BFH Urteil vom 20.3.2017, X R 13/15

Begründung (BFH):
Eine wegen Förderung des Umweltschutzes gemeinnützige Körperschaft darf sich mit allgemeinpolitischen Themen befassen, wenn sie parteipolitisch neutral bleibt, sie sich dabei an ihre satzungsmäßigen Ziele hält und die von der Körperschaft vertretenen Auffassungen objektiv und sachlich fundiert sind. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. März 2017 X R 13/15 gilt dies in besonderem Maße, wenn eine Körperschaft nach ihrer Satzung den Umweltschutz fördert, weil in diesem Bereich ein großer Teil der wirksamen Maßnahmen nicht durch den Einzelnen, sondern nur durch den Gesetzgeber getroffen werden können.
Im entschiedenen Fall hatte ein Spender einem Verein, der den Umweltschutz durch zahlreiche Einzelprojekte fördert, einen Geldbetrag zugewendet. Die Spende war zweckgebunden zur Unterstützung der Durchführung eines Volksbegehrens, das die Rekommunalisierung von Energienetzen zum Gegenstand hatte. Der Verein stellte hierfür eine Zuwendungsbestätigung aus. Das Finanzamt (FA) hielt dies für unzulässig, da die Unterstützung eines Volksbegehrens eine unzulässige politische Betätigung darstelle und der Umweltschutz durch ein Volksbegehren nicht unmittelbar gefördert werde. Das Finanzgericht (FG) hat diese Fragen offengelassen, die Klage aber schon deshalb abgewiesen, weil der Verein seine Aufwendungen für das Volksbegehren nicht von dem Bankkonto, auf dem die Spende eingegangen war, sondern von einem anderen Bankkonto bezahlt hatte.

Dem ist der BFH nicht gefolgt. Nach dem Urteil des BFH verlangt das gemeinnützigkeitsrechtliche Gebot zeitnaher Mittelverwendung nicht, genau den konkreten, von einem Spender zugewendeten Geldschein oder genau das auf einem bestimmten Bankkonto der Körperschaft durch Spendeneingänge entstandene Guthaben innerhalb der gesetzlichen Frist für die gemeinnützigen Zwecke zu verwenden. Vielmehr genügt es, wenn die projektbezogenen Aufwendungen von einem anderen Bankkonto der Körperschaft bezahlt werden. Es kommt daher allein auf eine Saldo-Betrachtung an.
Weil aber hinsichtlich der Berechtigung zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen noch einige andere Fragen zu klären sind, hat der BFH das Verfahren an das FG zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen.
Dabei weist der BFH ausdrücklich darauf hin, dass es fraglich sei, ob die vom FA vorgebrachten Argumente die Annahme rechtfertigen, der Kläger habe mit seinem Eintreten für die Rekommunalisierung der Energienetze nicht mehr dem Ziel des Umweltschutzes gedient. Beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens seien zudem keine Gesichtspunkte erkennbar, die dafür sprechen könnten, dass die Unterstützung der Volksinitiative durch den Kläger seine Verpflichtung zur parteipolitischen Neutralität verletzt haben könnte. Er habe nicht zur Unterstützung einer bestimmten politischen Partei aufgerufen. Zudem treten nahezu alle relevanten politischen Parteien dafür ein, den Klimawandel zu begrenzen und erneuerbare Energien zu fördern.

Freimaurerloge nicht gemeinnützig

Eine Freimaurerloge, die Frauen von der Mitgliedschaft ausschließt, ist nicht gemeinnützig.
BFH Urteil vom 17.5.2017, V R 52/15

Begründung:
Eine Freimaurerloge, die Frauen von der Mitgliedschaft ausschließt, ist nicht gemeinnützig. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Mai 2017 V R 52/15 scheitert ihre Gemeinnützigkeit daran, dass sie nicht darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit i.S. von § 52 Abs. 1 der Abgabenordnung zu fördern.
Die Entscheidung betrifft eine Vereinigung zur Pflege der Freimaurerei (Loge). Diese nimmt nur Männer als Mitglieder auf. Sie ermöglichte nur diesen das Ritual in den Tempelarbeiten. Streitig war, ob der Ausschluss von Frauen der Gemeinnützigkeit entgegensteht.
Der BFH verneint die Gemeinnützigkeit. Für den Ausschluss von Frauen konnte die Loge weder zwingende sachliche Gründe anführen noch war dies durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt. Der BFH sah hierin keinen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Loge. Denn der Loge ist es durch die Versagung der Steuervergünstigung nicht verwehrt, nur Männer als Mitglieder auszuwählen und aufzunehmen. Soweit sich die Loge darauf berief, dass katholische Ordensgemeinschaften als gemeinnützig anerkannt würden, obwohl sie ebenfalls Männer oder Frauen von der Mitgliedschaft ausschließen, verweist der BFH darauf, dass die Förderung mildtätiger oder kirchlicher Zwecke keine Förderung der Allgemeinheit erfordert.
Die Entscheidung ist zu einer traditionellen Freimauerloge ergangen. Das Urteil des BFH könnte sich aber auch auf Vereine auswirken, die die Gemeinnützigkeit in Anspruch nehmen, aber wie z.B. Schützenbruderschaften, Männergesangsvereine oder Frauenchöre Männer oder Frauen ohne sachlichen Grund von der Mitgliedschaft ausschließen.

Zumutbarkeit eines Benennungsverlangens nach § 160 AO

Das Verlangen, den Empfänger einer Zahlung zu benennen, kann ermessensfehlerhaft sein, wenn der Zahlende Opfer einer für ihn nicht durchschaubaren Täuschung geworden ist und sich ihm keine Zweifel hinsichtlich seines Geschäftspartners hätten aufdrängen müssen. Ob sich solche Zweifel hätten aufdrängen müssen, ist im Regelfall nach der Sichtweise eines objektiven Betrachters zu beurteilen.
Die Zugehörigkeit zu einem ausländischen Kulturkreis verdrängt nicht die allgemein bei der Prüfung von Betrieben geltenden Darlegungs- und Nachweisanforderungen.
BFH Beschluss vom 01.12.2016 – X S 6/16 BFH/NV 2017, 440
Sachverhalt:
Die Antragstellerin wurde in den Streitjahren 2003 bis 2005 mit ihrem Ehemann (E) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. E kam im Jahr 1991 aus Bosnien nach Deutschland und war hier zunächst als Arbeitnehmer tätig. Seit 2001 erzielte er mit der Montage von Baufertigelementen Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung.
E leistete in den Streitjahren u.a. erhebliche Barzahlungen an vier Subunternehmen, die in der Rechtsform der GmbH auftraten. Schriftliche Werkverträge, Angebote, Annahmeerklärungen, Abrechnungspapiere sowie Unterlagen über die Abnahme der Leistungen existieren nicht. Die von den Subunternehmern gestellten Rechnungen enthalten keine genauen Leistungsbeschreibungen, sondern Angaben wie “vereinbarungsgemäß” oder “pauschal”.
Im Rahmen einer bei E durchgeführten Außenprüfung kam der Prüfer zu der Auffassung, aufgrund vorliegender Unterlagen hätten drei der vier Subunternehmen keinen eigenen Geschäftsbetrieb unterhalten. In allen vier Fällen sei die wahre Identität der Geschäftsführer entweder nicht zu ermitteln gewesen oder die Geschäftsführer hätten ausgesagt, den E nicht zu kennen. Der Prüfer forderte E auf, die Personen zu benennen, an die die Barzahlungen letztlich gelangt seien. Nachdem E diesem Verlangen nicht nachkam, schlug der Prüfer vor, auf der Grundlage des § 160 der Abgabenordnung (AO) den Betriebsausgabenabzug für die folgenden Beträge zu versagen:
Begründung:
Die Antragstellerin beruft sich weiterhin darauf, das Benennungsverlangen sei ermessensfehlerhaft gewesen, weil E Opfer einer für ihn nicht durchschaubaren Täuschung geworden sei und sich ihm keine Zweifel hinsichtlich seiner Geschäftspartner hätten aufdrängen müssen. Sie führt weiter aus, in der bisherigen Rechtsprechung und Kommentierung –der das FG gefolgt sei– werde für diese Beurteilung auf die Sichtweise eines objektiven Betrachters abgestellt (z.B. Größenordnung der durchgeführten Arbeiten, Vorliegen schriftlicher Vertragsunterlagen, hohe Barzahlungen).
Im Übrigen dürfte die Rechtsfrage in einem künftigen Revisionsverfahren auch nicht klärungsfähig sein, weil das Revisionsgericht an die vom FG festgestellten Tatsachen gebunden wäre (§ 118 Abs. 2 FGO), die vorliegend vom FG festgestellten Tatsachen aber keine Subsumtion unter den von der Antragstellerin für zutreffend gehaltenen Rechtssatz zulassen.
Im Verwaltungs- und Klageverfahren hatte sich der seinerzeit noch verfahrensbeteiligte E –soweit ersichtlich– noch nicht auf seine vermeintlich individuell fehlenden Fähigkeiten und Erfahrungen berufen. Folglich hatte das FG keine Gelegenheit, die hierfür maßgebenden Tatsachen festzustellen. Entsprechende Rechtsausführungen sind dem Gericht vielmehr erstmals im Beschwerdeverfahren unterbreitet worden. Auch in diesem Verfahrensstadium trägt die Antragstellerin aber keine konkreten Tatsachen für individuell fehlende Fähigkeiten vor –was vom Rechtsmittelgericht ohnehin nicht berücksichtigt werden dürfte–, sondern beruft sich pauschal darauf, dass E erst im Jahr 1991 nach Deutschland eingewandert sei und erst im Jahr 2001 die gewerbliche Tätigkeit aufgenommen habe.
Daraus allein lässt sich aber keinesfalls auf eine geschäftliche Unerfahrenheit schließen. Es gibt keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass derjenige, der sich –hier zugunsten der Antragstellerin auf das erste Streitjahr bezogen– erst seit 13 Jahren in Deutschland aufhält und erst seit drei Jahren gewerblich tätig ist, nicht zu der Erkenntnis fähig ist, dass bei Geschäften im Volumen von 200.000 EUR jährlich, die ohne schriftliche Vertragsunterlagen und ausschließlich gegen Barzahlung abgewickelt werden, ein höheres Risiko der Verschleierung der Identität des Vertragspartners als im Normalfall besteht.
Ergänzend verweist der Senat auf seine Rechtsprechung, wonach die Zugehörigkeit zu einem ausländischen Kulturkreis nicht die allgemein bei der Prüfung von Betrieben geltenden Darlegungs- und Nachweisanforderungen verdrängt.