Änderung der Besteuerung nach einer Außenprüfung

Die Änderung der Vorbehaltsfestsetzung nach einer Außenprüfung ist immer dann möglich, wenn der Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO entgegen den gesetzlichen Bestimmungen nicht aufgehoben wird (§ 173 Abs. 2 AO).

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 9.11.2006, V R 43/04

Weder eine Außenprüfung oder eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung noch eine unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Umsatzsteuerfestsetzung schaffen insoweit einen Vertrauenstatbestand, da es sich bei diesen Maßnahmen lediglich um vorläufige Beurteilungen der Finanzverwaltung handelt, die einer späteren abweichenden Beurteilung nicht entgegenstehen.
Hebt das FA den Vorbehalt der Nachprüfung nach einer Außenprüfung nicht auf, ist die mit dieser Nebenbestimmung versehene Steuerfestsetzung bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist selbst dann nach § 164 Abs. 2 AO 1977 in vollem Umfang änderbar, auch wenn das FA –wie im Streitfall– dem Steuerpflichtigen gemäß § 202 Abs. 1 AO 1977 mitgeteilt hat, die Außenprüfung habe zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt.

Rechtsmissbräuchliche Gestaltungen ist für die Besteuerung unbeachtlich

Zur Anwendbarkeit von § 42 AO 1977 im Umsatzsteuerrecht .

Schaltet ein Kreditinstitut bei der Erstellung eines Betriebsgebäudes eine Personengesellschaft vor, die das Gebäude errichtet und anschließend unter Verzicht auf die Steuerfreiheit an das Kreditinstitut vermietet, kann darin ein Rechtsmissbrauch vorliegen, der bei der Personengesellschaft zur Versagung des Vorsteuerabzugs aus den Herstellungskosten des Gebäudes führt .

Die Gestaltung kann aber auch durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe gerechtfertigt sein. Ertragsteuerliche Gründe gehören nicht dazu.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 9.11.2006, V R 43/04

Rechtsmissbräuchliche Gestaltungen sind nach § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) für die Besteuerung unbeachtlich. Diese nationale deutsche Regelung ist auch im harmonisierten Umsatzsteuerrecht weiterhin anwendbar.

Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 9. November 2006 V R 43/04 entschied, entspricht die deutsche Regelung den Grundsätzen der EuGH-Rechtsprechung, nach denen bei der Auslegung des Umsatzsteuerrechts eine “rechtsmissbräuchliche Praxis” zu beurteilen ist.

Im Streitfall hatte eine Tochterpersonengesellschaft einer Bank ein mehrgeschossiges Bürogebäude errichtet und anschließend für 10 Jahre steuerpflichtig an die Bank vermietet. Das Bauvorhaben war von der Bank geplant worden und speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten. Die Mittel für den Bau hatte die Tochtergesellschaft von der Bank und einer anderen Tochtergesellschaft zunächst im Wege von Gesellschafterdarlehen und später durch Übertragung aus deren Rücklagen nach § 6b des Einkommensteuergesetzes erhalten. Hätte die Bank das Gebäude selbst errichtet, wäre ein Abzug der im Zusammenhang mit dem Bau in Rechnung gestellten Umsatzsteuer als Vorsteuer nicht möglich gewesen.
Denn da Kreditinstitute regelmäßig nur steuerfreie Umsätze ausführen, steht ihnen kein Vorsteuerabzug zu. Diese Einschränkung gilt für eine Tochtergesellschaft der Bank grundsätzlich nicht, die Vermietungsumsätze unter Verzicht auf die Steuerbefreiung ausführt.

Das Finanzamt versagte aber gleichwohl den von der Tochtergesellschaft geltend gemachten Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten des Gebäudes wegen rechtsmissbräuchlicher Gestaltung i.S. von § 42 AO 1977.

Der BFH bestätigte diese Auffassung. Die Vorschaltung einer Personengesellschaft allein zur Erlangung des Vorsteuerabzugs aus dem von ihr zu verwirklichenden Bauvorhaben sei als rechtsmissbräuchlich anzusehen, weil wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe für die Gestaltung – insbesondere für die anschließende steuerpflichtige Vermietung des Gebäudes an die Bank – im Streitfall nicht ersichtlich seien. Ertragsteuerliche Gründe könnten nicht als beachtliche wirtschaftliche Gründe im Sinne des § 42 AO 1977 zur Rechtfertigung einer umsatzsteuerlich unangemessenen Gestaltung angeführt werden. Dies stehe auch im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH.

Anrechnung der Zahlung zum Nutzungsentgelt bei 1%

Bei der 1 v.H.-Regelung zur Ermittlung der privaten Nutzung eines Firmenfahrzeugs handelt es sich um eine zwingende Bewertungsregelung, die nicht durch die Zahlung eines Nutzungsentgelts vermieden werden kann, selbst wenn dieses als angemessen anzusehen ist. Die vereinbarungsgemäß gezahlten Nutzungsvergütungen sind von den nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG ermittelten Werten in Abzug zu bringen.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 7.11.2006, VI R 95/04

Mit Urteil v. 7. 11. 2006 – VI R 95/04 hat der BFH über die Bewertung geldwerter Vorteile bei der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung eines Dienstwagens an einen Arbeitnehmer auch für dessen Privatfahrten entschieden. Ein solcher geldwerter Vorteil ist als Arbeitslohn vom Arbeitnehmer zu versteuern.

Die Bewertung des geldwerten Vorteils wegen der Nutzung eines Dienstwagens für private Zwecke ist in § 8 Abs. 2 Sätze 2 ff. EStG geregelt und nur in Form der 1 % – Regelung oder des Einzelnachweises mit Fahrtenbuch möglich. Die zwingend vorgeschriebene Anwendung der Vorschrift kann auch nicht dadurch vermieden werden, dass der Arbeitnehmer ein Nutzungsentgelt an den Arbeitgeber zahlt, selbst wenn sich dieses an Durchschnittssätzen orientiert. Die vom Arbeitnehmer vereinbarungsgemäß gezahlte nach der tatsächlichen Nutzung oder pauschal ermittelte Vergütung ist allerdings von dem mittels der 1 % – Methode ermittelten Wert abzuziehen. Insoweit liegt kein Arbeitslohn vor

Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuer-Satzes auf Speisen eines Imbisswagens

Die Abgabe von fertig zubereiteten Speisen aus einem Imbisswagen unterliegt als Dienstleistung dem Regelsteuersatz, wenn aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers das Dienstleistungselement der Speisenabgabe überwiegt; dagegen ist die bloße Abgabe von fertig zubereiteten Speisen aus einem Imbisswagen “zum Mitnehmen” eine nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1993 ermäßigt zu besteuernde Lieferung .

Bei der Beurteilung, ob das Dienstleistungselement der Abgabe von fertig zubereiteten Speisen überwiegt, sind nur solche Dienstleistungen zu berücksichtigen, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 26.10.2006, V R 58, 59/04; V R 58/04; V R 59/04

Nach dem Gesetz ist auch im Streitfall für jeden besteuerten Umsatz zu entscheiden, ob eine –dem ermäßigten Steuersatz unterliegende– Lieferung von Speisen oder eine –dem Regelsteuersatz unterliegende– Dienstleistung vorliegt.

Es kommt nicht auf ein quantitatives Überwiegen des Dienstleistungselements der Bewirtung gegenüber der Speisenlieferung an, sondern darauf, ob das Dienstleistungselement qualitativ überwiegt.

Das FG hat zu Unrecht angenommen, die Tische, Bänke und Stühle der Standnachbarn könnten keine “Vorrichtungen” sein, die dem Kläger zuzurechnen seien. Nach der Rechtsprechung des Senats sind vielmehr auch Verzehrvorrichtungen, die einem Dritten gehören, in die Würdigung einzubeziehen, wenn sie zumindest auch im Interesse des leistenden Unternehmers zur Verfügung gestellt werden.

Nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung, dessen Inhalt das FG durch Bezugnahme festgestellt hat, hatten bei 95 v.H. der Veranstaltungen Standnachbarn neben dem Imbisswagen des Klägers Tische und Stühle aufgestellt.
Nach der Abgabe der Speisen entfernten sich einige Kunden gänzlich vom Imbisswagen des Klägers. Hingegen gingen andere Kunden, die auch etwas trinken wollten, zum benachbarten Getränkestand und setzten sich mit den Speisen dort hin.
Dies wurde von den Standnachbarn geduldet, u.a. weil man sich auf den Veranstaltungen kannte.
Aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers gab der Kläger nicht nur zubereitete Speisen ab, sondern er stellte auch unmittelbar neben seinem Imbisswagen Tische, Bänke oder Stühle bereit, an denen die gekauften Speisen sitzend verzehrt werden konnten.
Auf welcher Rechtsgrundlage (hier: Duldung) und von wem (hier: von Standnachbarn) die Sitzplätze dem Kläger zur Bereitstellung an seine Kunden überlassen wurden, in wessen Eigentum sie standen und wer sie anschließend reinigte, ist unter Umständen wie denen des Streitfalls aus der Sicht eines Kunden unerheblich.

Das FG hat den Streitfall insoweit dahin gehend gewürdigt, dass nach dem glaubhaften Vortrag des Klägers an der Theke tatsächlich niemand Speisen zu sich nehme, weil an dem seitlichen Teil der Umrandung die durch Bratvorgänge entstehenden Fettspritzer und im Hauptteil der Umrandung der Kundenandrang dies nicht ermöglichte. Auch die Fässer mit Holzplatte seien keine Verzehreinrichtung. Die Ölfässer seien keine Stehtische, sondern Mülleimer, an denen der durchschnittliche Kirmesbesucher nicht gewillt sei, Speisen zu sich zu nehmen.

Soweit der Kläger lediglich Speisen “zum Mitnehmen” abgegeben hat, unterliegen diese Umsätze als Lieferungen der Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz weil der Kläger insoweit keine Dienstleistungen erbrachte, die den Verzehr in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestalteten.
Danach ist nämlich die Lieferung der dort genannten Lebensmittelzubereitungen ermäßigt zu besteuern, was voraussetzt, dass Lebensmittelzubereitungen “geliefert” werden können.
Der vom FA angeführten Auffassung des FG des Saarlands (Beschluss vom 12. August 2003 1 V 176/03, EFG 2003, 1742), verzehrfertige Speisen seien generell nicht begünstigt, vermag der Senat deshalb nicht zu folgen.
Auch dass der Kläger die Speisen “zum Mitnehmen” in Papierservietten oder Einwegschälchen und mit Einweggabeln abgegeben sowie auf Wunsch Senf, Ketchup, Mayonnaise oder Apfelmus beigefügt hat, ist insoweit unschädlich. Dies gilt auch für die Bereitstellung von Abfalleimern, da die Rücknahme von Verkaufsverpackungen notwendig mit der Vermarktung von Lebensmitteln verbunden ist.

Private Nutzungsentschädigung 1 % (Tankbelege)

Überlässt ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer ein Kraftfahrzeug für dessen private Nutzung, können einzelne vom Arbeitnehmer selbst getragene Kraftfahrzeugkosten als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn der Nutzungsvorteil nach der sog. Fahrtenbuchmethode ermittelt wird. Dagegen kommt ein Werbungskostenabzug nicht in Betracht, wenn der Nutzungsvorteil pauschal nach der sog. 1 %-Regelung bemessen wird.

BFH Urteil vom 18.Oktober 2007 VI R 57/06

Die vom Kläger selbst getragenen Treibstoffkosten für das überlassene Fahrzeug können nur dann berücksichtigt werden, wenn der Wert der privaten Nutzung nach der sog. Fahrtenbuchmethode ermittelt wird.

Auskunftsbegehren an Dritte

Der Senat hält an seiner Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 25. November 1997 VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461) fest, dass im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte Tatsachen bei der Änderung eines unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Steuerbescheides nur ausnahmsweise nicht verwertet werden dürfen, wenn ein sog. qualifiziertes materiell-rechtliches Verwertungsverbot zum Zuge kommt .

Auskunftsbegehren dürfen auch an Dritte gerichtet werden, wenn der Steuerpflichtige unbekannt ist und ein hinreichender Anlass aufgrund konkreter Umstände oder allgemeiner, auch branchenspezifischer Erfahrungen besteht.

Liegen die Voraussetzungen für ein qualifiziertes Verwertungsverbot vor, weil ein weiteres Beweismittel nur unter Verletzung von Grundrechten oder in strafbarer Weise von der Finanzbehörde erlangt worden ist, so kann dieses Verwertungsverbot ausnahmsweise im Wege einer sog. Fernwirkung auch der Verwertung dieses nur mittelbaren –isoliert betrachtet rechtmäßig erhobenen– weiteren Beweismittels entgegenstehen .

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 4.10.2006, VIII R 53/04

1. Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen bei Ermittlung von Einkünften Dritter

Nach § 194 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 dient die Außenprüfung grundsätzlich der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen. Werden anlässlich einer Außenprüfung Verhältnisse anderer als der in Abs. 1 genannten Personen festgestellt, so ist die Auswertung dieser Feststellungen insoweit zulässig, als ihre Kenntnis für die Besteuerung (vgl. § 199 Abs. 1 AO 1977) dieser anderen Personen von Bedeutung ist (§ 194 Abs. 3 1. Halbsatz AO 1977).

Das Merkmal “anlässlich” verlangt neben einem zeitlichen Zusammenhang zwischen der Außenprüfung und der Feststellung steuerrelevanter Verhältnisse Dritter auch einen sachlichen Zusammenhang in der Art, dass bei einer konkreten und im Aufgabenbereich des Prüfers liegenden Tätigkeit ein Anlass auftaucht, der den Prüfer veranlasst, solche Feststellungen zu treffen.

Hierzu muss es sich nicht um einen besonderen Anlass handeln. Vielmehr genügt es, wenn die vom Prüfer einzusehenden Geschäftsunterlagen des Steuerpflichtigen Hinweise auf die Verhältnisse dritter Personen zu geben vermögen, die bei objektiver Betrachtung für deren Besteuerung von Bedeutung sein können (BFH-Beschluss vom 2. August 2001 VII B 290/99, BFHE 196, 4, BStBl II 2001, 665, 667).

Als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips darf der Prüfer die Geschäftsunterlagen der Steuerpflichtigen nicht gezielt einerseits unter Anlegung eines vorgegebenen Rasters und andererseits nicht “ins Blaue hinein”, d.h. als beliebige Stichprobe, nach steuererheblichen Verhältnissen Dritter durchforsten. Unzulässig ist eine Prüfungstätigkeit, die losgelöst von der konkret angeordneten Außenprüfung unmittelbar und ausschließlich auf die Feststellung der steuerlichen Verhältnisse Dritter und die Fertigung von Kontrollmitteilungen gerichtet ist.

Dementsprechend verlässt auch ein an den Steuerpflichtigen zu diesem Zweck gerichtetes Mitwirkungsverlangen den Rahmen des § 200 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 und ist deshalb rechtswidrig. Ein solches Mitwirkungsverlangen liegt außerhalb der durch einen Prüfungsauftrag verliehenen Befugnisse des Prüfers.

Es mag durchaus sein, dass die Prüfer im Rahmen von Außenprüfungen bei Gastwirten auch ein Augenmerk auf die steuerlichen Verhältnisse der Tanzkapellen richten sollten. Vom Zufallsprinzip gedeckt ist es zudem, bestimmte Geschäftsbeziehungen zu Dritten systematisch aufzuarbeiten. Es besteht keine Beschränkung der Prüfungs- und Kontrollmitteilungsdichte.

§ 194 Abs. 3 AO 1977 stellt im Übrigen eine zu Gunsten des geprüften Steuerpflichtigen bestehende Schutzvorschrift dar. Der Schutzbereich erfasst somit nicht Geschäftspartner des Steuerpflichtigen; § 194 Abs. 3 AO 1977 soll lediglich verhindern, dass ein Steuerpflichtiger im Verlauf einer wegen seiner Besteuerung durchgeführten Prüfung auch noch unbeschränkt als Auskunftsperson über die Geschäfte weiterer Steuerpflichtiger herhalten soll. Selbst wenn das Erstellen von Kontrollmitteilungen gegen gesetzliche Verpflichtungen verstoßen hätte, so könnten sie jedenfalls dann ausgewertet werden, wenn sich der eigentlich betroffene Steuerpflichtige nicht gegen diese Maßnahmen gewehrt hat. Der Steuerpflichtige kann schließlich ein Mitwirkungsverlangen anfechten und sich gegen das Erstellen von Kontrollmitteilungen mit einer Unterlassungsklage wehren.

2. Auskunft durch Dritte

Nach § 93 Abs. 1 AO 1977 haben Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
Im Rahmen ihrer Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt zur Durchsetzung materiell-rechtlich begründeter Steueransprüche aufzuklären (§§ 85, 88 AO 1977), darf sich die Finanzbehörde derjenigen Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 92 Satz 1 AO 1977). Zu diesen Beweismitteln zählen auch Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten im Besteuerungsverfahren (§ 92 Satz 2 Nr. 1 AO 1977). Die rechtliche Befugnis zu solchen Auskunftsverlangen ergibt sich aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AO 1977. Die Inanspruchnahme dieser Befugnisse verstößt grundsätzlich nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze.

Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 soll die Finanzbehörde zunächst versuchen, die zur Aufklärung des Sachverhalts notwendigen Auskünfte von dem Steuerpflichtigen selbst zu erlangen, ehe andere Personen zur Auskunft angehalten werden. Ein Auskunftsersuchen an Dritte, d.h. an dem Besteuerungsverfahren nicht beteiligte Personen, soll erst ergehen, wenn die Sachverhaltsaufklärung nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Für ihr Tätigwerden bedürfen die Finanzbehörden eines hinreichenden Anlasses. Ermittlungen “ins Blaue hinein” sind unzulässig.

Danach dürfen Auskünfte von anderen Personen schon dann eingeholt werden, wenn die Finanzbehörde im Rahmen ihrer Tätigkeit –sei es aufgrund konkreter Momente, sei es aufgrund allgemeiner Erfahrung– zu dem Ergebnis gelangt ist, die Auskünfte könnten zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen.

Die in diesem Sinne erheblichen, mitzuteilenden “Tatsachen” müssen lediglich im Rahmen einer Prognoseentscheidung möglich sein. Die Finanzbehörde hat hierüber im Wege einer vorweggenommenen Beweiswürdigung zu befinden. Im Interesse der gesetzmäßigen und gleichmäßigen Besteuerung und zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich gebotenen Verifikationsprinzips sind die Anforderungen an diese Prognoseentscheidung nicht zu hoch anzusetzen. Für die notwendige Prognoseentscheidung darf auch auf eine branchenspezifische Erfahrung zurückgegriffen werden.

Insbesondere darf noch unklar sein, ob der Vorgang steuerbar ist und ob er im Ergebnis zu einer Steuerpflicht führt. § 93 Abs. 1 AO 1977 ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass möglicherweise eine Steuerschuld entstanden oder die Steuer verkürzt worden ist.

Nur dann, wenn klar und eindeutig jeglicher Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit fehlt, ist das Auskunftsverlangen rechtswidrig (BFH-Urteil in BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277).

3. Auskunft durch Dritte bei fehlender Identität

Ist die Identität des Beteiligten nicht bekannt, sondern soll sie durch das Auskunftsersuchen erst festgestellt werden, sind Aufklärungsmaßnahmen unter Zuhilfenahme des Beteiligten nicht durchführbar. Die Auskunft soll gerade dazu dienen, den Beteiligten festzustellen. Eine wortgetreue Anwendung des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 könnte nicht zu dem angestrebten Ziel führen und wäre folglich sinnwidrig. Ein für § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 atypischer Fall ist gegeben, wenn der Beteiligte unbekannt ist und deshalb schon eine Auskunft über seine Person erforderlich wird. Die Behörde muss bei der Ermittlung der Person des Beteiligten nicht solange auf die Inanspruchnahme einer anderen Person verzichten, bis sie alle Möglichkeiten, den Beteiligten selbst zur Auskunft über seine Person zu veranlassen, ausgeschöpft hat.

Das Auskunftsrecht unterliegt den allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen. Die verlangte Auskunft muss zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und die Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sein. Die Inanspruchnahme Dritter zur Auskunftserteilung bedarf darüber hinaus einer Interessenabwägung zwischen den besonderen Belastungen, denen ein Auskunftspflichtiger ausgesetzt ist und den Interessen der Allgemeinheit an einer möglichst gleichmäßigen Festsetzung und Verwirklichung der Steueransprüche.

Verfassungsmäßigkeit der steuerfreien Abgeordnetenpauschale

Das BMF wird gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 FGO zum Beitritt aufgefordert, um zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 3 Nr. 12 EStG im Hinblick auf die Steuerfreiheit der Amtsausstattung und der Kostenpauschale für Abgeordnete (§ 12 AbgG) Stellung zu nehmen.

BUNDESFINANZHOF Beschluß vom 21.9.2006, VI R 81/04
Die Kläger des Ausgangsverfahrens rügen eine im Vergleich zu Abgeordneten des Deutschen Bundestages gleichheitswidrige Benachteiligung bei der Besteuerung ihres Einkommens. Gegen die Steuerfreiheit der Kostenpauschale für Abgeordnete (§ 3 Nr. 12 des Einkommensteuergesetzes –EStG– i.V.m. § 12 des Abgeordnetengesetzes –AbgG–) werden gewichtige verfassungsrechtliche Bedenken vorgetragen. Der Senat verweist zu den insoweit aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen insbesondere auf den maßgebenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. November 1998 2 BvL 10/95 (BStBl II 1999, 502).

Wahl der getrennte Veranlagung

Ist ein Ehegatte gemäß § 26 EStG zur Einkommensteuer zu veranlagen und wird auf seinen Antrag eine getrennte Veranlagung durchgeführt, ist auch der andere Ehegatte gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG zwingend getrennt zu veranlagen. Für die Veranlagung des anderen Ehegatten kommt es in einem solchen Fall auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 8 EStG nicht mehr an.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 21.9.2006, VI R 80/04

Durchführung einer Amtsveranlagung

Beträgt die positive oder die negative Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, vermindert um die darauf entfallenden Beträge nach § 13 Abs. 3 und § 24a EStG, jeweils mehr als 800 DM (410 EUR), ist eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG vom Amts wegen durchzuführen .

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 21.9.2006, VI R 47/05

Die Rechtsprechung ist durch das Steueränderungsgesetz 2007 aufgehoben worden.

Wiederholte Bildung einer 7g-Rücklage für dasselbe Wirtschaftsgut

Wurde für die Anschaffung eines Wirtschaftsguts eine sog. Ansparrücklage (§ 7g Abs. 3 EStG) gebildet, ohne innerhalb des Zwei-Jahres-Zeitraums die geplante Investition zu realisieren, kann für dasselbe Wirtschaftsgut nur dann wieder eine Rücklage gebildet werden, wenn der Steuerpflichtige eine einleuchtende Begründung dafür abgibt, weshalb die Investition trotz gegenteiliger Absichtserklärung bislang nicht durchgeführt wurde, gleichwohl sie aber weiterhin geplant ist (Abgrenzung von BFH-Urteil vom 12. Dezember 2001 XI R 13/00, BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385) .

Die Ansparrücklage setzt nicht voraus, dass der voraussichtliche Investitionszeitpunkt in der Buchführung oder den Aufzeichnungen für die Gewinnermittlung ausgewiesen wird (anders BMF-Schreiben vom 25. Februar 2004, BStBl I 2004, 337, Rn 8, 15) .

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 6.9.2006, XI R 28/05

Entgegen der Auffassung des FG kommt eine wiederholte Rücklagenbildung nach § 7g Abs. 3 EStG für das gleiche Wirtschaftsgut nur in Betracht, wenn der Steuerpflichtige nachvollziehbare Gründe dafür anführen kann, weshalb die Investition zunächst nicht durchgeführt worden ist und die Investitionsabsicht fortbesteht.

Nach § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG darf die Rücklage im Streitjahr 50 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige “voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs anschaffen oder herstellen wird”. Dies setzt eine Prognoseentscheidung über das künftige Investitionsverhalten des Steuerpflichtigen aus der Sicht des Endes des jeweiligen Gewinnermittlungszeitraums voraus.

Im Streitfall geht es jedoch nicht um eine erstmalige, sondern um eine wiederholte Rücklagenbildung für das gleiche Wirtschaftsgut. Hat der Steuerpflichtige eine nach seiner eigenen Erklärung beabsichtigte Investition tatsächlich nicht innerhalb des Zwei-Jahres-Zeitraums getätigt, sind an die Plausibilität seines Vorbringens über das Fortbestehen seiner Investitionsabsicht erhöhte Anforderungen zu stellen. Bei diesem Sachverhalt ist es zumutbar und daher auch gerechtfertigt, vom Steuerpflichtigen eine –sachlich einleuchtende– Begründung dafür zu verlangen, weshalb die Investition trotz gegenteiliger Absichtserklärung bislang nicht durchgeführt worden, aber gleichwohl weiterhin geplant ist.

Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des BFH ist die voraussichtliche Investition bei Bildung jeder einzelnen Rücklage so genau zu bezeichnen, dass künftig festgestellt werden kann, ob eine tatsächlich durchgeführte Investition derjenigen entspricht, für deren Finanzierung die Rücklage gebildet wurde. Notwendig sind insbesondere Angaben zur Funktion des Wirtschaftsguts und zu den voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Diesen Anforderungen an die Konkretisierung der beabsichtigten Investition ist mit der Angabe des Klägers, einen “PKW Audi S 8” für 160 000 DM anschaffen zu wollen, Genüge getan. Außerdem hat der Kläger im Rahmen der Außenprüfung ein Schreiben vom 6. März 2000 an seine Steuerberaterin vorgelegt, wonach der PKW bis 2001 angeschafft werden sollte.

Unter diesen Umständen steht der Behandlung der Rücklage als Betriebsausgabe nicht entgegen, dass der Investitionszeitpunkt nicht in den der Gewinnermittlung dienenden Aufzeichnungen gemäß § 7g Abs. 3 Satz 3 Nr. 3, Abs. 6 EStG festgehalten war.

Der Zeitangabe in der Buchführung bzw. den Aufzeichnungen für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG kommt als solcher keine materiell-rechtliche Bedeutung zu.

Aus § 7g Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 2 EStG ergibt sich, dass die Investition bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs getätigt werden muss, anderenfalls der Gewinn in diesem Wirtschaftsjahr um die aufgelöste Rücklage zuzüglich eines Aufschlags von 6 v.H. (§ 7g Abs. 5 EStG) zu erhöhen ist. Aus der Nichteinhaltung der von den Steuerpflichtigen nach Auffassung des FA zu fordernden zeitlichen Angaben ergeben sich keine weitergehenden Rechtsfolgen.