Ausübung des Gewinnermittlungswahlrechts und Rücklagenbildung nach § 6b oder § 6c EStG

Die Ermittlung des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten ist grundsätzlich keine Einnahmenüberschussrechnung i.S. von § 4 Abs. 3 EStG.

Hat ein Kläger sein Gewinnermittlungswahlrecht zugunsten der Einnahmenüberschussrechnung ausgeübt, so ist sein (Hilfs-) Antrag auf eine "Rücklage nach § 6b EStG in Höhe des Veräußerungsgewinns" dahin auszulegen, dass er eine Neutralisierung des Gewinns durch einen Abzug nach § 6c Abs. 1 EStG begehrt.

Die für die § 6c-EStG- oder § 6b-EStG-Rücklage erforderliche Dokumentation kann auch noch im zweiten Rechtsgang geschaffen oder dargelegt werden.

BFH Urteil vom 30.1.2013, III R 72/11

Begründung: 
Der Senat kann aber nicht beurteilen, ob das FG zu Recht entschieden hat, dass eine Neutralisierung des aus der Veräußerung der Grundstücke entstandenen Gewinns durch Bildung einer Rücklage nach § 6b EStG nicht in Betracht komme, weil keine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich vorliege, aus der die Bildung und Auflösung der Rücklage ersichtlich sei (sog. Buchnachweis, § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 EStG).

Das FG-Urteil führt aus, der Kläger habe die Einkünfte bislang nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Das wird jedoch nicht durch die tatsächlichen Feststellungen des Urteils gedeckt. Denn die vom FG beschriebene Ermittlung des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten durch den Kläger ist grundsätzlich keine Einnahmenüberschussrechnung i.S. von § 4 Abs. 3 EStG.

Sofern ein Gewinnermittlungswahlrecht bestand, hat sich der Kläger nicht dadurch für eine Gewinnermittlungsmethode entschieden, indem er lediglich (vermeintliche) Einnahmen und Werbungskosten seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aufzeichnete. Ob das Wahlrecht auch dann zugunsten der Einnahmenüberschussrechnung ausgeübt wird, wenn dem Steuerpflichtigen das Bewusstsein fehlt, einen Gewinn zu ermitteln, er aber bei der Ermittlung (vermeintlicher) Überschusseinkünfte die Minimalanforderungen der Einnahmenüberschussrechnung erfüllt.

Sollte der Kläger das Wahlrecht dagegen bereits zugunsten der Einnahmenüberschussrechnung ausgeübt haben, kam die in der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragte "Rücklage nach § 6b EStG in Höhe des Veräußerungsgewinns" nicht in Betracht. Sein Antrag wäre dann aber dahin auszulegen gewesen, dass eine Neutralisierung des Gewinns aus der Veräußerung der Grundstücke durch einen Abzug nach § 6c Abs. 1 Nr. 2 EStG begehrt wurde, der (lediglich) voraussetzt, dass eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG gebildet werden kann. Die Voraussetzungen des § 6c Abs. 1 Nr. 2 EStG hat das FG nicht geprüft.

Wurde das unbefristete Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung noch nicht ausgeübt, dann könnte nach den Grundsätzen des BFH-Urteils in BFH/NV 2010, 212 auch jetzt noch der Gewinn entweder durch Einnahmenüberschussrechnung oder durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt werden. Im zweiten Rechtsgang könnte sich der Kläger dann auch bemühen, die Voraussetzungen des § 6c EStG oder des § 6b EStG zu schaffen und darzulegen.

 

Ausübung des Wahlrechts bei Übertragung der § 6b-Rücklage in einen anderen Betrieb

Das Bilanzierungswahlrecht für die Bildung und Auflösung einer § 6b-Rücklage ist immer durch entsprechenden Bilanzansatz im "veräußernden" Betrieb auszuüben, auch wenn die Rücklage auf Wirtschaftsgüter eines anderen Betriebs des Steuerpflichtigen übertragen werden soll.

BFH Urteil vom 19.12.2012, IV R 41/09

Begründung:

Nach § 6b Abs. 1 EStG können Gewinne aus der Veräußerung von Grund und Boden u.a. auf Anschaffungskosten von Grund und Boden, die im Wirtschaftsjahr der Veräußerung oder im vorangegangenen Wirtschaftsjahr entstanden sind, übertragen werden. Soweit eine Übertragung nicht vorgenommen wird, kann nach § 6b Abs. 3 EStG im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden. Bis zur Höhe der Rücklage können sodann die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach § 6b EStG begünstigter Wirtschaftsgüter, die in den folgenden vier Jahren angeschafft oder hergestellt werden, im Wirtschaftsjahr ihrer Anschaffung oder Herstellung gekürzt werden. In Höhe des Kürzungsbetrags ist die Rücklage aufzulösen.

Eine Rücklage kann auch gebildet werden, wenn der Gewinn aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen entsteht. Die Rücklage ist in diesem Fall zwingend in der Sonderbilanz des veräußernden Mitunternehmers zu bilden. Die Übertragung der Rücklage ist nicht auf Reinvestitionsgüter beschränkt, die in dem Alleineigentum des Veräußerers stehen und dem Betriebsvermögen des Veräußerungsbetriebs zuzuordnen sind. Die Übertragung kann auch auf Reinvestitionsgüter erfolgen, die zum Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen) einer anderen Personengesellschaft gehören, an der der Veräußerer als Mitunternehmer beteiligt ist, soweit diese Wirtschaftsgüter ihm anteilig zuzurechnen sind.

Ist eine Rücklage am Schluss des vierten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahrs noch vorhanden, so ist sie nach § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG zu diesem Zeitpunkt mit einem Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG von 6 % für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, gewinnerhöhend aufzulösen.

§ 6b EStG räumt dem Steuerpflichtigen hinsichtlich der Übertragung stiller Reserven Wahlrechte ein. Der Steuerpflichtige kann stille Reserven unter den in § 6b EStG näher beschriebenen Voraussetzungen übertragen, er muss es aber nicht. Dementsprechend hängt es auch von seinem Willen ab, ob er die gemäß § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG gebildete Rücklage von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines in § 6b Abs. 1 Satz 2 EStG genannten Wirtschaftsguts (Reinvestitionsgut) abziehen will (§ 6b Abs. 3 Satz 2 EStG). Der Steuerpflichtige ist deshalb während des Laufs der Reinvestitionsfrist befugt, die Rücklage ganz oder teilweise gewinnerhöhend aufzulösen oder auf ein anderes Reinvestitionsgut ganz oder teilweise zu übertragen.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist das Bilanzierungswahlrecht auch dann durch entsprechenden Bilanzansatz im "veräußernden" Betrieb auszuüben, wenn die Rücklage auf Wirtschaftsgüter eines anderen Betriebs des Steuerpflichtigen übertragen werden soll. Zwar setzt die Übertragung der Rücklage in diesem Fall voraus, dass ein Abzug von den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Reinvestitionsguts im Wirtschaftsjahr der Anschaffung bzw. Herstellung im Reinvestitionsbetrieb vorgenommen wird.

 

Anwendung der Grundsätze zur mittelbaren Grundstücksschenkung auch im Rahmen von § 6b EStG

Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur mittelbaren Grundstücksschenkung gelten auch im Rahmen des § 6b EStG. Eine § 6b-Rücklage kann daher nicht auf ein im Wege der mittelbaren Grundstücksschenkung erworbenes Grundstück übertragen werden

BFH Urteil vom 23. April 2009 IV R 9/06

Begründung:

Gemäß § 6b Abs. 3 EStG können Steuerpflichtige, wenn sie bei Veräußerung in § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG aufgeführter Wirtschaftsgüter eine gewinnmindernde Rücklage gebildet haben, von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bestimmter in § 6b Abs. 1 Satz 2 EStG genannter Wirtschaftsgüter, die in den folgenden vier Wirtschaftsjahren angeschafft oder hergestellt worden sind, einen Betrag bis zur Höhe der Rücklage abziehen. Im Gegenzug ist die Rücklage insoweit aufzulösen. Sind keine Reinvestitionsobjekte angeschafft oder hergestellt worden und ist die Rücklage am Schluss des vierten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden, so ist sie nach § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG in diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen.

Wird ein Betrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen, tritt der Betriebsübernehmer in die Rechte und Pflichten des Betriebsübergebers ein. Eine vom Betriebsübergeber gebildete Rücklage ist deshalb vom Betriebsübernehmer zu übernehmen und entsprechend fortzuführen. Dies hat zur Folge, dass eine Übertragung der Rücklage auf Reinvestitionsobjekte oder eine gewinnerhöhende Auflösung der Rücklage ausschließlich beim Betriebsübernehmer zu erfassen ist.

Die Übertragung der Rücklage kommt nur dann in Betracht, wenn ein Reinvestitionsobjekt i.S. des § 6b Abs. 1 Satz 2 EStG bis zum Ablauf der vierjährigen Reinvestitionsfrist angeschafft oder hergestellt wird