Abfärbewirkung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG

Bei Beteiligung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft an einer gewerblich tätigen Mitunternehmerschaft mit abweichendem Wirtschaftsjahr tritt die Abfärbewirkung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG nur ein, wenn der Obergesellschaft im betreffenden Kalenderjahr nach Maßgabe des § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG ein Gewinnanteil i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zugewiesen ist.

BFH Urteil vom 26.06.2014 – IV R 5/11 BFHNV 2014 Seite 1826

Begründung:

Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung, des Ablehnungsbescheids sowie der Einspruchsentscheidung und zur Änderung des Feststellungsbescheids 2005 vom 19. Juli 2007 mit der Maßgabe, dass keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern Einkünfte aus Kapitalvermögen festgestellt werden.

Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin im Streitjahr gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG, der gemäß § 52 Abs. 32a EStG auch für Veranlagungszeiträume vor 2006 anzuwenden ist, jedenfalls teilweise Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat. Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob § 52 Abs. 32a EStG wegen unzulässiger Rückwirkung verfassungswidrig ist. Selbst wenn nach dieser Vorschrift § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG bereits im Streitjahr anzuwenden wäre, hat die Revision Erfolg. Denn die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG liegen im Streitfall nicht vor.

Eine Personengesellschaft erzielt grundsätzlich nur dann gewerbliche Einkünfte, wenn ihre Gesellschafter in ihrer Verbundenheit als Personengesellschaft ein gewerbliches Unternehmen i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG betreiben. Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gilt darüber hinaus die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft in vollem Umfang als Gewerbebetrieb, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt oder gewerbliche Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bezieht. Die gewerbliche Tätigkeit bzw. die gewerblichen Beteiligungseinkünfte der Personengesellschaft führen nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu einer Umqualifizierung aller Einkünfte in solche aus Gewerbebetrieb.

Im Streitjahr war die Klägerin nicht gewerblich tätig (a). Auch sind für die Klägerin für das Streitjahr keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG festgestellt worden (b). Eine Umqualifizierung der Einkünfte aus Kapitalvermögen in Einkünfte aus Gewerbebetrieb kommt deshalb für das Streitjahr nicht in Betracht (c).

Die Beteiligung der vermögensverwaltend tätigen Klägerin an der gewerblich tätigen F-KG stellt keine gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar. Als Mitunternehmerin bei der F-KG erzielt die Klägerin zwar in Gestalt ihrer Gewinnanteile Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Für das Streitjahr sind jedoch für die Klägerin mit Bindungswirkung für die sie betreffenden Feststellungsbescheide keine Gewinnanteile aus ihrer Beteiligung an der F-KG festgestellt worden.

Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb ergeben sich aus dem Gewinn (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Dieser ist bei Gewerbetreibenden für das Wirtschaftsjahr zu ermitteln (§ 4a Abs. 1 Satz 1 EStG). Wirtschaftsjahr ist bei Gewerbetreibenden, deren Firma im Handelsregister eingetragen ist, der Zeitraum, für den sie regelmäßig Abschlüsse machen (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG). Weicht dieser Zeitraum vom Kalenderjahr ab, ist der Gewinn aus Gewerbebetrieb bei der Ermittlung des Einkommens in der Weise zu berücksichtigen, dass er als in dem Kalenderjahr bezogen gilt, in dem das Wirtschaftsjahr endet (§ 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG). § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG nimmt damit auch eine zeitliche Zuordnung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor.

Diese Grundsätze gelten ebenfalls für die Ermittlung und zeitliche Zuordnung der Gewinnanteile i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, wobei grundsätzlich nicht auf die Sicht des Gesellschafters (Mitunternehmers), sondern auf die der Gesellschaft (Mitunternehmerschaft) abzustellen ist. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass die Personengesellschaft Steuerrechtssubjekt bei der Qualifikation und der Ermittlung der Einkünfte, und der Gesellschafter Subjekt der Einkünfteerzielung ist. Dem Gedanken der Einheit der Gesellschaft folgend sind deshalb grundsätzlich dem Gesellschafter nicht die einzelnen von der Gesellschaft verwirklichten Geschäftsvorfälle, sondern lediglich das Ergebnis der gemeinschaftlichen Tätigkeit (Gewinn oder Überschuss) anteilig zuzurechnen.

Für das Streitjahr scheidet eine Umqualifizierung der Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen in gewerbliche Einkünfte aus, denn die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG liegen nicht vor. Die Klägerin hat im Streitjahr keine gewerblichen Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bezogen.Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer KG, wenn die Gesellschaft gewerbliche Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bezieht. Für die sog. Abfärbewirkung genügt es danach nicht, dass eine an einer weiteren Personengesellschaft beteiligte Personengesellschaft als Mitunternehmer i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anzusehen ist. Vielmehr wird auch ein “Bezug” von Gewinnanteilen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vorausgesetzt.

Der Begriff des “Bezugs” wird an mehreren Stellen des EStG verwendet (z.B. in § 11 Abs. 1, § 25 Abs. 1 EStG) und ist in der Regel im Sinne einer zeitlichen Zuordnung zu verstehen. Er bedeutet jedoch nicht stets “Zufluss” i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG, denn nach § 11 Abs. 1 Satz 5 EStG bleiben die Vorschriften über die Gewinnermittlung unberührt. Der Begriff bestimmt sich vielmehr nach den jeweils geltenden Vorschriften zur Ermittlung der Einkünfte, bei gewerblichen Einkünften also nach den §§ 4 ff. EStG. Die in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG benannten Einkünfte i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sind danach in dem Veranlagungs- bzw. Feststellungszeitraum bezogen, in dem sie dem Mitunternehmer nach den Gewinnermittlungsvorschriften zuzurechnen sind. Zu diesen Vorschriften zählt –unter Berücksichtigung der Besonderheiten, die sich aus der Rechtsnatur der Mitunternehmerschaft ergeben , auch § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG. Gilt der für eine Personengesellschaft als Steuerrechtssubjekt der Einkünfteermittlung zu ermittelnde Gewinn eines Wirtschaftsjahres nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht als in einem Kalenderjahr als Veranlagungs- und Feststellungszeitraum (§ 2 Abs. 7 Satz 2, § 25 Abs. 1 EStG) bezogen und fehlt es deshalb bei dem beteiligten Mitunternehmer in diesem Kalenderjahr an einem Bezug gewerblicher Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, so sind solche Einkünfte auch nicht i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG bezogen. Deshalb genügen –anders als das FG meint– das bloße Halten einer Beteiligung bzw. allein das Vorliegen einer Mitunternehmerstellung nicht, um die Abfärbewirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG eintreten zu lassen.

Auch ausgehend hiervon setzt der in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG als Voraussetzung für die sog. Abfärbewirkung bestimmte Bezug gewerblicher Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG voraus, dass der Gewinn(anteil) bei abweichendem Wirtschaftsjahr einer Mitunternehmerschaft auch im entsprechenden Veranlagungs- bzw. Feststellungszeitraum (Kalenderjahr) i.S. des § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG bezogen worden ist. Denn allein aufgrund der Beteiligung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft an einer anderen, gewerblich tätigen Personengesellschaft mit abweichendem Wirtschaftsjahr ist das Zusammentreffen von Einkünften unterschiedlicher Einkunftsarten in einem Veranlagungs- bzw. Feststellungszeitraum bei der beteiligten Personengesellschaft noch nicht zu besorgen. Insoweit besteht auch nach dem in der Gesetzesbegründung umschriebenen Gesetzeszweck kein Anlass, bei abweichendem Wirtschaftsjahr der Mitunternehmerschaft die (bislang) nicht gewerblichen Einkünfte einer vermögensverwaltenden Obergesellschaft bereits im Jahr der Entstehung einer doppelstöckigen Struktur, aber noch im Vorjahr des Bezugs gewerblicher Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, insgesamt nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG in gewerbliche Einkünfte umzuqualifizieren.