Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung

Fordert die Finanzbehörde den Steuerpflichtigen zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung auf, so ist er gemäß § 149 Abs. 1 Satz 2 AO hierzu gesetzlich verpflichtet mit der Folge, dass sich der Beginn der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO richtet.
Eine Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung liegt auch dann vor, wenn das FA zusätzlich ausführt, der Steuerpflichtige möge das Schreiben mit einem entsprechenden Hinweis zurücksenden, falls er seiner Auffassung nach nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet sei.
BFH Urteil vom 04.10.2017 – VI R 53/15 BFH/NV 2018, 254

Sachverhalt:
Streitig ist, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) zur Einkommensteuer 2006 zu veranlagen ist.
Der Kläger reichte mit Schreiben vom 29. Dezember 2011 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–), eingegangen am 30. Dezember 2011, seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 ein. Neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erklärte er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit einem Werbungskostenüberschuss von mehr als 5.000 EUR.
Ein vom 20. September 2007 datierendes Schreiben des FA hat den folgenden Wortlaut:
“Sehr geehrter…,
nach dem Stand vom 10.09.2007 ist die folgende Steuererklärung hier bisher nicht eingegangen:
Art der abzugebenden Steuererklärung Zeitraum/Zeitpunkt
Einkommensteuer 2006
Ich bitte, die Steuererklärung spätestens bis 22.10.2007
bei dem oben bezeichneten Finanzamt abzugeben. Sollte dies zwischenzeitlich bereits geschehen sein, betrachten Sie dieses Schreiben bitte als gegenstandslos.

Falls Sie die Steuererklärung allerdings vor mehr als zwei Wochen abgegeben haben oder der Auffassung sind, zur Abgabe einer Steuererklärung nicht verpflichtet zu sein, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie dieses Schreiben mit einem kurzen Hinweis auf der Rückseite an das Finanzamt zurücksenden würden.
Vorsorglich weise ich darauf hin, dass das Finanzamt berechtigt ist, weitere Maßnahmen (z.B. Festsetzung von Zwangsgeld nach § 328 AO oder Schätzung nach § 162 AO) zu ergreifen, wenn ihm die Steuererklärung nicht bis zum oben genannten Termin vorliegt. Wegen einer bereits eingetretenen Verspätung oder wegen Nichtabgabe der Steuererklärung kann im Übrigen nach § 152 AO ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Finanzamt”.

Das FA lehnte die Bearbeitung der Einkommensteuererklärung ab, weil bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Es handele sich um eine Antragsveranlagung, da keiner der Tatbestände des § 46 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllt sei.
Das FA wies anschließend den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Er beantragt, das Urteil des FG Hamburg vom 30. April 2015 1 K 264/13 aufzuheben und das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 9. Januar 2012 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 11. September 2013 zu verpflichten, den Kläger durch Bescheid ordnungsgemäß zur Einkommensteuer 2006 zu veranlagen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Begründung:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FA hat es zu Unrecht abgelehnt, den Kläger zur Einkommensteuer 2006 zu veranlagen.

Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) ist eine Steuerfestsetzung unzulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist.
Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer beträgt nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre. Sie beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO in der für das Streitjahr geltenden Fassung beginnt die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung, Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Entstehen der Steuer folgt.
Eine gesetzliche Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung wird auch dann begründet, wenn das FA den Steuerpflichtigen nach § 149 Abs. 1 Satz 2 AO auffordert, eine Steuererklärung abzugeben.

Teilweise wird der Regelungsgehalt einer Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung und damit das Vorliegen eines Verwaltungsakts allerdings verneint, wenn sich die Steuererklärungspflicht als solche bereits aus dem Gesetz ergibt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung stellt indes auch eine gesetzeskonkretisierende Aufforderung zur Einreichung von Unterlagen einen Verwaltungsakt dar. Denn das für die Unterscheidung zwischen einem Verwaltungsakt und einer bloßen Vorbereitungshandlung maßgebliche Kriterium ist im Steuerrecht die Erzwingbarkeit einer Maßnahme nach den Vorschriften der §§ 328 ff. AO.

Die abstrakte Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen kann nicht bereits als solche mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden; sie bedarf vielmehr einer Konkretisierung und Individualisierung durch einen Verwaltungsakt, der erst die Grundlage für den Einsatz von Zwangsmitteln darstellen kann.

Im Einzelfall ist durch Auslegung zu ermitteln, ob ein behördliches Handeln als Verwaltungsakt anzusehen ist. Entscheidend ist, ob eine Äußerung des FA mit einem für den Adressaten unmittelbar erkennbaren Erklärungswert mit unmittelbarer Wirksamkeit nach außen vorliegt. Bei der Prüfung der Frage, ob der Inhalt einer behördlichen Erklärung einen Verwaltungsakt darstellt, ist das Revisionsgericht nicht an eine Wertung durch das Tatsachengericht gebunden, da es sich hierbei nicht um eine Tat-, sondern um eine Rechtsfrage handelt.
Nach diesen Grundsätzen stellt das Schreiben vom 20. September 2007 eine Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung in Form eines Verwaltungsakts dar. Der Kläger wird darin unter Setzung eines Termins unmissverständlich aufgefordert, die Steuererklärung für 2006 einzureichen, weil sie dem FA bisher nicht vorliege. Das FA weist zudem darauf hin, dass es berechtigt sei, zu Zwangsmitteln zu greifen, sollte die Steuererklärung bis zum genannten Termin nicht vorliegen. Mithin gibt die Behörde zu erkennen, dass sie sich für berechtigt hält, die Abgabe der angeforderten Steuererklärung mit den Mitteln des Verwaltungszwangs durchzusetzen. Da –wie ausgeführt– das maßgebliche Unterscheidungskriterium zwischen einem Verwaltungsakt und einer sonstigen behördlichen Maßnahme die Erzwingbarkeit ist, spricht dies entscheidend für das Vorliegen einer Aufforderung in Form eines Verwaltungsakts. Dieser Auslegung steht auch der Hinweis des FA nicht entgegen, wonach der Kläger das Schreiben mit einem entsprechenden Vermerk zurücksenden solle, falls er die Auffassung vertrete, er sei zur Abgabe einer Steuererklärung nicht verpflichtet. Hierdurch wurde die Abgabe der Einkommensteuererklärung nicht in das Belieben des Klägers gestellt, sondern nur in Aussicht gestellt, die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung zu widerrufen oder zurückzunehmen, wenn der Kläger hinreichende Gründe benenne, dass ihn keine diesbezügliche Pflicht treffe. Auch kann aus dem Fehlen einer Begründung bzw. einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht geschlossen werden, dass keine Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung i.S. des § 149 Abs. 1 Satz 2 AO vorliegt.

Da der Kläger demnach für das Streitjahr 2006 zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet war, war die vierjährige Verjährungsfrist infolge der Anlaufhemmung nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO bei Einreichung der Steuererklärung im Dezember 2011 noch nicht abgelaufen.

Das FG ist teilweise von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil hat daher keinen Bestand. Die Sache ist nicht spruchreif. Denn das FG hat keine Feststellungen zur Höhe der vorzunehmenden Steuerfestsetzung, insbesondere hinsichtlich der erklärten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, getroffen. Die Sache war deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Abgabe einer Steuererklärung durch Übergabe eines Datenträgers (USB-Stick oder CD)

Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen sind grundsätzlich nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln und nur ausnahmsweise in Härtefällen auf Antrag des Steuerpflichtigen in Papierform abzugeben.

Eine Datenübermittlung durch Übergabe eines Datenträgers (z.B. CD oder USB-Stick) ist nicht zulässig, weil die Steuergesetze diese Form der Datenübertragung nicht vorsehen. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet die Zulassung dieses alternativen Übertragungswegs nicht.

BFH Beschluss vom 17.08.2015 I B 133/14 BFH/NV 2016, 72

Sachverhalt:

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, reichte ihre Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen für das Streitjahr 2012 in Papierform beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt –FA–) ein.

Dieses forderte die Klägerin daraufhin auf, die Erklärungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung elektronisch zu ermitteln. Dem kam die Klägerin nicht nach. Sie hielt die Datenübertragung über das Medium Internet im Allgemeinen und über das von der Finanzverwaltung eingerichtete Elster-System im Besonderen im Hinblick auf Hackerangriffe und Datenspionage für zu unsicher. Die Klägerin war allerdings bereit, die elektronisch auf einem Datenträger, z.B. einer CD oder einem USB-Stick, gespeicherten Daten durch Überbringung des Datenträgers zu übermitteln.

Weder das FA noch das später angerufene Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG) gingen darauf ein. Die Revision gegen sein klageabweisendes Urteil vom 6. November 2014 1 K 184/13 ließ das FG nicht zu. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht.

Begründung:

Die Beschwerde ist unbegründet und daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Gemessen daran fehlt es im Streitfall an der Klärungsbedürftigkeit der folgenden von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage: „Bedingt der mit Verfassungsrang ausgestattete Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die Ermessensentscheidung im Rahmen des § 31 Abs. 1a Satz 2 KStG, § 14a Satz 2 GewStG, auf Null zu reduzieren ist, dass dem Steuerpflichtigen statt der Datenfernübertragung via Internet die tatsächliche Übergabe eines elektronischen Datenträgers (Stick oder CD) zur Weiterverarbeitung in der Steuerverwaltung zu gestatten

Der BFH hat zu der mit § 31 Abs. 1a Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), § 14a GewStG (jeweils i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung und Entbürokratisierung des Steuerverfahrens –Steuerbürokratieabbaugesetz– vom 20. Dezember 2008, BGBl I 2008, 2850 –KStG 2002 n.F., GewStG 2002 n.F.–) vergleichbaren Verpflichtung, Umsatzsteuer-Voranmeldungen grundsätzlich elektronisch und in Härtefällen ausnahmsweise in Papierform abzugeben (§ 18 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes i.V.m. § 150 Abs. 7 und 8 der Abgabenordnung –AO–), entschieden, dass diese Regelung innerhalb des verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers liegt und insbesondere die Verhältnismäßigkeit wahrt. Damit ist aber auch zugleich geklärt, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz es nicht gebietet, eine alternative bzw. aus Sicht der Klägerin risikoärmere Form der Datenübermittlung, etwa durch Übergabe einer CD oder eines USB-Sticks, zuzulassen.

Selbst wenn man zugunsten der Beschwerde von verbleibenden „Restzweifeln” ausgehen wollte, müsste die Antwort auf die Frage nach der Zulässigkeit einer Datenübermittlung per CD oder USB-Stick so ausfallen wie in der angegriffenen Entscheidung.

Das Gesetz sieht eindeutig nur zwei alternative Formen der Körperschaft- oder Gewerbesteuererklärung vor. Diese Erklärungen sind danach entweder nach einzelsteuergesetzlicher Anordnung nach amtlichem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln oder sie sind –bei von vornherein fehlender Pflicht zur elektronischen Übermittlung bzw. bei Befreiung von der elektronischen Übermittlungspflicht (vgl. § 150 Abs. 8 AO i.V.m. dem jeweiligen Einzelsteuergesetz)– nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck, also in Papierform, abzugeben  oder sie sind kraft gesetzlicher Zulassung mündlich abzugeben (§ 150 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 AO). Eine solche Zulassung ist für Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen aber nicht gegeben.

Für eine „Zwischenform”, wie sie der von der Klägerin ins Spiel gebrachte Weg der Datenübermittlung per Aushändigung eines Datenträgers darstellt, ist damit kein Raum. Diese Form der Datenübermittlung ist allein im Anwendungsbereich des § 150 Abs. 6 AO abstrakt vorgesehen. Dies geht aus dem Wortlaut der genannten Vorschrift eindeutig hervor „Daten ganz oder teilweise durch Datenfernübertragung oder auf maschinell verwertbaren Datenträgern übermittelt werden können”). Auf der Grundlage der Verordnungsermächtigung des § 150 Abs. 6 AO, die lediglich Steuererklärungen betrifft, die nicht zwingend elektronisch abzugeben sind und folglich für die streitgegenständlichen Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen nicht gilt, ist die Steuerdaten-Übermittlungsverordnung (StDÜV) vom 28. Januar 2003 (BGBl I 2003, 139) erlassen worden. Dort wird der Übertragungsweg „Übergabe eines Datenträgers” nicht angesprochen, d.h. der Verordnungsgeber hat von der Möglichkeit, die Datenträgerübergabe als Form der Steuererklärung zuzulassen, keinen Gebrauch gemacht.

Damit stellt sich die Rechtslage zusammenfassend so dar, dass nach den Steuergesetzen die Datenübermittlung per Datenträgerübergabe nicht zulässig ist und der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Zulassung dieses Übertragungswegs nicht gebietet.