Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung

Ergibt sich aus der Veranlagung für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum eine hohe Abschlusszahlung, ist das Finanzamt im Regelfall gehalten, die Steuererklärungen mit angemessener Frist für einen Zeitpunkt vor Ablauf der allgemein verlängerten Frist anzufordern.

Niedersächsisches Finanzgericht 15. Senat, Urteil vom 24.04.2012, 15 K 365/11

Begründung:

Da es sich bei der Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer um Jahressteuern handelt und da im EStG, UStG, GewStG sowie in den jeweiligen Durchführungsverordnungen nichts anderes bestimmt ist, sind die Steuererklärungen spätestens fünf Monate nach dem jeweiligen Kalenderjahr abzugeben (§ 149 Abs. 2 Satz 1 AO). Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 AO kann diese Frist auf Antrag oder von Amts wegen verlängert werden. Die Entscheidung über einen Fristverlängerungsantrag ist eine Ermessensentscheidung.„Es bleibt den Finanzämtern vorbehalten, Erklärungen mit angemessener Frist für einen Zeitpunkt vor Ablauf der allgemein verlängerten Frist anzufordern. Von dieser Möglichkeit soll insbesondere Gebrauch gemacht werden, wenn:

– für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum die erforderlichen Erklärungen verspätet oder nicht abgegeben wurden,

– für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum kurz vor Abgabe der Erklärung bzw. vor dem Ende der Karenzzeit nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO nachträgliche Vorauszahlungen festgesetzt wurden,

-sich aus der Veranlagung für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum eine hohe Abschlusszahlung ergeben hat,

– hohe Abschlusszahlungen erwartet werden,

– für Beteiligte an Gesellschaften und Gemeinschaften Verluste festzustellen sind oder

– die Arbeitslage der Finanzämter es erfordert.

Soweit die Finanzbehörden ermächtigt sind, nach ihrem Ermessen zu entscheiden, überprüfen die Steuergerichte, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 102 FGO). Sind Ermessensrichtlinien erlassen, überprüfen die Steuergerichte, ob sich die Behörde an die Richtlinie gehalten hat, ob die erlassene Ermessensrichtlinie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhält und ob sie von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch macht.

Die Aufforderung zur termingebundenen Abgabe der Steuererklärungen überschreitet nicht die durch § 149 Abs. 2 Satz 1 AO gezogenen Grenzen. Die in dieser Bestimmung vorgesehene 5-Monatsfrist wird durch den angefochtenen Bescheid nicht verkürzt. Vielmehr hat das FA von der durch § 109 Abs. 1 Satz 1 AO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, diese Frist zu verlängern, und zwar um zwei Monate. Darüber hinaus werden im Streitfall die im Erlass geregelten Voraussetzungen für eine Abweichung von der allgemein gewährten Fristverlängerung erfüllt. Während Abschnitt II. Abs. 2 Satz 1 den Finanzbehörden allgemein die Befugnis einräumt, Steuererklärungen vor Ablauf der generell verlängerten Frist anzufordern, sind in Satz 2 Fälle aufgezählt, in denen die Behörden den Steuerpflichtigen zur termingebundenen Abgabe auffordern „sollen“. Als Soll-Vorschrift bringt Satz 2 zum Ausdruck, dass die Finanzbehörde in den genannten Fällen grundsätzlich eine Fristverkürzung anordnen muss.