Anordnung einer zweiten Anschlussprüfung bei einem Mittelbetrieb

Die Anordnung einer zweiten Anschlussprüfung für ein gewerbliches Einzelunternehmen, das im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Prüfungsanordnung als Mittelbetrieb eingestuft ist, bedarf grundsätzlich keiner über § 193 Abs. 1 AO hinausgehenden Begründung.

Eine derartige Prüfung ist ermessensgerecht, wenn keine Anhaltspunkte für eine willkürliche oder schikanöse Belastung bestehen und sie nicht gegen das Übermaßverbot verstößt. Sie ist nicht übermäßig, wenn das Unternehmen während des vorgesehenen Prüfungszeitraumes zeitweise als Großbetrieb eingeordnet war und sich aufgrund vorliegenden Kontrollmaterials aus Sicht des FA ein Prüfungsbedarf ergibt.

BFH Urteil vom 15.6.2016, III R 8/15

Begründung:

Eine Außenprüfung ist nach § 193 Abs. 1 AO u.a. zulässig bei Steuerpflichtigen, die –wie der Kläger– einen gewerblichen Betrieb unterhalten. Weitere Anforderungen enthält die Norm nicht; es handelt sich um eine tatbestandlich voraussetzungslose Prüfungsermächtigung. Im Rahmen des § 193 Abs. 1 AO sind daher Außenprüfungen in den Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Willkürverbots grundsätzlich unbeschränkt zulässig.

Weder der Abgabenordnung noch der Betriebsprüfungsordnung ist zu entnehmen, dass Außenprüfungen nur in einem bestimmten Turnus oder mit zeitlichen Abständen erfolgen dürfen. Nach dieser Vorschrift ist eine Außenprüfung bei anderen als den in § 193 Abs. 1 AO bezeichneten Steuerpflichtigen zulässig, wenn die für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse der Aufklärung bedürfen und eine Prüfung an Amtsstelle nach Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalts nicht zweckmäßig ist. Demgegenüber enthält § 193 Abs. 1 AO keinen Vorrang der Prüfung an Amtsstelle. Betriebe i.S. dieser Vorschrift unterliegen kraft Gesetzes der Außenprüfung und sind daher verpflichtet, die damit verbundenen Eingriffe zu dulden. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die steuererheblichen Verhältnisse der dort genannten Steuerpflichtigen, zu denen auch der Kläger zählt, “durchweg” nur durch Außenprüfungen genau überprüft werden könnten. Dabei wird nicht zwischen erstmaligen Prüfungen und Anschlussprüfungen unterschieden.

Nach der BpO bestimmt die Finanzbehörde den Umfang der Außenprüfung nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 4 Abs. 1 BpO). Bei Großbetrieben und bestimmten anderen Unternehmen soll der Prüfungszeitraum an den vorhergehenden Prüfungszeitraum anschließen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 BpO). Bei anderen Betrieben soll der Prüfungszeitraum in der Regel nicht mehr als drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen. Der Prüfungszeitraum kann insbesondere dann drei Besteuerungszeiträume übersteigen, wenn mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen ist oder wenn der Verdacht einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit besteht; Anschlussprüfungen sind zulässig (§ 4 Abs. 3 BpO). Dabei ist grundsätzlich die Größenklasse (§ 3 BpO) maßgebend, in die der Betrieb im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung eingeordnet ist (§ 4 Abs. 4 BpO).

Der Betrieb des Klägers war danach bei Erlass der streitgegenständlichen Prüfungsanordnung als Mittelbetrieb eingestuft, so dass er nicht schon nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BpO der Anschlussprüfung unterlag. Die BpO lässt jedoch Anschlussprüfungen auch bei Mittelbetrieben ausdrücklich zu und macht sie auch nicht von besonderen Voraussetzungen abhängig (§ 4 Abs. 3 Satz 3 BpO). Im Übrigen wird im sog. Rationalisierungserlass die Bedeutung der Unvorhersehbarkeit der Außenprüfung hervorgehoben. Diese Unvorhersehbarkeit spricht somit aus Sicht der Verwaltung gegen eine Bindung von Außenprüfungen an einen bestimmten Turnus oder einen Anspruch auf prüfungsfreie Jahre.