Anscheinsbeweis für Privatnutzung eines Dienstwagens

Auf die Beantwortung der als rechtsgrundsätzlich bedeutsam herausgestellten Frage, ob bei einem Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH zulässigerweise Anscheinsbeweisgrundsätze für die Feststellung einer Privatnutzung des betrieblichen Pkw herangezogen werden können, kommt es nicht an, wenn sich das FG aufgrund diverser Indizien die Überzeugung von der Privatnutzung verschafft hat.

BFH Beschluss vom 30.09.2015-IB 85/14 BFH NV 2016 S. 423

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, die telefonische Rechtsberatungen durchführt. In den Streitjahren war A zunächst alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft. Nach der Veräußerung eines Geschäftsanteils in Höhe von 500 EUR (= 1,96 %) an Frau B war diese ebenfalls beteiligt. B wurde zudem zur weiteren Geschäftsführerin bestellt. Zum Betriebsvermögen der Klägerin gehörte ein PKW der Marke Maserati, der von A zumindest für dienstliche Fahrten genutzt wurde. Der Anstellungsvertrag zwischen der Klägerin und A enthielt keinerlei Regelungen über die Benutzung von Fahrzeugen der Gesellschaft.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) ging davon aus, dass A den Maserati auch für private Fahrten genutzt hatte und setzte in den Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheiden verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) an.

Begründung:

Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

Soweit die Klägerin die rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Sache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO geltend macht, wird die Rechtsfrage aufgeworfen, „ob die Voraussetzungen für den Beweis des ersten Anscheins einer privaten Nutzung betrieblicher PKW durch einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer anders als bei einem Arbeitnehmer zu bewerten sind”. Die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage wird in der im Stile einer Revisionsbegründung verfassten Beschwerdeschrift allerdings nicht substantiiert herausgearbeitet. So fehlt die gebotene Auseinandersetzung mit den in Rechtsprechung und Literatur zu dieser Frage vertretenen Auffassungen.

Ferner ist die Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage nicht dargelegt worden. Auf die Frage der Anwendbarkeit der Anscheinsbeweisgrundsätze käme es in einem künftigen Revisionsverfahren nämlich nur dann an, wenn das FG seine Überzeugung vom Vorliegen einer Privatnutzung allein auf diese Grundsätze gestützt hätte. Dem angegriffenen Urteil lässt sich aber mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass das FG nicht allein auf allgemeine Erfahrungssätze –als Grundlage des Anscheinsbeweises, sondern auch auf konkrete Indizien (fehlende Regelung im Anstellungsvertrag, Saisonkennzeichen, Fahrzeug zunächst im Betriebsvermögen des Einzelunternehmens des A) abgestellt hat (Indizienbeweis).

Im Streitfall besteht die Besonderheit, dass A alleiniger bzw. später beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer war. Wegen des fehlenden Interessengegensatzes zwischen der „Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite” –beide „repräsentiert” durch A– liegt es nahe, diese Unterschiede im Sachverhalt aufzugreifen und rechtlich andere, und zwar strengere Maßstäbe anzulegen.

Es fehlt schließlich an der Entscheidungserheblichkeit der geltend gemachten Abweichung Überzeugt sich das FG aufgrund der von ihm festgestellten Indizien von der Privatnutzung des Dienstwagens (s. oben unter 1. der Gründe dieses Beschlusses), dann müssen die Grundsätze des Anscheinsbeweises, die das FG nach dem Vorbringen der Klägerin divergierend zur Rechtsprechung des VI. Senats angewandt haben soll, nicht mehr bemüht werden.

Reichweite des Anscheinsbeweises bei einem familienangehörigen Arbeitnehmer

Über die Frage, ob und welches betriebliche Fahrzeug dem Arbeitnehmer ausdrücklich oder doch zumindest konkludent auch zur privaten Nutzung überlassen ist, entscheidet das FG unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung.

Steht nicht fest, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat, kann auch der Beweis des ersten Anscheins diese fehlende Feststellung nicht ersetzen.

Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber ein arbeitsvertraglich vereinbartes Privatnutzungsverbot nicht überwacht oder es wie bei einem familienangehörigen Arbeitnehmer an einer “Kontrollinstanz” fehlt.

BFH Urteil vom 14.11.2013-VI R 25/13 BFHNV 2014 S. 678 ff.

Begründung:

Überlässt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, führt das nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu einem als Lohnzufluss nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu erfassenden steuerbaren Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers, und zwar unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer den betrieblichen PKW privat nutzt. Der Vorteil ist nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entweder mit der Fahrtenbuchmethode oder, wenn –wie im Streitfall mittlerweile unstreitig– kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt wird, mit der 1 %-Regelung zu bewerten.

Über die Frage, ob und welches betriebliche Fahrzeug dem Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung überlassen ist, entscheidet das FG unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Zwar ist die finanzrichterliche Überzeugungsbildung revisionsrechtlich nur eingeschränkt auf Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze überprüfbar. Das FG hat jedoch im Einzelnen darzulegen, wie und dass es seine Überzeugung in rechtlich zulässiger und einwandfreier Weise gewonnen hat.

Ein solcher Rechtsanwendungsfehler ist vorliegend zu beklagen. Der Schluss des FG, dass dem Kläger von seinem Arbeitgeber der streitige Firmenwagen in den Streitjahren auch zur privaten (befugten) Nutzung überlassen worden ist, hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

Denn diese Erkenntnis beruht nicht auf belastbaren Feststellungen des FG. Danach ist dem Kläger die private Nutzung des Audi A6 verboten. Das FG hat seine Überzeugung allein aus dem Umstand, dass der Kläger aufgrund seiner herausgehobenen Position im Unternehmen (faktischer Geschäftsführer) die Möglichkeit hatte, wie ein Unternehmer frei über das streitige Firmenfahrzeug zu bestimmen, geschöpft und hieraus auf die private Nutzungsbefugnis des Klägers geschlossen. Dieser Schluss ist jedoch für den Senat nicht nachvollziehbar. Denn von der Nutzungsmöglichkeit aufgrund tatsächlicher Sachherrschaft lässt sich nicht auf eine rechtsgeschäftlich (ausdrücklich oder konkludent) vermittelte Nutzungsbefugnis schließen.

Im Übrigen rechtfertigt allein die Möglichkeit, das Fahrzeug (gegen den Willen des Arbeitgebers) privat zu nutzen, den Ansatz eines lohnsteuerbaren Nutzungswerts nicht. Arbeitslohn liegt nur insoweit vor, als der Arbeitnehmer zur Privatnutzung des Firmenfahrzeugs befugt ist. Folglich kann auch entgegen der Auffassung des FG die Tatsache, dass der Arbeitgeber vorliegend diese private Nutzungsmöglichkeit geduldet habe und diese Möglichkeit nicht durch das arbeitsvertragliche Nutzungsverbot oder dessen unzureichende Überwachung ausgeschlossen worden sei, einen geldwerten nach der 1 %-Regelung zu bewertenden Vorteil des Arbeitnehmers nicht begründen.

Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsgrundsätze den hier streitigen Sachverhalt insbesondere dahingehend weiter aufzuklären und zu würdigen haben, ob der Kläger gegebenenfalls aufgrund einer möglicherweise konkludent geschlossenen Vereinbarung zur privaten Nutzung des geleasten Audi A6 befugt war. Diese Feststellungen kann auch der Beweis des ersten Anscheins nicht ersetzen. Das FG hat sich von der privaten Nutzungsbefugnis und nicht lediglich von der Möglichkeit zur unbefugten Privatnutzung mit der erforderlichen Gewissheit zu überzeugen. Dabei hat es auch zu berücksichtigen, dass die fehlende Überwachung eines arbeitsvertraglich vereinbarten Verbots der privaten Nutzung des dienstlich überlassenen Fahrzeugs nicht auf dessen Steuerunerheblichkeit schließen. Zwar mag es sein, dass in Fällen wie dem vorliegenden der Arbeitnehmer –in Ermangelung einer “Kontrollinstanz”– bei einer Zuwiderhandlung keine arbeitsrechtlichen oder gar strafrechtlichen Konsequenzen zu gewärtigen hat. Gleichwohl rechtfertigt dies einen entsprechenden steuerstrafrechtlich erheblichen Generalverdacht nicht.

Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber ein arbeitsvertraglich vereinbartes Privatnutzungsverbot nicht überwacht oder es wie bei einem angestellten (Allein-)Geschäftsführer, einem (familienangehörigen) Geschäftsführer eines Familienunternehmens oder dem Gesellschafter-Geschäftsführer an einer “Kontrollinstanz” fehlt). Allerdings kann bei einer nachhaltigen “vertragswidrigen” privaten Nutzung eines betrieblichen PKW durch den Arbeitnehmer –sofern eine solche festgestellt ist– der Schluss naheliegen, dass Nutzungsbeschränkung oder -verbot nicht ernstlich gemeint sind, sondern lediglich “auf dem Papier stehen”, da üblicherweise der Arbeitgeber eine unbefugte Nutzung durch den Arbeitnehmer nicht duldet. Unterbindet der Arbeitgeber die unbefugte Nutzung durch den Arbeitnehmer nicht, kann die “vertragswidrige” Privatnutzung auf einer vom schriftlich Vereinbarten abweichenden, mündlich oder konkludent getroffenen Nutzungs- oder Überlassungsvereinbarung beruhen und damit den Ansatz eines nach der 1 %-Regelung zu bewertenden, lohnsteuerbaren Nutzungsvorteil rechtfertigen

Anwendungsvoraussetzung der 1 %-Regelung ohne Entkräftung des Anscheinsbeweises

Die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer den betrieblichen PKW tatsächlich nutzt, zu einem lohnsteuerlichen Vorteil.

Ob der Arbeitnehmer den Beweis des ersten Anscheins, dass dienstliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt werden, durch die substantiierte Darlegung eines atypischen Sachverhalts zu entkräften vermag, ist damit für die Besteuerung des Nutzungsvorteils nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG unerheblich (Änderung der Rechtsprechung).

BFH Urteil vom 21.03.2013 – VI R 26/10 BFHNV 2013 S. 1397

Begründung:

Das FA hat die Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zu Recht um einen geldwerten Vorteil für die private Nutzung betrieblicher Fahrzeuge erhöht und den Nutzungsvorteil zutreffend nach der 1 %-Regelung bewertet.

Überlässt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, führt das nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu einem als Lohnzufluss nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu erfassenden steuerbaren Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer ist um den Betrag bereichert, den er für eine vergleichbare Nutzung aufwenden müsste und den er sich durch die Überlassung des Fahrzeugs durch den Arbeitgeber erspart.

Die Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt damit unabhängig von den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers. Denn der Vorteil aus der Nutzungsüberlassung umfasst das Zurverfügungstellen des Fahrzeugs selbst sowie die Übernahme sämtlicher damit verbundener Kosten wie Steuern, Versicherungsprämien, Reparatur, Wartungs- und Treibstoffkosten und damit nutzungsabhängige wie -unabhängige Kosten. Selbst wenn der Arbeitnehmer den hierzu überlassenen PKW tatsächlich nicht privat nutzen sollte, erspart er sich zumindest die (nutzungsunabhängigen) Kosten, die er für das Vorhalten eines betriebsbereiten Kfz verausgaben müsste.

Der geldwerte Vorteil aus der unentgeltlichen bzw. verbilligten Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung fließt dem Arbeitnehmer mit der Inbesitznahme des Dienstwagens und nicht (erst) mit der tatsächlichen privaten Nutzung des PKW zu.

Allein der Anspruch auf eine vom Arbeitgeber zugesagte Leistung –etwa die arbeitsvertragliche Zusage, den dienstlichen PKW auch privat nutzen zu dürfen– vermag den Zufluss von Arbeitslohn nicht zu begründen .

Zugeflossen ist eine Einnahme erst dann, wenn der Empfänger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat. Das ist regelmäßig der Fall, wenn der Leistungserfolg eingetreten ist. Deshalb ist bei Nutzungsüberlassungen der geldwerte Vorteil bereits mit der tatsächlichen Überlassung des jeweiligen Wirtschaftsgutes zum Gebrauch zugeflossen; einer tatsächlichen Nutzung des Gegenstands durch den Arbeitnehmer bedarf es in diesen Fällen nicht.

Ob der Arbeitnehmer den auf der allgemeinen Lebenserfahrung gründenden Beweis des ersten Anscheins (Anscheinsbeweis), dass dienstliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt werden, durch die substantiierte Darlegung eines atypischen Sachverhalts (Gegenbeweis) zu entkräften vermag, ist damit für die Besteuerung des Nutzungsvorteiles unerheblich.

An der gegenteiligen Rechtsauffassung, hält der Senat nicht länger fest. Die belastbare Behauptung des Steuerpflichtigen, das betriebliche Fahrzeug nicht für Privatfahrten genutzt oder Privatfahrten ausschließlich mit anderen Fahrzeugen durchgeführt zu haben, genügt damit nicht, um die Besteuerung des Nutzungsvorteiles auszuschließen. Davon kann nur abgesehen werden, wenn der Steuerpflichtige zur privaten Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs nicht (länger) befugt ist.

Gemessen an diesen Grundsätzen hat das FG den geldwerten Vorteil trotz des klägerischen Vortrags, den PKW nicht privat genutzt zu haben, zu Recht –ohne weitere Feststellungen zum Sachverhalt– als Arbeitslohn angesetzt. Dem Kläger stand nach den bindenden und unbestrittenen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ein Firmenfahrzeug auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. Mit der Zurverfügungstellung des Dienstwagens, dem Verschaffen der Sachherrschaft, ist dem Kläger der streitgegenständliche Nutzungsvorteil zugeflossen. Denn damit ist ihm die umfassende Möglichkeit zur privaten Nutzung des Fahrzeugs eingeräumt worden. Eines weiteren Zutuns der Arbeitgeberin bedurfte es hierzu nicht. Diese hat vielmehr ihre arbeitsvertraglich geschuldete Leistung mit der Überlassung des PKWs erbracht.

Ebenfalls zutreffend hat das FG den Vorteil des Klägers aus der privaten Nutzungsüberlassung mit der 1 %-Regelung bewertet. Denn der Kläger hat, das ist zwischen den Beteiligten unstreitig, kein Fahrtenbuch geführt.

Nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist der Vorteil aus der privaten Nutzung eines betrieblichen Kfz für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen, sofern nicht das Verhältnis der privaten Fahrten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen wird (§ 8 Abs. 2 Satz 4 EStG).

Die 1 %-Regelung ist insoweit eine grundsätzlich zwingende, stark typisierende und pauschalierende Bewertungsregelung. Deshalb bleiben nach mittlerweile ständiger Senatsrechtsprechung individuelle Besonderheiten hinsichtlich der Art und der Nutzung des Dienstwagens bei der Bewertung der Nutzungsvorteile grundsätzlich ebenso unberücksichtigt wie nachträgliche Änderungen des Fahrzeugwertes.

 Der Wortlaut der Norm steht dem nicht entgegen. Auch wenn § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG für die "private Nutzung" die entsprechende Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG anordnet, setzt § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG, anders als die Zuschlagsregelung nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG, die nur insoweit zur Anwendung kommt, als der Arbeitnehmer den Dienstwagen tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt hat, keine entsprechende tatsächliche private Nutzung des Fahrzeugs voraus. § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG erklärt lediglich eine besondere Bewertungsregel für entsprechend anwendbar. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die betriebsfremde (private) Nutzung eines betrieblichen PKW nicht nach den allgemeinen Regeln und damit nicht mit dem durch die Nutzungsentnahme verursachten Aufwand, sondern pauschal nach der 1 %-Regelung zu bewerten. Die Geltungsanordnung des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG erschöpft sich darin, dieses Bewertungsmaß auf die Bewertung eines lohnsteuerlichen Vorteiles, der dem Grunde nach feststehen muss, zu erstrecken. Der private Nutzungsvorteil ist demnach nicht –wie bei Sachbezügen üblich– nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG mit den üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen, sondern –entsprechend der Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG– pauschal mit 1 % des Bruttolistenneupreises zu bemessen.

Nur eine derartige Auslegung von § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG trägt dem Sinn und Zweck der Regelung als pauschalierende und stark typisierende Bewertungsregelung hinreichend Rechnung. Ansonsten müssten die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse für die Anwendung der Vorschrift in den Blick genommen werden. Mit der Anknüpfung der Bemessungsgrundlage an den Bruttolistenneupreis hat der Gesetzgeber jedoch erkennbar davon Abstand genommen, den Nutzungsvorteil (auch) danach zu bestimmen. Vielmehr sollen mit dem Betrag, der nach der 1 %-Regelung als Einnahme anzusetzen ist, sämtliche geldwerten Vorteile, die sich aus der Möglichkeit zur privaten Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs ergeben, unabhängig von Nutzungsart und -umfang (pauschal) abgegolten werden.

Ihre Rechtfertigung schöpft diese pauschale Bewertung aus dem allgemeinen Erfahrungssatz, dass bestimmte Kfz, sofern hierzu überlassen, typischerweise und nicht nur vereinzelt und gelegentlich für private Zwecke genutzt werden.

Eine andere Art, die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse nachzuweisen, kennt das Gesetz nicht. Vielmehr handelt es sich bei der 1 %-Regelung zur Ermittlung der privaten Nutzung eines Firmenfahrzeugs –sofern kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt wird– um eine zwingende Bewertungsregelung. Deshalb sind –entgegen der Auffassung des Klägers– insbesondere Reisekosten- und Spesenabrechnungen, aber auch andere Unterlagen wie Werkstattrechnungen, Terminkalender, Fahrtaufzeichnungen in Form einer Excel-Tabelle sowie Angaben von Arbeitskollegen oder Familienangehörigen zu den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen nicht geeignet, das Verhältnis der privaten zur beruflichen Nutzung zu belegen.

 

Reichweite des Anscheinsbeweises beim Alleingeschäftsführer einer GmbH

Über die Frage, ob und welches betriebliche Fahrzeug dem Arbeitnehmer ausdrücklich oder doch zumindest konkludent auch zur privaten Nutzung überlassen ist, entscheidet das FG unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung.

Steht nicht fest, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat, kann auch der Beweis des ersten Anscheins diese fehlende Feststellung nicht ersetzen.

Dies gilt auch bei angestellten Geschäftsführern einer GmbH. Auch in einem solchen Fall lässt sich kein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhalts feststellen, dass ein Privatnutzungsverbot nur zum Schein ausgesprochen ist oder der (Allein-)Geschäftsführer ein Privatnutzungsverbot generell missachtet.

BFH Urteil vom 21.3.2013, VI R 42/12

Begründung:

In zwei weiteren Urteilen vom 21. März 2013 (VI R 46/11 und VI R 42/12) sowie in einem Urteil vom 18. April 2013 (VI R 23/12) hat der BFH aber auch (nochmals) verdeutlicht, dass die 1 %-Regelung nur zur Anwendung kommt, wenn feststeht, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung arbeitsvertraglich oder doch zumindest auf Grundlage einer konkludent getroffenen Nutzungsvereinbarung überlassen hat.

 

Anwendungsvoraussetzung der 1 %-Regelung bei privater Nutzungsüberlassung

Die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer den betrieblichen PKW tatsächlich privat nutzt, zu einem lohnsteuerlichen Vorteil (Abgrenzung vom BFH-Urteil vom 7. November 2006 VI R 19/05, BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116).

Ob der Arbeitnehmer den Beweis des ersten Anscheins, dass dienstliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt werden, durch die substantiierte Darlegung eines atypischen Sachverhalts zu entkräften vermag, ist damit für die Besteuerung des Nutzungsvorteils nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG unerheblich (Änderung der Rechtsprechung).

Die Übernahme der Beiträge für die Mitgliedschaft eines angestellten GmbH-Geschäftsführers in einem Golfclub führt zu Arbeitslohn, auch wenn eine solche Mitgliedschaft dem Beruf förderlich ist.

BFH Urteil vom 21.3.2013, VI R 31/10

Begründung:

Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt ein Fahrzeug zur privaten Nutzung zur Verfügung, führt dies beim Arbeitnehmer auch dann zu einem steuerpflichtigen Vorteil, wenn der Arbeitnehmer das Fahrzeug tatsächlich nicht privat nutzt. Der Vorteil ist, wenn ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nicht geführt worden ist, nach der 1%-Regelung zu bewerten. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einer Reihe von Urteilen vom 21. März 2013 und 18. April 2013 entschieden und damit seine bisherige Rechtsprechung korrigiert. Bisher wurde in derartigen Fällen die tatsächliche private Nutzung des Fahrzeugs vermutet. Der Steuerpflichtige konnte die Vermutung unter engen Voraussetzungen widerlegen. Diese Möglichkeit ist nun entfallen.

Im Streitfall (VI R 31/10) stellte die Klägerin, eine Steuerberatungsgesellschaft, ihrem Geschäftsführer einen Dienstwagen zur Verfügung. Nach dem Anstellungsvertrag durfte er den Dienstwagen auch für Privatfahrten nutzen. Bei der Lohnsteuer setzte die Klägerin für die private Nutzung lediglich eine Kostenpauschale an, denn eine private Nutzung des Dienstwagens habe nicht stattgefunden. Im Anschluss an eine Lohnsteueraußenprüfung erließ das Finanzamt einen Lohnsteuerhaftungsbescheid. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Der BFH hat die Entscheidung des Finanzgerichts bestätigt. Die vom Arbeitgeber gewährte Möglichkeit, den Dienstwagen auch privat nutzen zu dürfen, führt beim Arbeitnehmer zu einem Vorteil, der als Lohn zu versteuern ist. Ob der Arbeitnehmer von der Möglichkeit der privaten Nutzung Gebrauch gemacht hat, ist dafür unerheblich, denn der Vorteil in Gestalt der konkreten Möglichkeit, das Fahrzeug auch zu Privatfahrten nutzen zu dürfen, ist dem Arbeitnehmer bereits mit der Überlassung des Fahrzeugs zugeflossen. Deshalb hatte das Finanzgericht den geldwerten Vorteil aus der Überlassung des Dienstwagens zur privaten Nutzung zu Recht (auch ohne weitere Feststellungen zum Sachverhalt) als Arbeitslohn angesehen.

Der BFH bestätigte auch die Auffassung der Vorinstanz, dass der Vorteil nach der 1%-Regelung zu bewerten sei. § 8 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) setzt keine tatsächliche Nutzung voraus, sondern verweist nur auf die 1%-Regelung (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG). Mit dem Betrag, der nach der 1%-Regelung als Einnahme anzusetzen ist, sollen sämtliche geldwerten Vorteile, die sich aus der Möglichkeit zur privaten Nutzung des Dienstwagens ergeben – unabhängig von Nutzungsart und –umfang – pauschal abgegolten werden. Diese Typisierung hat der BFH wiederholt als verfassungsgemäß erachtet. Da im Streitfall ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nicht geführt worden war, kam eine andere Entscheidung nicht in Betracht.

 

Der Anscheinsbeweis geht davon aus, dass ein überlassenes Fahrzeug zur privaten Nutzung auch privat genutzt wird.

Es ist höchstrichterlich geklärt, dass dienstliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt werden. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins.
Der Anscheinsbeweis wird im Regelfall noch nicht erschüttert, wenn der Kläger lediglich behauptet, für privat veranlasste Fahrten hätten private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden.
Über die Frage, ob der Kläger den für eine Privatnutzung sprechenden Beweis des ersten Anscheins erschüttert hat, entscheidet das FG unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung.

BFH Beschluss vom 22.02.2012 – VIII B 66/11 BFHNV 2012 Seite 988

Begründung:

Zum einen ist höchstrichterlich geklärt, dass –wie sich aus dem Beweis des ersten Anscheins ergibt– dienstliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt werden. Etwas anderes gilt, wenn es sich um ein Fahrzeug handelt, das typischerweise zum privaten Gebrauch nicht geeignet ist. Soweit keine besonderen Umstände hinzutreten, kann das Finanzgericht (FG) aufgrund des Anscheinsbeweises regelmäßig davon ausgehen, dass eine private Nutzung stattgefunden hat.

Der Beweis des ersten Anscheins kann durch den sog. Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu ist der Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich. Der Kläger muss also nicht beweisen, dass eine private Nutzung nicht stattgefunden hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass vom Kläger ein Sachverhalt dargelegt (und im Zweifelsfall nachgewiesen) wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens ergibt. Es ist ferner geklärt, dass der Anscheinsbeweis im Regelfall noch nicht erschüttert wird, wenn der Kläger lediglich behauptet, für privat veranlasste Fahrten hätten private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden.

Die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung hat das FG der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt und nach gründlicher Abwägung der Umstände des Streitfalls den Schluss gezogen, der Anscheinsbeweis für eine Privatnutzung des PKW Audi sei nicht erschüttert. Dabei hat es nicht nur die Unterschiedlichkeit der beiden vom Kläger genutzten Fahrzeuge gewichtet, sondern auch den Umstand, dass der rechtskundige Kläger kein Fahrtenbuch geführt hat.

 

 

Nutzung dienstliche Fahrzeuge (1%)

Keine Anwendung der 1 %-Regelung bei Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte

BFH Urteil vom 6.10.2011, VI R 64/10

Begründung:
Überlässt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, führt das nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu einem als Lohnzufluss nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erfassenden steuerbaren Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers. Der Vorteil ist nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entweder mit der Fahrtenbuchmethode oder, wenn wie im Streitfall ein Fahrtenbuch nicht geführt wird, mit der 1 %-Regelung zu bewerten.
Allerdings begründet § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG ebenso wenig wie § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG originär einen steuerbaren Tatbestand. Die Vorschriften regeln vielmehr nur die Bewertung eines Vorteils, der dem Grunde nach feststehen muss. Deshalb setzt die Anwendung der 1 %-Regelung voraus, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat. Denn der Ansatz eines lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteils rechtfertigt sich nur insoweit, als der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gestattet, den Dienstwagen privat zu nutzen. Die unbefugte Privatnutzung des betrieblichen PKW hat dagegen keinen Lohncharakter. Ein Vorteil, den sich der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers selbst zuteilt, wird nicht "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt und zählt damit nicht zum Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG.

Ob und welches Fahrzeug einem Arbeitnehmer arbeitsvertraglich ausdrücklich oder doch mindestens auf Grundlage einer konkludent getroffenen Nutzungsvereinbarung auch zur privaten Nutzung überlassen ist, hat das FG aufgrund einer in erster Linie der Tatsacheninstanz obliegenden tatsächlichen Würdigung der Gesamtumstände festzustellen. Das Finanzgericht hat den allgemeinen Erfahrungssatz, dass zur privaten Nutzung überlassene betriebliche Fahrzeuge auch privat genutzt werden, unzutreffend dahingehend ausgedehnt, dass der Anscheinsbeweis in allen Fällen greift, in denen einem Arbeitnehmer ein betriebliches Fahrzeug zur Verfügung steht.

Nach der neueren Rechtsprechung des Senats streitet der Anscheinsbeweis jedoch lediglich dafür, dass ein vom Arbeitgeber zur privaten Nutzung überlassener Dienstwagen auch tatsächlich privat genutzt wird. Der Anscheinsbeweis streitet aber weder dafür, dass dem Arbeitnehmer überhaupt ein Dienstwagen aus dem vom Arbeitgeber vorgehaltenen Fuhrpark privat zur Verfügung steht, noch dafür, dass er einen solchen auch privat nutzen darf. Denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist zwar typischerweise davon auszugehen, dass ein dem Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung überlassener Dienstwagen von ihm tatsächlich auch privat genutzt wird. Weiter reicht dieser allgemeine Erfahrungssatz aber nicht.
Es lässt sich insbesondere kein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhalts feststellen, dass Arbeitnehmer Verbote missachten und damit einen Kündigungsgrund schaffen oder sich gar einer Strafverfolgung aussetzen. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber ein arbeitsvertraglich vereinbartes Privatnutzungsverbot nicht überwacht.

Erschütterung des Anscheinsbeweis bei der 1 % Regelung

Der Anscheinsbeweis im Rahmen der 1 % Regelung kann durch Darstellung der tatsächlichen Lebensführung entkräftet werden. Ein Nachweis wird von dem Gericht nicht gefordert.

Hessische Finanzgericht Urteil vom 10.02.2011 ,3 K 1679/10

Begründung:

Im Streitfall war die private Nutzung des Fahrzeugs grundsätzlich möglich. Die Kläger waren in der Lage, auf das betriebliche Fahrzeug des Klägers zuzugreifen. Damit greift der Anscheinsbeweis ein.

Der auf Erfahrungssätzen beruhende Anscheinsbeweis kann durch den sog.Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu bedarf es – worauf der Senat an dieser Stelle ausdrücklich hinweist – nicht des Beweises des Gegenteils.  Es genügt vielmehr, dass ein Sachverhalt dargelegt wird, der die ernstliche

Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergibt. Der Auffassung des Finanzamts, wonach der Anscheinsbeweis nur dann erschüttert ist, wenn Unterlagen vorgelegt werden, aus denen sich der betriebliche Zweck jeder Fahrt sowie der Kilometerstand ergibt, schließt sich das Gericht nicht an. Faktisch würde die Aufzeichnung der vorgenannten Daten auf die Führung eines Fahrtenbuchs hinauslaufen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann das Fehlen einer Privatnutzung auch anders als durch die Führung eines Fahrtenbuchs bewiesen werden (vgl. BFH-Urteil vom 10.04.2008 VI R 38/06, BStBl II 2008, 768). Diese Sichtweise wird vom erkennenden Senat geteilt.

Die Kläger haben einen Sachverhalt dargelegt, bei dem die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs besteht. Sie haben nachvollziehbar ausgeführt, dass der Citroën nicht für Privatfahrten genutzt wurde. In diesem Kontext haben sie bis in die Einzelheiten dargelegt, wie private Erledigungen vorgenommen wurden. So hat der Kläger vorgetragen, dass er die gemeinsame Tochter in der Regel morgens um kurz vor 8:00 Uhr mit dem Firmenwagen seiner Frau zur Schule gebracht hat. Die Klägerin tritt ihren Dienst erst gegen 8:45 Uhr an, so dass ihr der Wagen bis dahin wieder zur Verfügung stand. Einmal pro Woche, in der Regel montags, hat der Kläger die Klägerin mit ihrem Firmenwagen zur Arbeit gefahren und diesen dann wieder mit nachhause genommen. Auf dem Rückweg wurden von ihm die Einkäufe für die laufende Arbeitswoche getätigt. In diesem Zusammenhang hat er eine detailreiche Sachverhaltsschilderung vorgenommen (z.B. das Anfahren mehrerer Einkaufsmärkte zwecks Einkaufs von Sonderangeboten, die in Angebots-Prospekten in der Zeitung vom Wochenende angepriesen wurden), die schlüssig erscheint.

Zwar ist dem Finanzamt darin Recht zu geben, dass der vorgenannte Sachverhalt nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht. Es ist aber zu berücksichtigen, dass die Aufgabenverteilung in der Familie der Kläger nicht ohne weiteres mit allgemeinen Erfahrungssätzen korrespondiert. So hat der Kläger bereits vor vielen Jahren seine (leitende) Stelle in der Rechtsabteilung einer Brauerei aufgegeben, um sich fortan in erster Linie als „Hausmann“ zu betätigen und sich um die Erziehung der Kinder zu kümmern. Als ihm später von einem Bekannten eine Hausmeisterstelle angetragen wurde, hat er diese (quasi nebenberuflich) übernommen. Dem Senat erscheint der Sachvortrag hinsichtlich der Erledigung der Privatfahrten zwar atypisch, vor dem Hintergrund der vorgenannten Umstände und der oben zum Anscheinsbeweis ausgeführten Rechtsgrundsätze aber plausibel.

Hinzu kommt, dass die Kläger, in der mündlichen Verhandlung vom Beklagtenvertreter auf verschiedene – nicht alltägliche – Situationen angesprochen, in denen  die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs erforderlich ist, durchgehend nachvollziehbare Erklärungen abgegeben haben. So ist unter anderem danach gefragt worden, wie verfahren wird, wenn eines der Kinder plötzlich erkrankt und sich die Klägerin mit dem Firmenwagen an der Arbeit befindet. Darauf hat die Klägerin entgegnet, dass bei ihr keine Dienstreisen anfielen und sie im Notfall auch eine Besprechung verlassen und sofort nachhause fahren könne, soweit es das Wohl ihrer Kinder zwingend erfordere. Weiter wurde danach gefragt, wie größere Gegenstände, z.B. Möbel, transportiert werden. Darauf haben die Kläger geantwortet, dass sie nicht mehr bei Ikea einkauften und sie im Möbelhaus gekaufte Möbel angeliefert bekämen. Auf die Entsorgung von Grünabfällen angesprochen, erklärten die Kläger, dass diese vom Abfall-Entsorger bei ihnen zuhause abgeholt würden.

Auch in wirtschaftlicher Hinsicht ist der klägerische Vortrag nachvollziehbar. Die Klägerin bekommt von ihrem Arbeitgeber einen gehobenen Firmenwagen zur Verfügung gestellt, den nicht nur sie selbst, sondern auch die mit ihr in häuslicher Gemeinschaft lebenden Personen privat nutzen dürfen. Sämtliche Kosten für den Pkw, einschließlich der Kosten für Benzin, werden vom Arbeitgeber der Klägerin getragen. Zur Abgeltung der Privatnutzung werden monatlich 0,4 % des Fahrzeug(neu)preises von ihrem Gehalt einbehalten. Dabei handelt es sich um eine Pauschale, die unabhängig vom tatsächlichen Umfang der Privatnutzung in Rechnung gestellt wird. In Anbetracht dessen ist es wirtschaftlich sinnvoll, sämtliche privaten Fahrten mit dem Firmenwagen der Klägerin durchzuführen und den Citroën Berlingo nicht privat zu nutzen. Privatfahrten mit dem Citroën würden zu einer wirtschaftlichen Schlechterstellung der Kläger führen. Denn es käme zu einer Besteuerung nach der 1 %-Regelung, was eine jährliche Mehrsteuer von mehreren hundert Euro nach sich ziehen würde. Selbst bei Außerachtlassung dieser steuerlichen Komponente wäre die private Nutzung des Citroën für die Kläger von Nachteil. Zum einen würde diese zu einer schnelleren Abnutzung und damit zu einem höheren Wertverzehr des Autos führen, zum anderen müssten die Kraftstoffkosten -soweit sie auf Privatfahrten entfallen- vorfinanziert werden.

 

 

1 %-Regelung gilt nur für tatsächlich zur privaten Nutzung überlassene Dienstwagen

Die Anwendung der 1 %-Regelung setzt voraus, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat .

Der Anscheinsbeweis streitet dafür, dass der Arbeitnehmer einen ihm vom Arbeitgeber zur privaten Nutzung überlassenen Dienstwagen auch tatsächlich privat nutzt, nicht aber dafür, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat .

BFH Urteil vom 21.4.2010, VI R 46/08

Begründung:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 21. April 2010 VI R 46/08 entschieden, dass die 1 %-Regelung nur gilt, wenn der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlässt. Aus der Bereitstellung eines Fahrzeugs zu betrieblichen Zwecken könne nicht aufgrund eines Anscheinsbeweises darauf geschlossen werden, dass das Fahrzeug vom Arbeitnehmer auch privat genutzt werde.

In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Streitfall betrieb der Kläger eine Apotheke mit Arzneimittelherstellung und etwa 80 Mitarbeitern, darunter auch der Sohn des Klägers, der auch das höchste Gehalt aller Mitarbeiter erhielt. Im Betriebsvermögen befanden sich sechs Kraftfahrzeuge, die für betriebliche Fahrten zur Verfügung standen. Fahrtenbücher wurden nicht geführt. Im Anschluss an eine Lohnsteuerprüfung ging das Finanzamt davon aus, dass der Sohn das teuerste der sechs betrieblichen Kraftfahrzeuge, einen Audi A8 Diesel, auch privat nutze, setzte dies als steuerpflichtigen Sachbezug mit der 1 %-Regelung an und erließ gegen den Kläger einen Lohnsteuerhaftungsbescheid.

Der Kläger machte dagegen vor dem Finanzgericht (FG) im Ergebnis erfolglos geltend, dass die Mitarbeiter und auch sein Sohn die betrieblichen Kraftfahrzeuge nicht privat sondern nur betrieblich genutzt hätten und die Privatnutzung arbeitsvertraglich verboten sei. Das Finanzgericht entschied, dass aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der Beweis des ersten Anscheins für eine auch private Nutzung des Dienstwagens spreche. Unstreitig habe der Sohn das Fahrzeug dienstlich genutzt. Eine Privatnutzung durch ihn sei daher nicht auszuschließen.

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Im Streitfall seien die Anwendungsvoraussetzungen der 1 %-Regelung, nämlich dass der Arbeitgeber eines der für Betriebszwecke vorgehaltenen Fahrzeuge seinem Sohn zur privaten Nutzung überlassen habe, nicht festgestellt. Stehe eine solche Kraftfahrzeugüberlassung zur privaten Nutzung nicht fest, könne diese fehlende Feststellung nicht durch den Anscheinsbeweis ersetzt werden. Es gebe weder einen Anscheinsbeweis dafür, dass dem Arbeitnehmer ein Dienstwagen aus dem arbeitgebereigenen Fuhrpark zur Verfügung stehe, noch dass der Arbeitnehmer ein solches Fahrzeug unbefugt auch privat nutze.

 

Privatnutzung des Dienstwagens; Erschütterung des Anscheinsbeweises

Der Anscheinsbeweis, dass ein Dienstwagen auch privat genutzt wird, kann durch die Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs entkräftet oder erschüttert werden. Dieser muss jedoch zur vollen Überzeugung des Gerichts vorgetragen werden.

Die Frage, ob der Anscheinsbeweis durch den Gegenbeweis erschüttert worden ist, ist grundsätzlich nicht revisibel.

BFH Beschluss vom 20.10.2009 VI B 74/08 BFH NV 2010 s. 197 f

Begründung:

In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen hat das Finanzgericht (FG) unter Würdigung der Umstände des Streitfalles entschieden, die Klägerin habe den Beweis des ersten Anscheins nicht erschüttert, der für eine private Nutzung der –dem Gesellschafter-Geschäftsführer überlassenen– Dienstwagen spreche.

Sollte das FG allerdings auch die Auffassung vertreten haben, dass ein Steuerpflichtiger den Gegenbeweis allein durch Beweise, die in ihrer Gesamtheit wie ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch Auskunft über die tatsächliche Nutzung geben, führen kann, hat der Senat Zweifel, ob er sich dem anschließen könnte. Im vorliegenden Verfahren kommt es hierauf jedoch nicht an, da anders als von der Klägerin angeführt das FG seine Entscheidung nicht darauf gestützt hat, dass der Gegenbeweis nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt werden kann. Es hat vielmehr im Ergebnis entscheidend darauf abgestellt, dass die Tatsachen, aus denen die Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs abgeleitet werden kann, nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts vorgetragen worden sind. In seiner Gesamtbeurteilung hat das FG die vorgelegten Aufzeichnungen, u.a. weil sie nicht zeitnah erstellt worden sind, nicht als so wesentlich angesehen, um eine Entkräftung des Anscheinsbeweises bejahen zu können