Entschädigung bei arbeitnehmerähnlicher Ausgestaltung

Schuldet ein Rechtsanwalt seine Leistung trotz Beibehaltung der rechtlichen Selbständigkeit aufgrund eines Beratungsvertrags im Wesentlichen wie ein Arbeitnehmer, so kommt im Zusammenhang mit diesem Vertrag eine Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG bei ihm nach den Grundsätzen in Betracht, die für Arbeitnehmer gelten.

BFH Urteil vom 10.7.2012, VIII R 48/09

Begründung:

Zu Recht ist das FG deshalb davon ausgegangen, dass die (unberechtigte) Kündigung eines üblichen Mandatsvertrags für einen Rechtsanwalt grundsätzlich nicht zu Einnahmen gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG führt, wenn er für den dadurch entgangenen Gewinn entschädigt wird. Nach diesen Grundsätzen könnte der Kläger die Tarifbegünstigung auch für die streitige Vergleichszahlung nicht erlangen, wenn man mit dem FG bei einem Rechtsanwalt den Abschluss oder die Auflösung von Beratungsverträgen generell als üblichen Geschäftsvorfall ansieht.

Demgegenüber hat die Rechtsprechung § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit stets deutlich großzügiger gehandhabt. Bei Arbeitnehmern wendet die Rechtsprechung § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG bereits dann an, wenn die Zahlung unmittelbar durch den Verlust von steuerbaren Einnahmen bedingt (veranlasst) und dazu bestimmt ist, diesen Verlust auszugleichen. Sie muss außerdem (funktional) auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen. Nicht (mehr) erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit vollständig einstellt. Eine tarifbegünstigte Entschädigung kann auch dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer eine Abfindung dafür zahlt, dass dieser einer Reduzierung seiner wöchentlichen Arbeitszeit zustimmt. Hinzukommen muss weiterhin, dass es sich um ein "besonderes Ereignis" handelt. Dies setzt nicht voraus, dass die Entschädigung für den vollständigen Verlust der (einzigen) Einkunftsquelle geleistet wird. Vielmehr ist ein "besonderes Ereignis" schon dann anzunehmen, wenn die Beendigung oder Änderung des Vertrags vom Arbeitgeber ausgeht oder wenn der Arbeitnehmer beim Abschluss einer Aufhebungs- oder Änderungsvereinbarung unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt hat.

Nach diesen Maßstäben käme im Streitfall eine Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG in Betracht, denn die streitige Zahlung war durch den Wegfall der künftigen Einnahmen aus dem Beratungsvertrag veranlasst und beruhte auf einer neuen Rechtsgrundlage (Vergleich). Ebenso wäre ein "besonderes Ereignis" anzunehmen, denn der Kläger stand beim Abschluss des Vergleichs unter Druck. Hierzu hat der IX. Senat des BFH jüngst entschieden, dass es nicht dem Zweck des von der Rechtsprechung entwickelten Merkmals der Zwangssituation entspricht, allein wegen einer gütlichen Einigung in einer konfligierenden Interessenlage zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen tatsächlichen Druck in Frage zu stellen.

Das hierdurch beschriebene Spannungsverhältnis ist in der Weise aufzulösen, dass bei der Anwendung von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG die für Arbeitnehmer geltenden Grundsätze (analog) zu beachten sind, wenn im Rahmen der selbständigen Tätigkeit eines Rechtsanwalts ein Geschäftsbesorgungs- oder Rechtsberatungsvertrag arbeitnehmerähnlich ausgestaltet ist. Dies gebietet die rechtliche Gleichbehandlung von wesentlich Gleichem.