Kompensation des Mehrergebnisses einer Außenprüfung durch Investitionsabzugsbetrag

Die Gewährung eines Investitionsabzugsbetrags ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Steuerpflichtige die Begünstigung im Anschluss an eine Außenprüfung zur Kompensation der von dieser ermittelten Gewinnerhöhungen geltend macht.

BFH Urteil vom 23.3.2016, IV R 9/14

Begründung:

Ein Investitionsabzugsbetrag darf nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. März 2016 IV R 9/14 nicht allein deshalb versagt werden, weil der Antrag erst nach einer Außenprüfung gestellt wird. Die Steuervergünstigung kann danach entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung zur Kompensation eines Steuermehrergebnisses der Außenprüfung eingesetzt werden.

Im Urteilsfall war bei einer landwirtschaftlich tätigen Personengesellschaft im Herbst 2012 eine Außenprüfung für die Jahre 2007 bis 2009 durchgeführt worden. Dabei ergab sich in allen geprüften Jahren eine Erhöhung des bisher erklärten Gewinns. Nach Abschluss der Prüfung beantragte die Gesellschaft einen Investitionsabzugsbetrag nach § 7g des Einkommensteuergesetzes für das letzte geprüfte Wirtschaftsjahr in Höhe von 10.000 € für die Beschaffung eines bereits in 2011 angeschafften Schleppers. Das Finanzamt (FA) versagte die Steuervergünstigung, weil deren Zweck nicht mehr erreicht werden könne, nämlich die Finanzierung der Investition durch die Steuerersparnis zu erleichtern. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, weil es des vom FA geforderten Finanzierungszusammenhangs nach der im Streitjahr anzuwendenden Rechtslage nicht bedürfe. Dieser Auffassung war auch der BFH. Er verwies das Verfahren aber an das FG zurück, weil noch zu klären sei, ob am Ende des Wirtschaftsjahrs, für das die Steuervergünstigung beantragt worden sei (im Streitfall das letzte geprüfte Wirtschaftsjahr), bereits eine Investitionsabsicht bestanden habe.

Das Urteil betrifft die im Jahr 2009 geltende Rechtslage, nach der die Steuervergünstigung voraussetzte, dass der Unternehmer die Absicht hatte, die Investition innerhalb der nächsten drei Jahre durchzuführen und das Investitionsgut anschließend mindestens zwei Jahre in seinem Betrieb zu nutzen. Das Bestehen dieser Absicht musste nachgewiesen werden. Seit 2016 hat sich die Rechtslage verändert, denn die Investitionsabsicht und die Absicht der späteren betrieblichen Nutzung werden seither nicht mehr ausdrücklich vom Gesetz erwähnt.

Hemmung der Feststellungsverjährung bei Prüfung eines Gesamtobjekts

Die Durchführung der Außenprüfung bei einer Gesellschaft, die i.S. von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VO zu § 180 Abs. 2 AO hinsichtlich des Gesamtobjekts für die Feststellungsbeteiligten im Feststellungszeitraum gehandelt hat, als “Verfahrensbeteiligte” (§ 5 VO zu § 180 Abs. 2 AO) ist nach § 7 Abs. 1 VO zu § 180 Abs. 2 AO zulässig und führt zur Hemmung der Feststellungsfrist gemäß § 171 Abs. 4 AO gegenüber allen Feststellungsbeteiligten, auch wenn diese von der Außenprüfung keine Kenntnis haben.

BFH Urteil vom 16.6.2015, IX R 51/14

Begründung:

Wird vor Ablauf der Feststellungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Feststellungsfrist für die Besteuerungsgrundlagen, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall des Hinausschiebens der Außenprüfung erstrecken sollte, gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Feststellungsbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO drei Monate verstrichen sind. Nach § 171 Abs. 4 Satz 2 AO entfällt die Ablaufhemmung der Feststellungsfrist, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat.

Voraussetzung für die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 Satz 1 AO ist der Beginn einer Außenprüfung. Nach ständiger Rechtsprechung ist für eine Ablaufhemmung durch den Beginn einer Außenprüfung erforderlich, dass eine förmliche Prüfungsanordnung erlassen und bekanntgegeben wurde und –wenn auch nur stichprobenweise– tatsächlich Prüfungshandlungen für die in der Prüfungsanordnung genannten Steuerarten und Besteuerungszeiträume vorgenommen wurden. Nach § 124 Abs. 1 Satz 1 AO wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekanntgegeben wird. Prüfungsanordnungen als Verwaltungsakte sind demjenigen bekanntzugeben, dessen steuerliche Verhältnisse überprüft werden sollen. Nach § 7 Abs. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO ist die Prüfungsanordnung bei dem Verfahrensbeteiligten bekanntzugeben, bei dem die Außenprüfung durchgeführt werden soll. Erkennbar sein muss die Vornahme von Prüfungsmaßnahmen daher allein für den Adressaten der Prüfungsanordnung.

Prüfungsadressat und Bekanntgabeadressat der Prüfungsanordnung war nach den tatsächlichen Feststellungen des FG die KG, an die unstreitig die Bekanntgabe erfolgt war. Eine Bekanntgabe an die Kläger war nicht erforderlich, da die Außenprüfung nicht bei ihnen, sondern bei der für die Abgabe der Feststellungserklärung zuständigen KG (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO) durchgeführt werden sollte. Bei der KG sind nach den Feststellungen des FG auch Prüfungsmaßnahmen hinsichtlich der von der Feststellung betroffenen Besteuerungsgrundlagen durchgeführt worden

Grenzen der Speicherung digitalisierter Steuerdaten aufgrund einer Außenprüfung

Im Rahmen einer Außenprüfung kann die Finanzverwaltung die Herausgabe digitalisierter Steuerdaten zur Speicherung und Auswertung auf mobilen Rechnern der Prüfer nur verlangen, wenn Datenzugriff und Auswertung in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen oder in den Diensträumen der Finanzverwaltung stattfinden.

Eine Speicherung von Daten über den tatsächlichen Abschluss der Prüfung hinaus ist durch § 147 Abs. 6 Satz 2 AO nur gedeckt, soweit und solange die Daten noch für Zwecke des Besteuerungsverfahrens (z.B. bis zum Abschluss etwaiger Rechtsbehelfsverfahren) benötigt werden

BFH Urteil vom 16.12.2014, VIII R 52/12

Begründung (BFH):

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 16. Dezember 2014 VIII R 52/12 entschieden, dass § 147 Abs. 6 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) der Finanzverwaltung nicht das Recht gibt, die ihr im Rahmen einer Außenprüfung in digitaler Form überlassenen Daten über den Zeitraum der Prüfung hinaus auf Rechnern außerhalb der behördlichen Diensträume zu speichern.

Im Streitfall hatte das Finanzamt (FA) im Rahmen einer Außenprüfung bei dem Kläger (einem selbständig tätigen Steuerberater) mit der Prüfungsanordnung die Gewinnermittlungen sowie zu deren Prüfung die Steuerdaten in digitaler Form auf einem maschinell verwertbaren Datenträger angefordert. Dagegen erhob der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage: Das FA dürfe diese Daten nicht -wie angekündigt- über die Prüfung hinaus bis zur Bestandskraft von nach der Außenprüfung erlassenen Bescheiden auf dem (mobilen) Rechner des Prüfers speichern. Das Finanzgericht wies die Klage ab.

Der BFH ist allerdings der Rechtsauffassung des Klägers gefolgt. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss der Gefahr missbräuchlicher Verwendung der Daten (z.B. wenn Daten außerhalb der Geschäftsräume des Steuerpflichtigen oder der Diensträume der Behörde infolge eines Diebstahls des Prüfer-Notebooks in fremde Hände geraten) angemessen Rechnung getragen werden. Dieser Anforderung ist ohne nennenswerte Beeinträchtigung einer rechnergestützten Außenprüfung nur dann entsprochen, wenn die Daten des Steuerpflichtigen nur in seinen Geschäftsräumen oder an Amtsstelle erhoben und verarbeitet werden sowie nach Abschluss der Außenprüfung nur noch in den Diensträumen der Finanzverwaltung gespeichert bzw. aufbewahrt werden, soweit und solange sie für Zwecke des Besteuerungsverfahrens (z.B. bis zum Abschluss etwaiger Rechtsbehelfsverfahren) benötigt werden.

Die räumliche Beschränkung des Datenzugriffs folgt zudem eindeutig aus dem Wortlaut des § 200 Abs. 2 AO und des § 6 der Betriebsprüfungsordnung 2000, wonach der Steuerpflichtige die prüfungsrelevanten Unterlagen nur in seinen Geschäftsräumen, notfalls auch in seinen Wohnräumen oder an Amtsstelle vorzulegen hat und ein anderer Prüfungsort nur ausnahmsweise in Betracht kommt.

Festsetzungsfrist bei einer mehr als zehnjährigen Unterbrechung einer Außenprüfung

Die Frage, ob der Steuerpflichtige nach über zehn Jahren der Unterbrechung einer Außenprüfung eine Steuerfestsetzung hinnehmen muss, hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie nach der Rechtsprechung grundsätzlich zu bejahen ist.

Soweit der Steuerpflichtige aufgrund der außergewöhnlich langen Bearbeitungszeit mit unverhältnismäßig hohen Nachzahlungszinsen belastet ist, ist dem durch Billigkeitsmaßnahmen Rechnung zu tragen.

BFH Beschluss vom 21.01.2015 – VIII B 112/13 BFHNV 2015 S. 800

Begründung:

Die von den Klägern als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, „ob der Steuerpflichtige nach über zehn Jahren der Unterbrechung einer Außenprüfung, ohne dass für diesen erkennbare Prüfungshandlungen stattgefunden haben, eine Steuerfestsetzung durch das Finanzamt hinnehmen muss”, bedarf keiner erneuten Entscheidung in einem Revisionsverfahren, weil sie für den Streitfall nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzlich zu bejahen ist.

Nach § 171 Abs. 4 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) entfällt die Ablaufhemmung der Festsetzungs- und Feststellungsfristen, wenn eine Außenprüfung (oder wie hier eine Steuerfahndungsprüfung i.S. von § 171 Abs. 5 Satz 1 AO) unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat.

In der Rechsprechung ist geklärt, dass eine Unterbrechung unmittelbar nach Beginn der Prüfung dann anzunehmen ist, wenn der Prüfer über Vorbereitungshandlungen, allgemeine Informationen über die betrieblichen Verhältnisse, das Rechnungswesen und die Buchführung und/oder die Sichtung der Unterlagen des zu prüfenden Steuerfalls bzw. ein allgemeines Aktenstudium nicht hinausgekommen ist.

Eine Außenprüfung ist danach nur dann nicht mehr unmittelbar nach Beginn unterbrochen, wenn die Prüfungshandlungen von Umfang und Zeitaufwand gemessen an dem gesamten Prüfungsstoff erhebliches Gewicht erreicht oder erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt haben. Letzteres bedeutet allerdings nicht, dass die ermittelten Ergebnisse geeignet sein müssen, unmittelbar als Besteuerungsgrundlage Eingang in einen Steuer- oder Feststellungsbescheid zu finden; ausreichend ist vielmehr, dass Ermittlungsergebnisse vorliegen, an die bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden kann.

Des angefochtene Urteil entspricht diesen Maßstäben. Das Finanzgericht (FG) hat auf Seite 9 seines Urteils im Einzelnen ausgeführt, inwieweit die Prüferin die Vielzahl der sichergestellten Unterlagen teilweise bereits ausgewertet hatte, bevor es zur Unterbrechung der Prüfung kam. Die Prüferin habe einen erheblichen tatsächlichen und zeitlichen Aufwand betrieben und bei der Wiederaufnahme der Prüfung am 12. November 2009 an die bereits im Oktober/November 1998 erlangten Erkenntnisse anknüpfen können.

Der Streitfall wirft auch keine grundsätzliche Frage dahin auf, ob der Steueranspruch wegen der mehr als zehnjährigen Unterbrechung der Prüfung verwirkt ist. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass ein bloßes Untätigbleiben der Finanzbehörde in der Regel nicht ausreicht, um einen Steueranspruch als verwirkt anzusehen; denn die zeitliche Grenze für die Festsetzung eines Steueranspruchs bilden die Verjährungsvorschriften. Der Tatbestand der Verwirkung setzt neben dem bloßen Zeitmoment (zeitweilige Untätigkeit des Finanzamts) einerseits ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten voraus, demzufolge der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Vertrauenstatbestand), andererseits aber auch, dass der Steuerpflichtige tatsächlich auf die Nichtgeltendmachung des Anspruchs vertraut und sich hierauf eingerichtet hat (Vertrauensfolge). Danach hat das FG zu Recht entschieden, dass die Untätigkeit der Prüferin allein kein Vertrauen der Kläger darauf begründen konnte, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) die Außenprüfung als erledigt betrachtet, und dass besondere Umstände, die gleichwohl Verwirkung eintreten lassen könnten, nicht ersichtlich sind.

Soweit die Kläger aufgrund der außergewöhnlich langen Bearbeitungszeit mit unverhältnismäßig hohen Nachzahlungszinsen gemäß §§ 233a, 235 AO belastet sein sollten, wäre dem durch Billigkeitsmaßnahmen Rechnung zu tragen, zumal die Länge der Prüfungsunterbrechung im Streitfall ausschließlich in den Verantwortungsbereich des FA fällt.

Die Revision ist ferner nicht mit Rücksicht auf den Beschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 17. Dezember 2010 6 V 1924/10 zuzulassen, mit dem der 6. Senat des FG Rheinland-Pfalz die Vollziehung der im Streitfall aufgrund der Fahndungsprüfung erlassenen Umsatzsteuerbescheide ausgesetzt hat. Der 6. Senat des FG Rheinland-Pfalz hat seine bei summarischer Prüfung gewonnene Auffassung vornehmlich darauf gestützt, dass für die Kläger nicht zu Beginn der Prüfung, sondern erst nach Wiederaufnahme der Prüfung über zehn Jahre später erkennbar gewesen sei, dass auch Umsatzsteuerforderungen Prüfungsgegenstand waren. Zu dem Zeitpunkt sei aber Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen. In diesem Punkt liegt der Streitfall indes anders, weil, wie das FG im Einzelnen ausgeführt hat, für die Kläger von Anfang an erkennbar war, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen wie auch die Gewinnermittlungen aus Gewerbebetrieb und aus freiberuflicher Tätigkeit Prüfungsgegenstand waren.

Erweiterung des Prüfungszeitraums einer Außenprüfung wegen der Erwartung nicht unerheblicher Änderungen der Besteuerungsgrundlagen

Die Begründung einer Erweiterungsanordnung nur mit dem Verweis auf § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000 ist im Hinblick auf § 121 Abs. 2 Nr. 2 AO ausnahmsweise dann ausreichend, wenn das FA dem Stpfl. die Gründe für die Erwartung nicht unerheblicher Änderungen der Besteuerungsgrundlagen bereits zuvor im Rahmen einer Besprechung mitgeteilt hat.

BFH Urteil vom 16.09.2014 – XR 30/13 BFHNV 2015 S.150

Begründung:

Zu Recht hat das FG ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der nach Abschluss der Außenprüfung erledigten Prüfungsanordnungen vom 5. Oktober 2012 bejaht, da dieser insbesondere die aufgrund der getroffenen Feststellungen ergangenen Bescheide angefochten.
Das FG hat die Erweiterungsanordnungen vom 5. Oktober 2012 im Ergebnis zutreffend als rechtmäßig angesehen. Die Voraussetzungen für eine Erweiterung des Prüfungszeitraums haben vorgelegen (unter a). Darüber hinaus ist auch den Begründungsanforderungen Genüge getan (unter b). Der Erlass der Einspruchsentscheidungen führt zu keinem anderen Ergebnis.

Das FA war im Hinblick auf § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000 berechtigt, die ursprünglich für die Jahre 2008 bis 2010 angeordnete Außenprüfung in zeitlicher Hinsicht auf das Jahr 2007 zu erweitern. Gemäß § 193 Abs. 1 AO ist eine Außenprüfung bei Steuerpflichtigen zulässig, die –wie der Kläger– einen gewerblichen Betrieb unterhalten. Nach § 194 Abs. 1 Satz 2 AO kann eine Außenprüfung mehrere Steuerarten und Besteuerungszeiträume umfassen oder sich aber auch auf bestimmte Sachverhalte beschränken. Den Umfang der Außenprüfung hat gemäß § 196 AO die zuständige Finanzbehörde –im Streitfall das FA– in einer schriftlichen Prüfungsanordnung zu bestimmen. Die Bestimmung des Prüfungsumfangs ist eine von den Gerichten nur gemäß § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu überprüfende Ermessensentscheidung).

Die Finanzbehörden haben sich für die Ausübung ihres Ermessens durch die BpO 2000 dahin gebunden, dass bei Steuerpflichtigen, die –wie der Kläger– kein Großbetrieb oder Unternehmen i.S. der §§ 13 und 19 BpO 2000 sind, der Prüfungszeitraum in der Regel nicht mehr als drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen soll (§ 4 Abs. 3 Satz 1 BpO 2000). Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000 kann der Prüfungszeitraum aber u.a. dann drei Besteuerungszeiträume übersteigen, wenn mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen ist. Diese Verwaltungsregelung ist als Maßnahme der Selbstbindung der Verwaltung bei der Ermessensausübung auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten.

Die Feststellung, ob mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen –und damit letztlich mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen– zu rechnen ist, erfordert eine Voraussage, die durch Tatsachen gestützt sein. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die für den erkennenden Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), bestand sowohl bei Erlass der Erweiterungsanordnungen als auch noch im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidungen aufgrund konkreter, durch die Prüfung der Jahre 2008 bis 2010 aufgedeckter Umstände –nämlich der gewinnmindernden Berücksichtigung der Schuldzinsen für das auf dem Konto 705 geführte Darlehen, obwohl keine betriebliche Veranlassung erkennbar war– die begründete Vermutung, dass aufgrund vergleichbarer Verhältnisse mit einer nicht unerheblichen Änderung des Gewinns aus Gewerbebetrieb des Jahres 2007 zu rechnen war.

Insbesondere ist dabei die Würdigung des FG, dieser Sachverhalt sei erkennbar für die Entscheidung des FA ausschlaggebend gewesen, den Prüfungszeitraum auch auf das Jahr 2007 auszudehnen, in revisionsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Klägers ist dies durch den gefertigten Vermerk über die Besprechung zweifelsfrei dokumentiert. Da die Voraussetzungen für eine Ausdehnung des Prüfungszeitraums –wie vorstehend ausgeführt– tatsächlich vorlagen, ist die Entscheidung des FA unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden, insbesondere sind Anhaltspunkte für ein willkürliches, schikanöses oder unverhältnismäßiges Verhalten des FA nicht ersichtlich.

Dem Erfordernis, die Erweiterung der Außenprüfung zu begründen, ist vorliegend hinreichend Rechnung getragen worden.Als schriftlicher Verwaltungsakt ist die Erweiterung einer Prüfungsanordnung (§ 196 AO) nach § 121 Abs. 1 AO schriftlich zu begründen, soweit dies zu ihrem Verständnis erforderlich ist.
Nach ständiger Rechtsprechung muss, wenn das FA den Prüfungszeitraum über die von der Finanzverwaltung im Wege einer Selbstbindung ihres Ermessens festgelegten regelmäßig vorgesehenen Zeitgrenze hinaus verlängern will, die Anordnung so begründet werden, dass das FG in der Lage ist, seiner gerichtlichen Ermessenskontrolle (vgl. § 102 FGO) nachzukommen.

Wird die Ausdehnung des Prüfungszeitraums im Hinblick auf die Erwartung nicht unerheblicher Steuernachforderungen vorgenommen, so muss die erforderliche Zukunftsprognose –wie ausgeführt– auf Tatsachen gestützt werden. Diese Gesichtspunkte bestimmen und begrenzen die Anforderungen an den Begründungszwang des FA. Indessen sind auch in diesem Fall die konkreten Ermessenserwägungen nicht im Einzelnen darzustellen. Wird der Prüfungszeitraum –wie im Streitfall– im Rahmen einer Routineprüfung erweitert, so wird die mit der Durchführung der Außenprüfung verbundene generelle Belastung nicht wesentlich erhöht. Eine Begründung ist dann entbehrlich, wenn dem Adressaten des Verwaltungsakts die Auffassung der Finanzbehörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung ohne Weiteres erkennbar ist (§ 121 Abs. 2 Nr. 2 AO).

Bei Heranziehung dieser Rechtsgrundsätze hat das FA die Prüfungserweiterung ausreichend begründet.Das FG hat für den Senat bindend festgestellt, dass das FA eine Prüfungserweiterung “wegen der auf dem Konto 705 gebuchten Schuldzinsen” vor Erlass der Erweiterungsanordnungen zwar nicht mit dem Kläger persönlich, wohl aber mit X besprochen hatte, der den Kläger später über das Gesagte informierte. Angesichts des von dem Prüfer über die Besprechung gefertigten Vermerks und nicht zuletzt der Einlassung des X in der mündlichen Verhandlung begegnet die Würdigung des FG, dem Kläger sei damit hinreichend bekannt gewesen, auf welchen Sachverhalt sich der in den Erweiterungsanordnungen angegebene Grund stützte, es sei mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen, aus revisionsrechtlicher Sicht keinen Bedenken. Eine durchgreifende Verfahrensrüge hat der Kläger insoweit nicht erhoben. Insbesondere reicht es nicht aus, wenn er nun geltend macht, für ihn sei aus dem Gespräch nicht erkennbar gewesen, aus welchen konkreten Gründen eine Prüfungserweiterung in Betracht gekommen sei, zumal der Kläger selbst bei der maßgeblichen Besprechung gar nicht anwesend war.

Soweit das FA seine Prognose, es seien nicht unerhebliche Steuernachforderungen zu erwarten, in den Einspruchsentscheidungen mit den gewinnmindernd berücksichtigten Schuldzinsen für das erst Mitte des Jahres 2008 gewährte Darlehen (Konto 707) begründet hat, macht dies die Anordnung der Prüfungserweiterung unter den Gegebenheiten des Streitfalls nicht ermessenwidrig. Zu Recht ist das FG zunächst davon ausgegangen, dass das FA seine Prognose als Grundlage für die Erweiterung der Betriebsprüfung auf das Vorjahr 2007 hierauf nicht stützen konnte, da die Feststellungen auf einem besonders gelagerten, erst während des regulären Prüfungszeitraums beginnenden Sachverhalt basierten.

Auch wenn das FA die Erweiterung der Betriebsprüfung in zeitlicher Hinsicht auf das Jahr 2007 somit nicht mit dem erst Mitte des Jahres 2008 gewährten Darlehen “707” begründen konnte, hat es doch in der Einspruchsentscheidung zum Darlehen “705” zumindest diejenigen tatsächlichen Feststellungen getroffen, die die Begründung der Prüfungserweiterung ohne Weiteres getragen hätten.

Zwar macht der Kläger zu Recht geltend, entscheidend sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung. Es stellt indes keinen Ermessensfehler dar, wenn eine Behörde ihre Entscheidung auf mehrere Ermessenserwägungen stützt, von denen zwar eine oder einzelne fehlerhaft sind, die Behörde aber zum Ausdruck gebracht hat, dass bereits jede einzelne der Ermessenserwägungen sie dazu veranlasst hat, die von ihr getroffene Entscheidung vorzunehmen, also insofern bereits allein tragend ist (Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 20. Aufl., § 114 Rz 6a, m.w.N.). Für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung genügt es, dass ein selbständig tragender Grund rechtlich fehlerfrei ist.

Der Senat kann offenlassen, ob die Formulierung in der Einspruchsentscheidung vom 10. Dezember 2012, wonach die Annahme einer nicht unerheblichen Nachforderung “Allein aus der Doppelberücksichtigung der Schuldzinsen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und den Einkünften aus Gewerbebetrieb” nur auf die für das Streitjahr nicht einschlägigen Feststellungen zum Darlehen bezogen sind oder auch die ursprünglichen zutreffenden Erwägungen zum Konto 705 umfassten. Jedenfalls konnte ein objektiver Empfänger die Einspruchsentscheidung nicht in dem Sinn verstehen, das FA halte die ursprünglichen (zutreffenden) Erwägungen nicht mehr aufrecht (vgl. § 44 FGO). Das FA hat im Tatbestand seiner Einspruchsentscheidung die Feststellungen zu beiden Darlehen (705 und 707) angesprochen. In den Gründen der Einspruchsentscheidung sind keine Ausführungen enthalten, wonach an den ursprünglichen dem X bekannt gegebenen Erwägungen (s. oben bei II.2.b bb) nicht mehr festgehalten werde.

Bei einer solchen Sachlage war das FA gemäß § 102 Satz 2 FGO befugt, die von ihm bereits im Verwaltungsverfahren angestellten zutreffenden Erwägungen hinsichtlich des Verwaltungsakts zu verdeutlichen (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 102 Rz 20). Dies hat das FA getan, indem es im Klageverfahren seine Erwägungen hinsichtlich der über das Konto 705 gebuchten Schuldzinsen als maßgeblichen Grund für die Prüfungserweiterung hervorgehoben hat. Mit seiner Klageerwiderung hat das FA nichts in das Verfahren eingeführt, was den Rahmen des § 102 Satz 2 FGO hätte sprengen können, sondern lediglich an Stelle der bisherigen Begründungsbruchstücke präzise und korrekt mitgeteilt, warum die Prüfungserweiterung erlassen wurde und erlassen werden durfte.

Jedenfalls bei Vorliegen einer solchen Konstellation war die Verdeutlichung der Ermessenserwägungen im Rahmen des finanzgerichtlichen Verfahrens auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil Gegenstand des Prozesses eine die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts betreffende Fortsetzungsfeststellungsklage war. Es spricht nichts dafür, dass nach Auffassung der Rechtsbehelfsstelle des FA nur beide Gründe zusammen die Entscheidung rechtfertigen sollten. Vielmehr ist angesichts der Umstände des Streitfalls davon auszugehen, dass das FA die Entscheidung zur Prüfungserweiterung (weiterhin) auch dann getroffen hätte, wenn es nicht fehlerhaft davon ausgegangen wäre, die Erwartung nicht unerheblicher Änderungen der Besteuerungsgrundlagen im Streitjahr 2007 auch mit den zu Unrecht als Betriebsausgaben berücksichtigten Schuldzinsen für das (private) Darlehen “707” begründen zu können. Dies folgt neben den Tatsachenfeststellungen zum Darlehen “705” auch daraus, dass das FA in der Einspruchsentscheidung Bezug auf die BFH-Rechtsprechung zum Ausmaß der zu erwartenden Mehrsteuern genommen hat. Ihm war damit bewusst, dass in betraglicher Hinsicht jeder Sachverhalt für sich allein eine Prüfungserweiterung rechtfertigte, es insoweit mithin gerade keiner Kumulation bedurfte.

Ablaufhemmung aufgrund einer Außenprüfung

Für die Annahme einer Ermittlungshandlung im Rahmen einer Außenprüfung, die nicht gemäß § 171 Abs. 4 S. 2 AO unterbrochen worden ist, ist nicht zwingend erforderlich, dass diese dem Steuerpflichtigen bekanntgegeben wird.

Die Untätigkeit des Prüfers allein begründet kein Vertrauen darauf, dass das FA die Außenprüfung als erledigt betrachtet.

BFH Urteil vom 26.06.2014 – IV R 51/11 (BFH/NV 2014, 1716).

Beschlüsse:

Hinsichtlich der angefochtenen Bescheide hat das FG zu Recht entschieden, dass bei deren Erlass unter dem 17. und 24. April 2007 noch keine Festsetzungs- bzw. Feststellungsverjährung eingetreten war, da der Ablauf der Fristen gemäß § 171 Abs. 4 AO aufgrund der Außenprüfung gehemmt war. Der Ablauf der Feststellungsverjährung war gemäß § 171 Abs. 3a AO auch für die zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Gewinnfeststellungsbescheide für 1990 bis 1992 vom 21. Januar 2010 gehemmt, da die Gewinnfeststellungsbescheide für 1990 bis 1992 vom 24. April 2007 mit Einspruch und Klage angefochten worden sind.

Wird vor Ablauf der Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern bzw. die Feststellungsfrist für die Besteuerungsgrundlagen, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall des Hinausschiebens der Außenprüfung erstrecken sollte, gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide bzw. Feststellungsbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO drei Monate verstrichen sind.

Ein Ausnahmefall nach § 171 Abs. 4 Satz 2 AO liegt nicht vor. Die Würdigung des FG, dass die am 15. April 1996 aufgenommene Außenprüfung nicht unmittelbar nach Beginn unterbrochen worden ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 171 Abs. 4 Satz 2 AO entfällt die Ablaufhemmung der Festsetzungs- und Feststellungsfristen, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat.

Die Frage, ob eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen worden ist, ist grundsätzlich nach den Verhältnissen im Einzelfall zu beurteilen. Dabei sind neben dem zeitlichen Umfang der bereits durchgeführten Prüfungsmaßnahmen alle Umstände zu berücksichtigen, die Aufschluss über die Gewichtigkeit der Prüfungshandlungen vor der Unterbrechung geben. Unabhängig vom Zeitaufwand ist eine Unterbrechung unmittelbar nach Beginn der Prüfung dann anzunehmen, wenn der Prüfer über Vorbereitungshandlungen, allgemeine Informationen über die betrieblichen Verhältnisse, das Rechnungswesen und die Buchführung und/oder die Sichtung der Unterlagen des zu prüfenden Steuerfalls bzw. ein allgemeines Aktenstudium nicht hinausgekommen ist. Eine Außenprüfung ist danach nur dann nicht mehr unmittelbar nach Beginn unterbrochen, wenn die Prüfungshandlungen von Umfang und Zeitaufwand gemessen an dem gesamten Prüfungsstoff erhebliches Gewicht erreicht oder erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt haben. Letzteres bedeutet allerdings nicht, dass die ermittelten Ergebnisse geeignet sein müssen, unmittelbar als Besteuerungsgrundlage Eingang in einen Steuer- oder Feststellungsbescheid zu finden; ausreichend ist vielmehr, dass Ermittlungsergebnisse vorliegen, an die bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden kann.

Umfang der Erweiterung einer Außenprüfung

§ 194 Abs. 1 Satz 2 AO begrenzt das Ermessen des Finanzamtes beim Erlass einer Prüfungserweiterung nicht dahin gehend, die Prüfung auf den bestimmten Sachverhalt zu beschränken, der voraussichtlich zu einer nicht unerheblichen Änderung der Besteuerungsgrundlagen führt und daher i.S. von § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000 Grund für die Erweiterung des Prüfungszeitraums ist. Betriebliche Steuerarten, die schon aufgrund der ursprünglichen Prüfungsanordnung Prüfungsgegenstand geworden sind, dürfen auch dann in die Prüfungserweiterung einbezogen werden, wenn sich der Sachverhalt in diesen Steuerarten von vornherein nicht auswirken kann.

BFH Urteil vom 21.06.2012 – IV R 42/11 BFHNV 2012 S. 1927 ff

Begründung:

Gemäß § 193 Abs. 1 AO ist eine Außenprüfung bei Steuerpflichtigen, die –wie die Klägerin– einen gewerblichen Betrieb unterhalten, zulässig. Nach § 194 Abs. 1 Satz 2 AO kann eine Außenprüfung mehrere Steuerarten und Besteuerungszeiträume umfassen, sie kann sich aber auch auf bestimmte Sachverhalte beschränken. Den Umfang der Außenprüfung hat gemäß § 196 AO die zuständige Finanzbehörde –im Streitfall das FA– in einer schriftlichen Prüfungsanordnung zu bestimmen. Die Bestimmung des Prüfungsumfangs ist eine von den Gerichten nur gemäß § 102 FGO zu überprüfende Ermessensentscheidung.

Die Finanzbehörden haben sich für die Ausübung ihres Ermessens durch die Betriebsprüfungsordnung (Steuer) –BpO 2000– dahin gebunden, dass bei Steuerpflichtigen wie der Klägerin, die kein Großbetrieb oder Unternehmen i.S. der §§ 13 und 19 BpO 2000 sind, der Prüfungszeitraum in der Regel nicht mehr als drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen soll (§ 4 Abs. 3 Satz 1 BpO 2000). Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000 kann der Prüfungszeitraum aber insbesondere dann drei Besteuerungszeiträume übersteigen, wenn mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen ist oder wenn der Verdacht einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit besteht. Diese Verwaltungsregelung ist als Selbstbindung der Verwaltung bei der Ermessensausübung auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten.

Die Voraussetzungen, unter denen nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000 der Prüfungszeitraum drei Besteuerungszeiträume übersteigen kann, haben im Streitfall vorgelegen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die für den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend sind, bestand im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung des FA aufgrund konkreter Umstände die Vermutung, dass mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen im Veranlagungszeitraum 2002 hinsichtlich des Gewinns der Klägerin aus Gewerbebetrieb zu rechnen war. Daraus folgt jedoch nicht, dass das FA die Prüfung im Veranlagungszeitraum 2002 inhaltlich nur auf die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und die Gewerbesteuer erweitern durfte, wo sich der Sachverhalt, der Grund für die Erweiterung des Prüfungszeitraums war, auswirken konnte. Die Rechtsfolge des § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000 besteht darin, das FA bei der Ermessensausübung hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Außenprüfung von der Bindung an die Verwaltungsregelung in § 4 Abs. 3 Satz 1 BpO 2000 zu befreien. Tritt diese Rechtsfolge ein, hat das FA gemäß § 194 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 196 und § 5 AO zu entscheiden, ob und inwieweit es den Prüfungsumfang wegen der in § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000 aufgeführten Sachverhalte erweitert.

§ 194 Abs. 1 Satz 2 AO begrenzt das Ermessen des FA beim Erlass einer Prüfungserweiterung nicht dahin gehend, die Prüfung auf den bestimmten Sachverhalt zu beschränken, der voraussichtlich zu einer nicht unerheblichen Änderung der Besteuerungsgrundlagen führt und daher i.S. von § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000 Grund für die Erweiterung des Prüfungszeitraums ist. Vielmehr darf das FA die Prüfungserweiterung generell für den Besteuerungszeitraum anordnen, in dem der betreffende Sachverhalt verwirklicht wurde. Betriebliche Steuerarten, die schon aufgrund der ursprünglichen Prüfungsanordnung Prüfungsgegenstand geworden sind, dürfen daher auch dann in die Prüfungserweiterung einbezogen werden, wenn sich der Sachverhalt in diesen Steuerarten von vornherein nicht auswirken kann.

Die Anordnung der Prüfungserweiterung auch auf die Umsatzsteuer für das Jahr 2002 widersprach auch nicht dem Zweck des § 194 Abs. 1 Satz 2 AO. Außenprüfungen dienen der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen. Wird die Prüfung bereits in der Prüfungsanordnung auf einen bestimmten Sachverhalt beschränkt, schließt dies eine umfassende Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen –ggf. auch zu dessen Gunsten– aus und kann zu Streit darüber führen, ob Prüfungshandlungen noch der Aufklärung des in der Prüfungsanordnung bezeichneten Sachverhalts dienen oder über den angeordneten Prüfungsumfang hinausgehen. Dies genügt, um die Entscheidung des FA in Bezug auf den Zweck des § 194 Abs. 1 Satz 2 AO als ermessensfehlerfrei zu beurteilen.

 

Auftragsprüfung durch ein nicht zuständiges Finanzamt

Wird eine Auftragsprüfung i.S. von § 195 Satz 2 AO bei einem Steuerberater durch ein anderes als das für die Besteuerung zuständige FA mit einer – zwischen benachbarten FÄ bestehenden, Vereinbarung zur Vermeidung von "Reibungen" begründet, so ist dies sachlich vertretbar und nicht ermessensfehlerhaft.

BFH Beschluss vom 29.02.2012 – III B 235/11 BFHNV 2012 Seite 981

Begründung:

Das FG ist in seiner Entscheidung ersichtlich von den Rechtsgrundsätzen ausgegangen, dass eine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung einer Begründung bedarf und diese auch die Gesichtspunkte erkennen lassen muss, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Es hat geurteilt, die Begründung für den Prüfungsauftrag sei in der Einspruchsentscheidung und zusätzlich in der Klageerwiderung ergänzt und näher präzisiert worden.

Weiter hat sich das FG in seinen Entscheidungsgründen auf 1 ½ Seiten damit auseinandergesetzt, warum sich die Entscheidung zur Auftragsprüfung, die auf der von den FÄ X und Y geübten und auch im Fall des Klägers angewandten Praxis beruhte, die Prüfung bei einem Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer nicht durch das für die Besteuerung zuständige FA, sondern durch ein benachbartes FA durchzuführen, trotz der Typisierung für diese Berufsgruppen innerhalb des der Finanzverwaltung zustehenden Ermessensrahmens bewegte.

 

Prüfungsunterbrechung zu Beginn der Außenprüfung

Eine Außenprüfung wird nicht i.S.v. § 171 Abs. 4 Satz 2 AO unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen, wenn die bis zur Unterbrechung vorgenommenen Prüfungshandlungen entweder von erheblichem Gewicht waren oder erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt haben. Für Letzteres ist ausreichend, dass an die Ermittlungsergebnisse nach Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden kann.

Zur Frage, ob eine überlange Verfahrensdauer zur Verwirkung von Steueransprüchen führen kann.

BFH Beschluss vom 31.08.2011 – IB 9/11 BFHNV 2011 S. 2010

Begründung:

Das FG ist zum einen davon ausgegangen, dass nach der Rechtsprechung des BFH das Merkmal des Beginns der Außenprüfung (§ 171 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AO) zwar bereits mit der ersten ernsthaften und qualifizierten Ermittlungshandlung (z.B. ein informatives Gespräch oder das Verlangen nach Auskünften und Unterlagen) gegeben sei, bei der weiteren Frage jedoch, ob eine Prüfung unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen worden sei (§ 171 Abs. 4 Satz 2 AO), die vor der Prüfungsunterbrechung vorgenommenen Handlungen zu gewichten seien. Folge hiervon ist, dass eine Außenprüfung nur dann nicht mehr unmittelbar nach Beginn unterbrochen ist, wenn die bis zur Unterbrechung vorgenommenen Prüfungshandlungen entweder bezogen auf den gesamten Prüfungsstoff nach Umfang und zeitlichem Aufwand ein erhebliches Gewicht erreicht oder erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt haben. Letzteres bedeutet allerdings nicht, dass die ermittelten Ergebnisse geeignet sein müssen, unmittelbar als Besteuerungsgrundlage Eingang in einen Steuer- oder Feststellungsbescheid zu finden; ausreichend ist vielmehr, dass Ermittlungsergebnisse vorliegen, an die bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden kann.

Soweit die Vorinstanz insoweit den Streitfall dahin gewürdigt hat, dass die Prüfung bereits vor der Prüferanfrage 1 (am 22. April 1998) durch informative Gespräche des Prüfers mit den Vertretern der Steuerabteilung begonnen habe und diese Würdigung nicht nur durch die Übergabe einer Excel-Tabelle am 31. März 1998 gestützt werde, sondern zugleich auch erkläre, weshalb der Prüfer bereits am 23./27. April 1998 eine weitere Excel-Tabelle sowie einen Vermerk der A-AG zu dieser Anfrage erhalten habe, ist der Senat an diese tatsächliche Feststellung gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Gleiches gilt für die Würdigung der Vorinstanz, dass bereits die in die Prüferanfrage 1 eingegangenen Feststellungen betreffend die fehlende Abstimmung der bewirkten Gewinnausschüttungen mit den tatsächlichen vEK-Beständen angesichts der hiermit verbundenen erheblichen steuerlichen Auswirkungen als verwertbares Ergebnis zu qualifizieren seien, die eine Prüfungsunterbrechung unmittelbar nach ihrem Beginn (§ 171 Abs. 4 Satz 2 AO; s.o.) ausschlössen.

 

Festsetzung eines Verzögerungsgeldes im Rahmen einer Außenprüfung

Kommt ein Steuerpflichtiger einer Aufforderung des Finanzamts zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. von § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer angemessenen Frist nicht nach, kann ein Verzögerungsgeld gem. § 146 Abs. 2b AO verhängt werde.

BFH Beschluss vom 28.06.2011 – X B 37/11 BFHNV 2011 S.1833

Begründung:

Nach der Regelung des § 146 Abs. 2b AO kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 EUR bis 250.000 EUR festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt oder er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde ins Ausland verlagert.

Über diesen direkten Normzusammenhang hinaus kann nach dem zuvor dargelegten Wortlaut ein Verzögerungsgeld aber auch dann verhängt werden, wenn ein Steuerpflichtiger einer Aufforderung des Finanzamtes zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. von § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer angemessenen Frist nicht nachkommt.

Es erscheint zwar systematisch missglückt, die Regelung des Verzögerungsgeldes, wegen der Verletzung von Mitwirkungspflichten bei einer Außenprüfung mit einem Verzögerungsgeld im Zusammenhang mit anderen Verpflichtungen zu verbinden. Sie hätte, worauf Drüen in Tipke/Kruse (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 146 AO Rz 51) zutreffend hinweist, besser in § 200 AO verortet werden sollen. Angesichts des eindeutigen Wortlauts kann aber allein aus der unzureichenden systematischen Verortung nicht darauf geschlossen werden, ein Verzögerungsgeld dürfe nur im Zusammenhang mit einer ohne Bewilligung der Finanzbehörde erfolgten Verlagerung der Buchführung ins Ausland oder einer unterbliebenen Rückverlagerung der Buchführung aus dem Ausland festgesetzt werden (so aber Drüen in Tipke/ Kruse, a.a.O.). Dieses Normverständnis wird durch die Gesetzesbegründung gestützt. Danach soll das Verzögerungsgeld im Falle der Verletzung von Mitwirkungspflichten gleichermaßen gelten, um eine Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die ihre Bücher und sonstigen Aufzeichnungen im Ausland führen, gegenüber solchen Steuerpflichtigen, die dies im Inland tun, zu vermeiden (vgl. BTDrucks 16/10189, S. 81). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob eine Erstreckung des Verzögerungsgeldes auch auf Fälle sonstiger Mitwirkungsverletzungen aus Gründen der Gleichbehandlung überhaupt erforderlich gewesen wäre.

Der Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO ist vorliegend erfüllt. Die Außenprüfung gegenüber dem Antragsteller wurde mit Bescheid vom 9. September 2008 angeordnet und sollte Mitte/Ende September 2008 beginnen. Der Antragsteller hat die Prüfungsanordnung nicht angefochten. Auf seinen Wunsch hin wurde der Prüfungsbeginn jedoch mehrmals verschoben. Schließlich sollte sie am 8. März 2010 beginnen.

Das FA durfte deshalb den Antragsteller auffordern, die für die Prüfung erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Dies geschah mit Schreiben vom 23. Oktober 2008, dem Antragsteller zusätzlich in Kopie ausgehändigt am 14. November 2008, und mit einem nahezu wörtlich identischen Schreiben vom 7. Januar 2010. Die noch im Januar 2010 eingeräumte Frist zur Vorlage der Unterlagen bis 1. März 2010 bzw. letztlich bis 8. März 2010 war angemessen.