Ausnahme vom strengen sachenrechtlichen Objektbegriff beim gewerblichen Grundstückshandel

Ein Objekt im Sinne der für den gewerblichen Grundstückshandel geltenden Drei-Objekt-Grenze ist grundsätzlich jedes sachenrechtlich selbständig veräußerbare und nutzbare Immobilienobjekt. Ein Miteigentumsanteil, der mit dem Sondereigentum an mehreren Wohnungen verbunden ist, ist daher grundsätzlich als nur ein einziges Objekt anzusehen.
Ausnahmsweise können in einem solchen Fall bei Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise jedoch mehrere Objekte gegeben sein. Dies gilt beispielsweise, wenn der Miteigentumsanteil noch am Tage seines Verkaufs sachenrechtlich weiter in mehrere einzelne Miteigentumsanteile, verbunden mit dem Sondereigentum an jeweils einer einzelnen Wohnung, unterteilt wird, der Kaufpreis bereits im Verkaufsvertrag auf die einzelnen Wohnungen aufgeteilt wird, für jede einzelne Wohnung eine mietvertragsfreie Übertragung als Hauptleistungspflicht vereinbart wird und die Fälligkeit des der einzelnen Wohnung zugeordneten Teilkaufpreises an den Zeitpunkt der Mieterfreiheit der jeweiligen Wohnung geknüpft wird.
In einen gewerblichen Grundstückshandel sind grundsätzlich solche Objekte einzubeziehen, die innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs von in der Regel fünf Jahren seit ihrer Anschaffung veräußert werden. Eine geringfügige Überschreitung dieses Zeitraums steht der Einbeziehung des Objekts nicht entgegen, wenn die Veräußerung bereits innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums erkennbar vorbereitet worden ist (z.B. durch die Erstellung von Aufteilungsplänen und die Erteilung einer Abgeschlossenheitsbescheinigung).
BFH Urteil vom 21.07.2016 – X R 56-57/14 BFH/NV 2017, 481

Sachverhalt:
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde mit seiner Ehefrau im Streitjahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Er war als Rechtsanwalt tätig.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 14. Mai 1996 hatte der Kläger zwei aneinandergrenzende Grundstücke in R (Objekte O1 und O2) erworben. Er veräußerte die Grundstücke mit Vertrag vom 30. Dezember 1998 an die GmbH. Voraussetzung für die Zahlung der Kaufpreise war die Erfüllung verschiedener Voraussetzungen. Erst nach der Kaufpreiszahlung sollte der Besitz übergehen. Dies geschah am 30. Dezember 1999.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) wertete aufgrund einer steuerlichen Außenprüfung die Verkäufe der Objekte O1 und O2 als solche im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels und setzte gewerbliche Einkünfte des Klägers für das dem Streitjahr vorangehende Jahr 1998 an. Daneben erließ es u.a. einen entsprechenden Gewerbesteuermessbescheid für 1998.
Aus Sicht des FA ergab sich das Vorliegen dieses gewerblichen Grundstückshandels aus der Zusammenschau mit den folgenden Grundstücksgeschäften des Klägers in den Nachstreitjahren.
Am 15. Oktober 2001 veräußerte der Kläger ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Erbbaurecht (Objekt O3). Dieses hatte der Kläger mit Kaufvertrag vom 1. Juli 1996 erworben und an die damalige Verkäuferin vermietet.
Außerdem veräußerte der Kläger am 14. Mai 2002 zwei Miteigentumsanteile sowie das damit verbundene Sondereigentum an zwei zusammenhängenden Grundstücken in F (Objekt O4). Mit notariellen Verträgen vom 21. Februar 1997 bzw. vom 22. Februar 1997 hatte der Kläger beide Miteigentumsanteile sowie das damit jeweils verbundene Sondereigentum an der gesamten Liegenschaft erworben. Durch die Teilungserklärung vom 5. Mai 1964 war das Grundstück in zwei unterschiedlich große Miteigentumsanteile aufgeteilt worden. Der mit Vertrag vom 21. Februar 1997 erworbene Miteigentumsanteil in Höhe von 2/3 war dabei mit dem Sondereigentum an den im Aufteilungsplan mit den Nummern 2, 3, 4 und 5 bezeichneten vier Wohnungen verbunden (Objekt O4). Der mit Vertrag vom 22. Februar 1997 erworbene Miteigentumsanteil in Höhe der restlichen 1/3 betraf das Sondereigentum an den im Aufteilungsplan mit der Nummer 1 bezeichneten nicht Wohnzwecken dienenden Räumlichkeiten (Objekt O5). In der Folgezeit vermietete der Kläger (nur) das Objekt O4 an verschiedene Mieter.
Am 14. Mai 2002 änderte der Kläger zunächst die Teilungserklärung aus 1964 dahingehend, dass er den 1/3 Miteigentumsanteil (Objekt O5) auf 164/1 000 minderte und den 2/3 Miteigentumsanteil (Objekt O4) auf 836/1 000 erhöhte. Sodann verkaufte er in dieser Urkunde das Objekt O4 für insgesamt 433.000 EUR. Den Kaufpreis teilten die Vertragsparteien auf die vier Wohnungen auf. Der jeweilige Teilkaufpreis war binnen zwei Wochen nach Räumung durch den Mieter der jeweiligen Wohnung, spätestens jedoch am 15. November 2002, fällig. Der Kläger verpflichtete sich im Rahmen einer Hauptpflicht, dafür Sorge zu tragen, dass die Mietverhältnisse bis zum 15. November 2002 beendet seien. Außerdem erklärten die Vertragsparteien in der nachfolgenden Urkunde die Aufteilung des 836/1 000 Miteigentumsanteils in vier Miteigentumsanteile, die jeweils mit dem Sondereigentum an einer Wohnung verbunden waren. Diese Aufteilung erfolgte aufgrund von Aufteilungsplänen und Abgeschlossenheitsbescheinigungen der Stadt F, jeweils vom 5. Juli 2001.
Im Rahmen der Streitigkeiten über die Erfassung der gewerblichen Einkünfte aus der Veräußerung der beiden Objekte O1 und O2, die sowohl das Jahr 1998 als auch das Streitjahr betrafen, lehnte der Kläger die Rücknahme des Einspruchs gegen den Einkommensteueränderungsbescheid für 1998 ab, da nach seiner Ansicht das wirtschaftliche Eigentum an diesen Grundstücken erst nach der Kaufpreiszahlung und damit im Streitjahr übergegangen sei. Dem folgte das FA. Es berücksichtigte deshalb durch Einkommensteueränderungsbescheid vom 18. November 2011 den Gewinn aus dem gewerblichen Grundstückshandel nicht mehr im Jahr 1998, sondern im Streitjahr und änderte dementsprechend die bereits bestandskräftige Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr. Hierfür erließ das FA zunächst einen Änderungsbescheid, den es auf die Korrekturvorschrift des § 173 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) stützte. Nachdem das FA (auch) diesen Änderungsbescheid aufgehoben hatte, änderte es mit Bescheid vom 28. Dezember 2011 stattdessen die Einkommensteuerfestsetzung nach § 174 Abs. 4 AO. Gemäß § 35b des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) führte das FA die entsprechenden Änderungen hinsichtlich der Gewerbesteuermessbescheide für 1998 und das Streitjahr durch.
Begründung:
Die gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Revisionen sind als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Trotz der grundsätzlich gegebenen strengen sachenrechtlichen Qualifikation des Objektbegriffs beim gewerblichen Grundstückshandel ist das FG aufgrund seiner Feststellungen zu Recht beim Verkauf des 836/1 000 Miteigentumsanteils in Freiburg (Objekt O4) von einer Veräußerung von insgesamt vier Objekten ausgegangen (unter 1.). Vorliegend ist unschädlich, dass diese Veräußerung erst fünf Jahre und drei Monate nach dem Erwerb erfolgte (unter 2.). Die Gewinne aus der Veräußerung der zwei Grundstücke in R (Objekte O1 und O2) sind damit im Streitjahr zu versteuern, die Einkommensteuerfestsetzung ist nach § 174 Abs. 4 AO zu korrigieren (unter 3.). Gemäß § 35b Abs. 1 Satz 1 GewStG war folglich auch der Gewerbesteuermessbescheid für das Streitjahr entsprechend zu ändern (unter 4.). Verfahrensfehler liegen nicht vor (unter 5.).
Im Streitfall ist ein gewerblicher Grundstückshandel des Klägers anzunehmen, weil er am Tag der Veräußerung, wenn auch nicht in der gleichen Urkunde, zusätzlich die Aufteilung des Sondereigentums des Objekts O4 vereinbart und sich darüber hinaus als Verkäufer verpflichtet hat, die bis dahin vermieteten vier Wohnungen geräumt zu übergeben. Zu Recht geht das FG deshalb von einer Ausnahme zum ansonsten anzuwendenden strengen sachenrechtlichen Objektbegriff aus und hat diesen Vorgang als Veräußerung von vier Objekten gewertet.
Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist ein Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal muss hinzukommen, dass die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung überschritten sind.
Dass der Kläger sich auf dem Grundstücksmarkt selbständig und mit Gewinnerzielungsabsicht betätigt und am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen hat, steht zweifelsfrei fest und ist auch zwischen den Beteiligten nicht umstritten.
Darüber hinaus ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger die Grenze der privaten Vermögensverwaltung überschritten hat. Es hat unter Beachtung der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach im Interesse einer sachlich zutreffenden Besteuerung des Gesellschafters alle ihm zuzurechnenden Tätigkeiten auf dem Gebiet des Grundstückshandels in eine Gesamtwürdigung nach Maßgabe des jeweils einschlägigen Steuertatbestands (hier: § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG) einzubeziehen sind eine Ausnahme vom sachenrechtlichen Objektbegriff angenommen und ist so zu einer Überschreitung der sog. Drei-Objekt-Grenze gelangt.
In der Regel liegt ein gewerblicher Grundstückshandel vor, wenn mehr als drei Objekte innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs von in der Regel fünf Jahren ab Anschaffung veräußert werden.
Selbständiges Objekt im Sinne der Drei-Objekt-Grenze beim gewerblichen Grundstückshandel ist grundsätzlich jedes selbständig veräußerbare und nutzbare Immobilienobjekt (Grundstück, grundstücksgleiches Recht oder Recht nach dem Wohnungseigentumsgesetz) und zwar unabhängig von seiner Größe, seinem Wert und anderen. Dabei folgt die selbständige Veräußerbarkeit nach der ständigen Rechtsprechung grundsätzlich der sachenrechtlichen Qualifikation. Allerdings wird diese an das bürgerliche Recht anknüpfende Bestimmung des “Objekts” durch wirtschaftliche Gesichtspunkte unter Beachtung der Verkehrsanschauung geprägt.
Hiervon ausgehend hat der IV. Senat des BFH in seinem das Vorliegen mehrerer Objekte bereits dann angenommen, wenn
– gleichzeitig mit dem Kaufvertrag das Grundstück durch Teilungserklärung in Miteigentumsanteile verbunden mit 21 Wohnungseigentums- und vier gewerblichen Teileigentumseinheiten aufgeteilt wird,
– dies in der gleichen Urkunde erfolgt,
– die Vorbereitungen für die Aufteilung bereits bei Vertragsabschluss abgeschlossen waren
– und der Verkäufer sich in einer unmittelbar vorausgehenden Urkunde vom gleichen Tag verpflichtet, diejenigen Wohneinheiten zurückzuerwerben, die nicht innerhalb der folgenden fünf Tage durch wirksame Kaufverträge an Dritte weiterveräußert werden können.
Eine vergleichbare Ausnahme von der grundsätzlich anzunehmenden strengen sachenrechtlichen Qualifikation des Objektbegriffs hat das FG im vorliegenden Fall unter Beachtung wirtschaftlicher Gesichtspunkte und der Verkehrsanschauung angenommen. Dieser Würdigung schließt sich der Senat an.
(1) Hierfür spricht:
– die frühzeitige Erstellung der Aufteilungspläne und die Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung zeitlich weit vor dem Verkaufsvertrag,
– die bereits im Verkaufsvertrag vorgenommene Aufteilung des Kaufpreises auf die einzelnen Wohnungen,
– die Gewährleistung einer “mietvertragsfreien Übertragung”, die auf die einzelne Eigentumswohnung bezogen war,
– die schon im Kaufvertrag geregelte Abhängigkeit der Kaufpreiszahlung vom Besitzübergang, die sich ebenfalls auf die einzelne Wohnung bezog. Damit war diese Kaufpreiszahlung für jede Wohnung zu jeweils unterschiedlichen Zeitpunkten zu erwarten, weil sie von der individuellen Mieterfreiheit abhängig war.
Die hier vereinbarte Gewährleistungspflicht ist wie eine Rückkaufverpflichtung zu sehen, da sie von den Vertragsparteien ausdrücklich zur Hauptpflicht erklärt worden ist. Damit kommt sie in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung einer Rückkaufverpflichtung gleich.
Somit konnte das FG im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung zu dem Ergebnis kommen, dass insgesamt vier Objekte durch den Vertrag vom 14. Mai 2002 veräußert worden sind. Diese vertretbare Würdigung der tatsächlichen Feststellungen bindet den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO. Die Bindungswirkung würde nur entfallen, wenn die Auslegung des FG anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzte, was hier nicht der Fall ist.
Soweit der Kläger meint, das FG habe verkannt, dass es weder ihm noch dem Käufer des Grundstücks darauf angekommen sei, ob eine oder vier Wohnungen veräußert werden sollten, und deshalb § 1 des Kaufvertrags nicht berücksichtigt, macht er lediglich eine andere Würdigung der Gesamtumstände geltend, die nicht zwingend ist. Es ist gerade die tatrichterliche Aufgabe des FG, anhand der aus seiner Sicht relevanten Indizien den Sachverhalt zu bewerten. Diesem kam es erkennbar nicht darauf an, warum die notarielle Beurkundung am gleichen Tag erfolgte. Entscheidend aus Sicht des FG war vielmehr die vorliegende Konkretisierung des Veräußerungsvorgangs auf jede einzelne Wohnung. Einer besonderen Würdigung des Schreibens vom 26. März 2002, wie vom Kläger verlangt, bedurfte es somit schon mangels Erheblichkeit nicht.
Unschädlich ist im vorliegenden Fall, dass diese vier Objekte innerhalb von fünf Jahren und drei Monaten nach dem Erwerb veräußert worden sind. Der von der Rechtsprechung für einen engen zeitlichen Zusammenhang herangezogene Zeitraum von fünf Jahren ab Anschaffung. Eine (geringfügige) Überschreitung kann insbesondere bei Vorliegen anderer Anhaltspunkte unbeachtlich sein. Jedenfalls, wenn wie hier die Erstellung der Aufteilungspläne und die Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums erfolgte, ist eine Überschreitung dieses Zeitraums um drei Monate als unbeachtlich anzusehen. Dabei ist auch ohne Belang, ob der Kläger diese Maßnahmen selbst veranlasst hat oder nicht. Er hat sie jedenfalls geduldet und hat sie sich als Eigentümer daher zurechnen zu lassen. Damit ist seine bedingte Veräußerungsabsicht innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums klar nach außen getreten.
Die beiden Objekte O1 und O2 wurden somit im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels veräußert. Die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr, bei der insoweit Gewinne aus Gewerbebetrieb angesetzt wurden, war nach § 174 Abs. 4 AO zu ändern.
Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. Nach § 174 Abs. 4 Satz 4 AO gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Abs. 3 Satz 1, wenn die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen war, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde.
Eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung nach § 174 Abs. 4 AO ist insbesondere dann bereits möglich, wenn aufgrund eines Antrags des Steuerpflichtigen im Rahmen eines Einspruchsverfahrens die Steuerfestsetzung eines anderen Veranlagungszeitraums geändert worden ist. Obsiegt der Steuerpflichtige mit einem gewissen Rechtsstandpunkt –hier der Ansicht zum Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums der fraglichen Grundstücke–, so ist er an seiner Auffassung festzuhalten, soweit derselbe Sachverhalt zu beurteilen ist. Er muss somit auch die mit seiner Rechtsansicht verbundenen Nachteile hinnehmen. § 174 Abs. 4 AO stellt deshalb eine besondere gesetzliche Ausformung des Grundsatzes von Treu und Glauben dar. § 174 Abs. 4 AO gibt dem FA das Recht, die materiell richtigen Schlüsse aus dem nämlichen Sachverhalt im (richtigen) Veranlagungszeitraum zu ziehen und die Bestandskraft der Veranlagung zu durchbrechen.
Dabei setzt die Anwendung des § 174 Abs. 4 AO voraus, dass die Finanzbehörde den Sachverhalt überhaupt zur Kenntnis nimmt. Sie trägt die Beweislast dafür, dass die fehlerhafte Erfassung des Sachverhalts auf einer irrigen Beurteilung beruht (vgl. nur Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 46, m.w.N.).
Alle Voraussetzungen der Änderungsvorschrift des § 174 Abs. 4 AO waren im Streitfall erfüllt und führen dazu, dass der Gewinn aus der Veräußerung der fraglichen Grundstücke erst im Streitjahr anzusetzen ist.
Der steuererhebliche Sachverhalt wurde zunächst fehlerhaft dem Veranlagungszeitraum 1998 zugeordnet. Da das FA dem Einspruch gegen den Einkommensteueränderungsbescheid für 1998 stattgegeben und diesen Bescheid aufgehoben hat, hatte es nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO die richtigen steuerlichen Folgen im Streitjahr zu ziehen und die Einkommensteuerfestsetzung entsprechend zu ändern. Diese Änderung ist innerhalb der sich aus § 174 Abs. 4 Satz 3 AO ergebenden Festsetzungsfrist vorgenommen worden.
Da das FA den Verkauf der beiden Objekte O1 und O2 zunächst im Jahr 1998 ansetzte, brachte es zum Ausdruck, dass es diesen Sachverhalt zur Kenntnis genommen hat. Denn der relevante Sachverhalt ist der Verkauf der Objekte als solcher. Gleichzeitig wird hiermit deutlich, dass das FA im Rahmen seiner Würdigung des Verkaufs den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums fehlerhaft erfasst hat. Wie das FG hat der Senat deshalb keine Zweifel daran, dass es vorliegend nicht um einen Fall der fehlenden Kenntnis des FA geht. Es handelt sich erkennbar um den Fall der irrigen Beurteilung dieses Sachverhalts.