Der Anspruch auf Tantiemen wird mit Feststellung des Jahresabschlusses fällig, sofern nicht zivilrechtlich wirksam und fremdüblich eine andere Fälligkeit vertraglich vereinbart ist.
BFH Urteil vom 3.2.2011, VI R 66/09
Begründung:
Der BFH geht jedoch in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern ein Zufluss von Einnahmen auch ohne Zahlung oder Gutschrift bereits früher vorliegen kann. Danach fließt dem alleinigen oder jedenfalls beherrschenden Gesellschafter eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen "seine" Kapitalgesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zu, denn ein beherrschender Gesellschafter hat es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist. Allerdings werden von dieser Zuflussfiktion nur Gehaltsbeträge und sonstige Vergütungen erfasst, die die Kapitalgesellschaft den sie beherrschenden Gesellschaftern schuldet und die sich bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft ausgewirkt haben. Fällig wird der Anspruch auf Tantiemen erst mit Feststellung des Jahresabschlusses, sofern die Vertragsparteien nicht zivilrechtlich wirksam und fremdüblich eine andere Fälligkeit im Anstellungsvertrag vereinbaren.
Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Unrecht einen Zufluss der Tantiemen bereits zu den Zeitpunkten der Beschlüsse über den Jahresabschluss angenommen. Insoweit fehlen tatsächliche Feststellungen darüber, ob sich die Tantiemeverpflichtungen der Klägerin in deren Bilanzen zum 31. Dezember 2003 bzw. 31. Dezember 2004 gewinnmindernd ausgewirkt haben. Dies wäre etwa der Fall, wenn Rückstellungen gebildet worden sind. Erst wenn eine solche Gewinnminderung bei der Klägerin festgestellt wird, wäre die Zuflussfiktion für den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer anzuwenden. Unabhängig davon ist das FG aber unzutreffend von einer Fälligkeit der Tantiemen zum Zeitpunkt des Beschlusses über den Jahresüberschuss ausgegangen. Denn vorliegend waren die Tantiemeforderungen des G jeweils erst drei Monate nach der Feststellung des Jahresüberschusses fällig. Dies folgt aus dem Anstellungsvertrag zwischen der Klägerin und G. Diese vom Grundfall abweichende Fälligkeitsvereinbarung ist zivilrechtlich wirksam. Die zivilrechtlichen Regelungen in einem Anstellungsvertrag zwischen einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer und "seiner" Kapitalgesellschaft sind grundsätzlich auch im Steuerrecht beachtlich.
Zudem war die Vereinbarung bezüglich der Fälligkeit der Tantieme fremdüblich. Die Fremdüblichkeit einer derartigen Vereinbarung bestimmt sich nach den Grundsätzen über die verdeckte Gewinnausschüttung. Danach ergibt sich hier keine Unbeachtlichkeit der vertraglichen Regelung. Denn die Vereinbarung zwischen G und der Klägerin war arbeitsrechtlich und nicht gesellschaftsrechtlich veranlasst. Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung ist u.a. dann anzunehmen, wenn die Tantiemevereinbarung zwar für die Gesellschaft günstig ist, aber ein fremder Geschäftspartner in seinem eigenen Interesse die Vereinbarung nicht getroffen hätte. Vorliegend hätte sich jedoch auch ein fremder Geschäftsführer bei sonst gleichen Umständen auf die konkrete Tantiemevereinbarung eingelassen. Denn üblicherweise benötigte die Gesellschaft bei höheren Tantiemen Zeit, um die Liquidität für die Auszahlung herzustellen. Drei Monate sind dafür (noch) keine unangemessen lange Zeitspanne.