Einkünftemindernde Berücksichtigung von Fahrtkosten beim Kindergeld bei fehlender regelmäßigen Arbeitsstätte

Bauausführungen oder Montagen sind keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG.

BFH Urteil vom 11.07.2013 – VI R 62/12 BFH/NV 2014, 147

 

Begründung:

Das FG hat das Feriendorf zu Unrecht als regelmäßige Arbeitsstätte des A angesehen. Für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat und sich in Ausbildung befindet, besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ein Anspruch auf Kindergeld nur, wenn das Kind Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 13.020 DM im Kalenderjahr hat. Der Begriff der Einkünfte entspricht dem in § 2 Abs. 2 EStG gesetzlich definierten Begriff und ist je nach Einkunftsart als Gewinn oder als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu verstehen. Erzielt das Kind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sind daher von den Bruttoeinnahmen die Werbungskosten abzuziehen

Darüber hinaus sind nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Wege verfassungskonformer Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG Einkünfte, ebenso wie die Bezüge, nur zu berücksichtigen, soweit sie zur Bestreitung des Unterhalts und der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind. Es ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, welche Teile der Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 2 EStG wegen eines sonst vorliegenden Grundrechtsverstoßes im Wege verfassungskonformer Einschränkung nicht angesetzt werden dürfen.

Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Aufwendungen, die objektiv durch die berufliche Tätigkeit veranlasst sind und die subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Hierzu können auch Fahrtkosten gehören. Sie sind grundsätzlich in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen. Kosten für Fahrten mit einem eigenen oder zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeug sind jedoch nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nur pauschal mit 0,70 DM für jeden Kilometer zu berücksichtigen, soweit es sich um Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte handelt.

Eine regelmäßige Arbeitsstätte kann nur eine ortsfeste, dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers sein, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder aufsucht. Regelmäßig handelt es sich dabei um den Betrieb des Arbeitgebers oder einen Zweigbetrieb, nicht aber um die Tätigkeitsstätte in einer betrieblichen Einrichtung des Kunden des Arbeitgebers.

Ist der Arbeitnehmer nicht an einer solchen dauerhaften betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers tätig, liegt regelmäßig eine Auswärtstätigkeit vor mit der Folge, dass die Kosten für beruflich veranlasste Fahrten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG uneingeschränkt zum Abzug zuzulassen sind.

Entgegen der Auffassung des FG sind Bauausführungen oder Montagen (§ 12 Satz 2 AO) keine regelmäßigen Arbeitsstätten i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Zwar kann auch eine Betriebsstätte des Arbeitgebers die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllen. Es muss sich dabei jedoch um eine dauerhafte betriebliche Einrichtung handeln, die die Voraussetzungen des § 12 Satz 1 AO erfüllt. Das setzt u.a. eine nicht nur vorübergehende Verfügungsbefugnis

Das FG wird im zweiten Rechtsgang zunächst zu prüfen haben, ob das Feriendorf nach den genannten Grundsätzen eine betriebliche Einrichtung des A war. Ist das zu verneinen, sind die Kosten für die Fahrten des S von seiner Wohnung dorthin in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen. Das FG hat allerdings keine Feststellungen zur Höhe dieser Aufwendungen getroffen. Die diesbezüglichen Feststellungen wird es im zweiten Rechtsgang ebenso nachzuholen haben wie Feststellungen zur Höhe der übrigen geltend gemachten Werbungskosten einschließlich ggf. angefallener Verpflegungsmehraufwendungen, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen insoweit vorliegen (§ 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG).

Das FG geht offensichtlich davon aus, dass sich S im fraglichen Zeitraum in Ausbildung befand. Zwar hat die Vorinstanz dieses Ergebnis nicht näher begründet. Sie hat allerdings festgestellt, dass S "innerhalb" der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme seine Ausbildung abgeschlossen hat. Der Senat schließt sich dieser auch von den Beteiligten getragenen Auffassung an.