Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Übertragung eines vermieteten Bürogebäudekomplexes durch einen Bauträger

Die Übertragung eines vermieteten Grundstücks führt zu einer nicht umsatzsteuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen, wenn der Erwerber durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in bestehende Mietverträge vom Veräußerer ein Vermietungsunternehmen übernimmt.

Das ist auch dann der Fall, wenn der Veräußerer ein Bauträger ist, der ein Gebäude erworben, saniert, weitgehend vermietet und sodann veräußert hat, falls im Zeitpunkt der Veräußerung infolge einer nachhaltigen Vermietungstätigkeit beim Veräußerer ein Vermietungsunternehmen vorliegt, das vom Erwerber fortgeführt wird.

 BUNDESFINANZHOF Urteil vom 12.8.2015, XI R 16/14Sachverhalt:

Sachverhalt

Die Veräußerin hatte das Objekt 2001 erworben sowie in den Jahren 2001 und 2002 erweitert und saniert. Die Baumaßnahmen waren mit Ausnahme der Innenausbauten im Februar 2002 fertiggestellt. Die Vermietung erfolgte ab Februar 2003. Ende 2003 waren 52 % der Gesamtnutzfläche vermietet. Im Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme mit der Klägerin im Oktober 2005 hatte die Veräußerin bereits 80 % der Gesamtflächen vermietet; beim Verkauf des Objekts im Januar 2006 waren es 90 %. Die bestehenden Mietverhältnisse wurden von der Klägerin fortgeführt.

Begründung:

Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG nicht der Umsatzsteuer. § 1 Abs. 1a UStG setzt voraus, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird (§ 1 Abs. 1a Satz 2 UStG). Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers (§ 1 Abs. 1a Satz 3 UStG).

Die Vorschrift bezweckt, die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu erleichtern und zu vereinfachen, und erfasst dementsprechend die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der Erwerber muss dabei beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben; nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit.

Das FG ist von diesen Grundsätzen ausgegangen und hat zu Recht entschieden, dass im Streitfall die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S. von § 1 Abs. 1a UStG erfüllt waren.

Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Übertragung eines vermieteten Bürogebäudekomplexes durch einen Bauträger

Die Übertragung eines vermieteten Grundstücks führt zu einer nicht umsatzsteuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen, wenn der Erwerber durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in bestehende Mietverträge vom Veräußerer ein Vermietungsunternehmen übernimmt.

Das ist auch dann der Fall, wenn der Veräußerer ein Bauträger ist, der ein Gebäude erworben, saniert, weitgehend vermietet und sodann veräußert hat, falls im Zeitpunkt der Veräußerung infolge einer nachhaltigen Vermietungstätigkeit beim Veräußerer ein Vermietungsunternehmen vorliegt, das vom Erwerber fortgeführt wird.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 12.8.2015, XI R 16/14

Sachverhalt:

Die Gesellschaft erwarb mit notariellem Vertrag vom 16. Januar 2006 (Grundstückskaufvertrag) im Inland einen Bürogebäudekomplex. Voreigentümerin und Veräußerin des Objekts war die “Gesellschaft bürgerlichen Rechts X” (Veräußerin), deren Gesellschafter die “A-GmbH” (Beigeladene zu 1.), sowie die “B-AG” (Beigeladene zu 2.) waren. Die Veräußerin war eine sog. Objektgesellschaft; ihr Zweck war der Erwerb, die Sanierung, die langfristige Vermietung und der Verkauf des Objekts – ihr einziger in ihrer Bilanz als Vorratsvermögen ausgewiesener Vermögensgegenstand.

Begründung:

.Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG nicht der Umsatzsteuer. § 1 Abs. 1a UStG setzt voraus, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird (§ 1 Abs. 1a Satz 2 UStG). Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers (§ 1 Abs. 1a Satz 3 UStG).

Für die Feststellung, ob ein Geschäft unter den Begriff der Übertragung eines Gesamtvermögens i.S. von Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG fällt, muss eine Gesamtwürdigung der für das betreffende Geschäft kennzeichnenden tatsächlichen Umstände vorgenommen werden. Dabei ist der Art der wirtschaftlichen Tätigkeit, deren Fortführung geplant ist, besondere Bedeutung zuzumessen.

Die Übertragung eines vermieteten Grundstücks führt dann zur Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S. von § 1 Abs. 1a UStG, wenn durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in den Mietvertrag ein Vermietungsunternehmen übernommen wird. Es liegt aber keine Geschäftsveräußerung im Ganzen in diesem Sinne vor, wenn –was Bauträger betrifft– die unternehmerische Tätigkeit des Veräußerers im Wesentlichen darin besteht, ein Gebäude zu errichten und Mieter/Pächter für die einzelnen Einheiten zu finden, um es im Anschluss an die Fertigstellung aufgrund bereits erfolgter Vermietung ertragssteigernd veräußern zu können.

Das FG ist von diesen Grundsätzen ausgegangen und hat zu Recht entschieden, dass im Streitfall die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S. von § 1 Abs. 1a UStG erfüllt waren.

Gegenstand der Übertragung war nach den unwidersprochenen Feststellungen des FG ein im Zeitpunkt der Veräußerung im Januar 2006 bereits seit zwei bis drei Jahren langfristig vermieteter Bürogebäudekomplex. Das FG hat hierzu ferner bindend i.S. von § 118 Abs. 2 FGO festgestellt, dass die Klägerin alle bestehenden Mietverhältnisse, wie von ihr beabsichtigt, fortgeführt hat.

Reverse charge im Baubereich

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob ein Bauträger Steuerschuldner gemäß § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG 2005 ist, wenn er eine von ihm bezogene bauwerksbezogene Werklieferung für nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Grundstückslieferungen, nicht aber zur Erbringung einer eigenen bauwerksbezogenen Werklieferung verwendet.

BFH Beschluss vom 05.02.2024 – V B 2/14 BFHNV 2014 S. 738f.

Begründung:

Entgegen dem Beschluss des FG bestehen ernstliche Zweifel an einer Steuerschuldnerschaft des Antragstellers gemäß § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG in seiner in den Streitjahren geltenden Fassung.

Nach dem Senatsurteil ist § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG entgegen Abschn. 182a Abs. 11 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 einschränkend dahingehend auszulegen, dass es für die Entstehung der Steuerschuld darauf ankommt, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet. Auf den Anteil der vom Leistungsempfänger ausgeführten bauwerksbezogenen Werklieferungen oder sonstigen Leistungen i.S. des § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG an den insgesamt von ihm erbrachten steuerbaren Umsätzen kommt es entgegen Abschn. 182a Abs. 10 UStR 2005 nicht an. Danach ist ein Bauträger nicht Steuerschuldner gemäß § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG, wenn er eine von ihm bezogene bauwerksbezogene Werklieferung für nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Grundstückslieferungen, nicht aber zur Erbringung einer eigenen bauwerksbezogenen Werklieferung verwendet.

Im Streitfall hat der Antragsteller die von ihm bezogenen bauwerksbezogenen Leistungen als Bauträger für nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Grundstückslieferungen verwendet. Es ist daher zumindest ernstlich zweifelhaft, ob er gemäß § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG in seiner in den Streitjahren geltenden Fassung Steuerschuldner für bauwerksbezogene Leistungen ist, die er als Leistungsempfänger bezogen hat.

Bauträger nicht Steuerschuldner gemäß § 13b UStG

§ 13b Abs. 2 Satz 2 UStG 2005 ist entgegen Abschn. 182a Abs. 11 UStR 2005 einschränkend dahingehend auszulegen, dass es für die Entstehung der Steuerschuld darauf ankommt, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet.

Auf den Anteil der vom Leistungsempfänger ausgeführten bauwerksbezogenen Werklieferungen oder sonstigen Leistungen i.S. des § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG 2005 an den insgesamt von ihm erbrachten steuerbaren Umsätzen kommt es entgegen Abschn. 182a Abs. 10 UStR 2005 nicht an.

BFH Urteil vom 22.8.2013, V R 37/10

Begründung(BFH):

Nach § 13b Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 2005 schuldet (ausnahmsweise) der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer bei bestimmten Bauleistungen, wenn er selbst Bauleistungen erbringt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 22. August 2013 (V R 37/10) den Anwendungsbereich der Vorschrift erheblich eingeschränkt und die dazu ergangene Anwendungsvorschrift der Finanzverwaltung (Abschnitt 182a der Umsatzsteuer-Richtlinie – UStR – 2005) in wesentlichen Punkten (Abschnitt 182a Abs. 10, Abs. 11 und Abs. 17 UStR) ausdrücklich verworfen. Der Leistungsempfänger ist nach dem Urteil nur dann Schuldner der Umsatzsteuer aus den von ihm beauftragten und unter die Vorschrift fallenden Bauleistungen, wenn er die an ihn erbrachten Leistungen seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet. Danach sind z.B. Bauträger für die von ihnen in Auftrag gegebenen Bauleistungen nicht mehr Schuldner der Umsatzsteuer.

Die Klägerin, ein Bauträger, hatte einen Generalunternehmer mit der Erstellung eines Gebäudes beauftragt und die von diesem nach Kündigung des Generalunternehmervertrags nicht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zunächst selbst erklärt und abgeführt. In ihrer Jahreserklärung gab sie an, keine nachhaltigen Bauleistungen erbracht zu haben (Abschnitt 182a Abs. 10 UStR 2005). Sie schulde deshalb die Umsatzsteuer nicht. Das Finanzamt hielt dem entgegen, die Klägerin habe sich mit dem Generalunternehmer darüber geeinigt, dass sie die Umsatzsteuer schulde (Abschnitt 182a Abs. 17 UStR 2005). Die Finanzverwaltung geht im Übrigen davon aus, dass der Empfänger einer Bauleistung schon dann seinerseits Bauleistungen im Sinne der Vorschrift (§ 13b UStG) erbringt, wenn zwischen den von ihm empfangenen und den von ihm erbrachten Leistungen kein unmittelbarer Zusammenhang besteht (Abschnitt 182a Abs. 11 UStR 2005). Die Klage hatte keinen Erfolg.

Der BFH hatte das Verfahren zunächst ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vorgelegt, um klären zu lassen, ob § 13b UStG mit dem Europarecht vereinbar sei. Der EuGH hat dies grundsätzlich bejaht (Urteil vom 13. Dezember 2012 C-395/11 BLV). Er hat aber die nationalen Gerichte dazu aufgefordert, bei der Anwendung der Vorschrift für Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit Sorge zu tragen.

Davon ausgehend hat der BFH nun die Auslegung der Vorschrift durch die Finanzverwaltung – soweit im Streitfall anwendbar – als nicht rechtssicher genug verworfen:

• Ob der Auftraggeber selbst nachhaltig Bauleistungen erbringe (Abschnitt 182a Abs. 10 UStR 2005) könne der Auftragnehmer nicht erkennen.

• Für zu weitgehend erachtet der BFH auch die Annahme, dass die Erbringung jedweder Bauleistungen durch den Auftraggeber ausreiche, ohne dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der empfangenen und der erbrachten Bauleistung bestehen müsse (Abschnitt 182a Abs. 11 UStR 2005).

Eine hinreichend sichere Handhabung der Vorschrift ist zur Überzeugung des BFH nur gewährleistet, wenn der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Leistung seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet. Dies könne der Auftragnehmer in der Regel erkennen.

Konkret bedeutet dies, dass Bauträger nicht mehr als Steuerschuldner nach § 13b UStG in Betracht kommen, denn Bauträger erbringen keine Bauleistung im Sinne der Vorschrift, sondern liefern bebaute Grundstücke. Das unterscheidet sie vom sog. Generalunternehmer, der an seinen Auftraggeber Bauleistungen erbringt und deshalb die Steuer (auch) für die von ihm in einer Leistungskette (von Subunternehmern) bezogenen Bauleistungen nach § 13b UStG schuldet. Die Revision der Klägerin hatte deshalb Erfolg.

Ist der Unternehmer sowohl als Bauträger als auch als Generalunternehmer tätig, kommt es auf die Verwendung der von ihm bezogenen Bauleistung an. Maßgeblich ist dann, ob der Unternehmer die Bauleistung für eine steuerfreie Grundstücksübertragung als Bauträger oder für eine eigene steuerpflichtige Bauleistung als Generalunternehmer verwendet.