Zuordnung des übertragenen Pauschbetrages für behinderte Menschen bei getrennter Veranlagung

Die Zuordnungsregelung in § 26a Abs. 2 EStG geht anderen Zuordnungsregeln vor. Der einem gemeinsamen Kind zustehende Behinderten-Pauschbetrag, der auf Antrag der Eltern vollständig einem von ihnen übertragen wurde, ist daher bei getrennter Veranlagung bei beiden Elternteilen je zur Hälfte abzuziehen.

BFH Urteil vom 19.4.2012, III R 1/11

Begründung:

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Sohn der Klägerin nach § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG ein Pauschbetrag für behinderte Menschen in Höhe von 3.700 EUR zusteht, der –da ihn der Sohn nicht in Anspruch nimmt– gemäß § 33b Abs. 5 EStG auf die Klägerin übertragen werden konnte, da sie für das Kind einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld (§§ 62 ff. EStG) erhält. Zwar steht der Pauschbetrag grundsätzlich beiden Elternteilen je zur Hälfte zu (§ 33b Abs. 5 Satz 2 EStG). Da auf deren gemeinsamen Antrag aber auch eine andere Aufteilung möglich ist (§ 33b Abs. 5 Satz 3 EStG), konnte er vollständig der Klägerin zugeordnet werden.

Der nach § 33b Abs. 5 Satz 3 EStG allein der Klägerin zugeordnete Pauschbetrag des Sohnes ist jedoch nach § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG bei der Klägerin und ihrem Ehemann jeweils zur Hälfte abzuziehen, da es sich bei § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG um die speziellere Zuordnungsregelung handelt.

Der Gesamtbetrag der Einkünfte und das Einkommen (§ 2 Abs. 3 und 4 EStG) werden bei getrennter Veranlagung für jeden Ehegatten individuell ermittelt. Steuervergünstigungen sind deshalb nur bei dem Ehegatten zu berücksichtigen, der die Voraussetzungen des Begünstigungstatbestandes erfüllt (Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach –HHR–, § 26a EStG Rz 36). Daher sind z.B. Sonderausgaben getrennt veranlagter Eheleute grundsätzlich nur bei demjenigen Ehegatten abzuziehen, der sie getragen hat und die Voraussetzungen für ihre steuerliche Berücksichtigung erfüllt.

Für einige Steuervergünstigungen normiert § 26a Abs. 2 EStG jedoch besondere Zuordnungsregeln. Als Sonderausgaben abziehbare Kinderbetreuungskosten (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 und 8 EStG) sowie außergewöhnliche Belastungen (§§ 33 bis 33b EStG) werden nach § 26a Abs. 2 Satz 1 EStG bei den getrennt veranlagten Ehegatten jeweils zur Hälfte abgezogen, "wenn die Ehegatten nicht gemeinsam eine andere Aufteilung beantragen". Dasselbe gilt nach § 26a Abs. 2 Satz 4 EStG für die Steuerermäßigung nach § 35a EStG (Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen). Auf die Frage, welcher Ehegatte den Begünstigungstatbestand erfüllt und wer die Aufwendungen getragen hat, kommt es dann nicht an. Die Zuordnungsregeln des § 26a Abs. 2 EStG beschränken sich auch nicht auf den Zeitraum, in dem die Ehegatten (schon oder noch) in einer Wirtschaftsgemeinschaft leben, sondern gelten auch für Aufwendungen in den Monaten vor ihrer Eheschließung oder nach ihrer dauernden Trennung. Daher sind z.B. allein der Mutter entstandene Kinderbetreuungskosten nicht bei ihr, sondern grundsätzlich bei beiden Ehegatten zur Hälfte abzuziehen; auf Antrag können sie stattdessen auch bei ihrem getrennt veranlagten Ehemann abgezogen werden. Dies gilt auch für Krankheitskosten eines behinderten Ehemanns (§ 33 Abs. 1 EStG) und einen ihm zustehenden Pauschbetrag nach § 33b EStG: Diese sind zur Hälfte bei seiner Ehefrau abzuziehen, wenn die Eheleute nichts anderes beantragen.

Der die nach § 33b Abs. 5 EStG übertragbaren Pauschbeträge betreffende § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG verdrängt ebenfalls anderweitige Zuordnungsregeln. Er bestimmt, dass die Pauschbeträge beiden Ehegatten zur Hälfte gewährt werden, ohne den Eheleuten eine andere Aufteilung zu ermöglichen. Nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut kann der der Klägerin zugeordnete Pauschbetrag bei ihr mithin lediglich zur Hälfte abgezogen werden; das freie Zuordnungsrecht des § 33b Abs. 5 Satz 3 EStG ist bei getrennter Veranlagung der Elternteile wirkungslos.

 

Abzug von Unterhaltsaufwendungen für ein behindertes Kind

Unterhaltsaufwendungen sind nur dann zwangsläufig, wenn die unterhaltene Person außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Grundsätzlich ist das volljährige Kind verpflichtet, seinen Vermögensstamm im Rahmen des Zumutbaren zu verwerten, bevor es seine Eltern auf Unterhalt in Anspruch nimmt.

Ein schwerbehindertes Kind, das angesichts der Schwere und der Dauer seiner Erkrankung seinen Grundbedarf und behinderungsbedingten Mehrbedarf nicht selbst zu decken in der Lage ist, darf zur Altersvorsorge maßvoll Vermögen bilden (Anschluss an BFH-Urteil vom 30. Oktober 2008 III R 97/06, BFH/NV 2009, 728) .

Die das eigene Vermögen des Unterhaltsempfängers betreffende Bestimmung des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG kommt im Rahmen des § 33 EStG nicht eigens zur Anwendung .

Im Fall der Übertragung des Behinderten-Pauschbetrags kann der Steuerpflichtige Aufwendungen für sein behindertes Kind gemäß § 33 EStG zusätzlich abziehen .

Abzug von Unterhaltsaufwendungen für ein behindertes Kind ohne Verpflichtung, das zur Altersvorsorge gebildete Vermögen zu verwerten

BFH Urteil vom 11.02.10, VI R 61/08

Erläuterung:

Mit Urteil vom 11. Februar 2010 VI R 61/08 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass ein schwerbehindertes Kind, das seinen Grundbedarf und behinderungsbedingten Mehrbedarf nicht selbst zu decken in der Lage ist, ein zur Altersvorsorge gebildetes Vermögen nicht vor der Inanspruchnahme elterlichen Unterhalts verwerten muss. Die Eltern können die Unterhaltsaufwendungen deshalb als außergewöhnliche Belastungen bei ihrer Einkommensteuerfestsetzung abziehen.

Unterhaltsaufwendungen sind nur dann als außergewöhnliche Belastungen steuerlich abziehbar, wenn die unterhaltene Person außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Ein volljähriges Kind ist grundsätzlich verpflichtet, vorrangig seinen Vermögensstamm zu verwerten, bevor es seine Eltern auf Unterhalt in Anspruch nimmt. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Vermögensverwertung unzumutbar ist.

Im Streitfall ging es um den Abzug von Unterhaltskosten für ein seit Geburt schwerbehindertes Kind, das aufgrund einer Schenkung Eigentümer eines Mehrfamilienhauses ist. Das Finanzamt lehnte den Antrag der Eltern, die Kosten als außergewöhnliche Belastung in vollem Umfang zum Abzug zuzulassen, mit Verweis auf das Vermögen der Tochter ab. Das Finanzgericht folgte dem.

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab den Eltern dem Grunde nach Recht. Da ungewiss sei, ob das Kind stets seinen Unterhaltsbedarf durch Leistungen der Eltern werde decken können, hätte eine Altersvorsorge getroffen werden müssen. Diese sei hier angesichts der Schwere und Dauer der Krankheit noch maßvoll ausgefallen. Es wäre unzumutbar, vom Kind zu verlangen, den Stamm seines Vermögens schon jetzt anzugreifen.