Beleg- und Buchnachweis bei innergemeinschaftlicher Lieferung

Mit einer Rechnung, die nicht auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung hinweist, und fehlenden Aufzeichnungen über die Anschrift des Beauftragten des Abnehmers im Abholfall können der Belegnachweis nach § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV und der Buchnachweis gemäß § 17c Abs. 2 Nr. 2 UStDV nicht geführt werden.

BFH Urteil vom 15.02.2012 – XI R 43/10 BFHNV 2012 Seite 1188

Begründung:

Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei sein. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:"… 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerberund3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt. Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind.

Die Klägerin hat die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen. Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen. Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen"…
1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

Nach § 17c Abs. 2 UStDV soll der Unternehmer regelmäßig Folgendes aufzeichnen:"…
1. den Namen und die Anschrift des Abnehmers;
2. den Namen und die Anschrift des Beauftragten des Abnehmers bei einer Lieferung, die im Einzelhandel oder in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen Art und Weise erfolgt;…
3. den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet."

Im Streitfall hat die Klägerin den Beleg- und Buchnachweis nicht erbracht.

Die Klägerin hat über die Fahrzeuglieferung keine den §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung ausgestellt. Die Rechnung enthielt zwar keinen Steuerausweis, jedoch auch nicht den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung.

Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer den gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht führen. Zu den Maßnahmen, die danach zulässigerweise vom Unternehmer gefordert werden können, gehört auch die Erteilung einer Rechnung, die auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und deren Steuerfreiheit hinweist. Denn ohne derartige Rechnung ergibt sich für den Abnehmer der Lieferung kein Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der hiermit verbundenen Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung. Das Rechnungsdoppel i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV dient dabei dadurch dem Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, weil sich aus ihm ergeben soll, dass es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, die zusammen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb zu einem innergemeinschaftlichen Umsatz gehört.

Darüber hinaus liegen auch keine gemäß § 17c Abs. 2 Nr. 2 UStDV im Abholfall erforderlichen Aufzeichnungen über die Anschrift des Beauftragten der P.R. vor. In der Vollmacht sind lediglich der Name, das Geburtsdatum und der Geburtsort von F vermerkt. Die Anschrift von F ist auch nicht in der Rechnung oder der Verbringungserklärung enthalten. Die Klägerin hat keine Kopie der Ausweispapiere des F gefertigt. Zwar trägt die Klägerin vor, sie habe den Personalausweis des F eingesehen, ihn mit der Bevollmächtigung verglichen und die Identität des F festgestellt. Dies genügt jedoch dem Erfordernis einer eindeutigen und leicht nachprüfbaren Nachweisführung (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV) nicht.

Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nicht beleg- und buchmäßig nachweisen kann, ist grundsätzlich berechtigt, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen. Ein Sonderfall, bei dem dieses Recht nicht besteht, wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers liegt im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht vor.Ohne Rechtsverstoß konnte das FG dies darauf stützen, dass die Abnehmerin der Lieferung, P.R., nach der Auskunft der italienischen Finanzverwaltung kein Fahrzeughändler war, der von der Abnehmerin Beauftragte demgegenüber im Inland als Fahrzeughändler tätig war und einzelne der zeitgleich von dem Veräußerer Y gelieferten Fahrzeuge, die ebenfalls in der gemeinsamen Verbringungserklärung enthalten sind, auch nach der Lieferung im Inland zugelassen waren.

Dass die Abnehmerin aufgrund einer qualifizierten Bestätigungsabfrage als Unternehmerin anzusehen war, reicht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalls nicht aus, um die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen.

Die Lieferung ist entgegen dem FG-Urteil auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei. Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt.

Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt. Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schütztIm Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Beleg- und Buchnachweis in mehrfacher Hinsicht unvollständig ist. Denn die Klägerin hat keine Rechnung mit dem erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung erteilt; weiter liegen auch keine Aufzeichnungen über die Anschrift des beauftragten Sohnes der Abnehmerin vor. Die Klägerin hat daher nicht alle ihr zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob ihr ein subjektiver Vorwurf zu machen ist. Dass der Klägerin eine qualifizierte Bestätigungsabfrage zur USt-Id-Nr. der Abnehmerin vorlag, ersetzt das Fehlen des Beleg- und Buchnachweises nicht.