Werbungskostenabzug bei Benutzung eines Privatflugzeugs

Reisekosten sind insbesondere dann als Werbungskosten abziehbar, wenn der Reise ein unmittelbarer beruflicher Anlass (z.B. das Aufsuchen eines Geschäftsfreundes) zugrunde liegt und die Verfolgung privater Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet
Nutzt der Steuerpflichtige ein selbst gesteuertes Privatflugzeug für beruflich veranlasste Reisen, kann es sich bei den Flugkosten um Aufwendungen handeln, die die Lebensführung i.S. der §§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7, 9 Abs. 5 Satz 1 EStG berühren.
Ob ein unangemessener beruflicher Aufwand i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Steuerpflichtiger –ungeachtet seiner Freiheit, den Umfang seiner Erwerbsaufwendungen selbst bestimmen zu dürfen– angesichts der erwarteten Vorteile und Kosten die Aufwendungen ebenfalls auf sich genommen haben würde.
Maßstab für die in erster Linie dem FG als Tatsacheninstanz obliegende Feststellung des angemessenen Teils der Werbungskosten ist die Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Arbeitnehmers in derselben Situation des Steuerpflichtigen.
BFH Urteil vom 19.01.2017 –VI R 37/15
Sachverhalt:
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr (2010) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger war seit Beginn des Streitjahres Geschäftsführer der in A ansässigen X-GmbH (Arbeitgeberin), an deren Kapital er nicht beteiligt war. Der Geschäftsführerdienstvertrag des Klägers war auf drei Jahre befristet. Aus der Tätigkeit als Geschäftsführer erzielte er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Der Kläger war Eigentümer eines auf dem Flughafen B stationierten, einmotorigen Privatflugzeugs, das er aufgrund eines ihm erteilten Flugscheins selbst steuern durfte. Sein Privatflugzeug nutzte der Kläger im Streitjahr für 111 Flugstunden. Davon entfielen 29,59 Flugstunden auf Flüge zur Wahrnehmung beruflich veranlasster Auswärtstermine.
Die Flugkosten von ca. 17.000 EUR hatte der Kläger ermittelt, indem er die jeweilige Flugzeit mit den von ihm berechneten durchschnittlichen Vollkosten einer Flugstunde multiplizierte und zusätzlich die jeweiligen Landeentgelte in Ansatz brachte.
Begründung:
Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat den Abzug der geltend gemachten Werbungskosten zu Unrecht dem Grunde nach versagt. Es sind allerdings noch Feststellungen zur Höhe der abziehbaren Reisekosten erforderlich, die das FG bisher nicht getroffen hat. Die Sache ist deshalb an das FG zurückzuverweisen.
Nach ständiger Rechtsprechung sind Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.S. von § 19 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Aufwendungen, die durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst sind. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und wenn die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden.
Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen sind nach § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar. Wird der Steuerpflichtige jedoch vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit entfernt beruflich tätig, so ist nach Satz 2 der Vorschrift für jeden Kalendertag, an dem der Steuerpflichtige wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und seinem Tätigkeitsmittelpunkt über eine bestimmte Dauer abwesend ist, ein nach dieser Dauer gestaffelter Pauschbetrag abzuziehen.
Reisekosten sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH jedenfalls dann als Werbungskosten abziehbar, wenn die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Reise ein unmittelbarer beruflicher Anlass (z.B. das Aufsuchen eines Geschäftsfreundes) zugrunde liegt und die Verfolgung privater Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise.
Die Reisen des Klägers, um deren Werbungskostenabzug die Beteiligten streiten, waren nach diesen Maßstäben beruflich veranlasst. Es handelte sich nach den nicht angegriffenen und den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG um berufliche Auswärtstermine des Klägers.
Für den Werbungskostenabzug von beruflich veranlassten Reisekosten kommt es dem Grunde nach nicht darauf an, welches Verkehrsmittel der Steuerpflichtige wählt. Dem Steuerpflichtigen steht die Wahl des Verkehrsmittels grundsätzlich frei. Es ist bei Reisekosten –wie auch sonst bei der Anerkennung von Aufwendungen als Werbungskosten– regelmäßig unerheblich, ob die geltend gemachten Aufwendungen objektiv gesehen zweckmäßig und notwendig waren, selbst wenn das Handeln des Steuerpflichtigen sich nachträglich als unwirtschaftlich herausstellt.
Entgegen der Auffassung des FG steht es der Berücksichtigung der Reisekosten des Klägers einschließlich der geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen daher dem Grunde nach nicht entgegen, dass der Kläger die Dienstreisen mit seinem Privatflugzeug durchgeführt hat. Liegt einer Reise des Steuerpflichtigen ein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde, kann aus der Wahl des Verkehrsmittels grundsätzlich keine private Veranlassung der Reisekosten abgeleitet werden. Insbesondere rechtfertigt die Wahl eines bestimmten Verkehrsmittels regelmäßig –und so auch im Streitfall– nicht die Annahme, dass die Verfolgung privater Reiseinteressen den Schwerpunkt der Reise bildet. Vielmehr stehen private Motive dem Werbungskostenabzug nicht entgegen, wenn die objektiv festgestellten Tatsachen unter Berücksichtigung der dafür von der Rechtsprechung aufgestellten Merkmale und Maßstäbe die rechtliche Würdigung tragen, dass die Aufwendungen nahezu ausschließlich beruflich veranlasst sind.
Die Vorentscheidung kann daher keinen Bestand haben. Die Sache ist allerdings nicht entscheidungsreif. Denn das FG hat –von seinem Standpunkt aus zu Recht– bisher nicht geprüft, ob der Werbungskostenabzug gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5
Aufwendungen, “die die Lebensführung… berühren”, dürfen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG den Gewinn nicht mindern, “soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind”. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG gilt gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG für die Werbungskosten sinngemäß.
Aufwendungen berühren die Lebensführung eines Steuerpflichtigen dann, wenn er sie aus persönlichen Motiven tätigt, ohne dass deshalb die betriebliche Veranlassung zu verneinen wäre. Da § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG dem Ziel dient, unangemessenen Repräsentationsaufwand nicht einkünftemindernd bei der Festsetzung der Einkommensteuer zu berücksichtigen, ist eine Berührung mit der Lebensführung des Steuerpflichtigen insbesondere für Aufwendungen im repräsentativen Bereich anzunehmen. Flugzeugkosten können nach der Rechtsprechung des BFH als die Lebensführung des Steuerpflichtigen berührende Aufwendungen zu behandeln sein
Ob ein unangemessener betrieblicher oder beruflicher Aufwand i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG vorliegt, ist nach der Rechtsprechung des BFH danach zu beurteilen, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Steuerpflichtiger –ungeachtet seiner Freiheit, den Umfang seiner Erwerbsaufwendungen selbst bestimmen zu dürfen– angesichts der erwarteten Vorteile und Kosten die Aufwendungen ebenfalls auf sich genommen haben würde. Danach sind bei der Angemessenheitsprüfung alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Neben der Höhe der Einnahmen und der Einkünfte sind vor allem die Bedeutung des Repräsentationsaufwands für den Geschäftserfolg nach der Art der ausgeübten Tätigkeit und seine Üblichkeit in vergleichbaren Fällen als Beurteilungskriterien heranzuziehen. Es kann auch entscheidungserheblich sein, ob es einen objektiven Grund für den Mehraufwand gibt. Schließlich ist zu beachten, wie weit die private Lebenssphäre des Steuerpflichtigen berührt.
Im Streitfall ist nach den tatsächlichen, den Senat bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG davon auszugehen, dass die Aufwendungen für die mit dem Privatflugzeug durchgeführten Dienstreisen des Klägers dessen Lebensführung berührten.
Der Kläger hat nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt aus privaten Motiven, nämlich aus der Freude am Fliegen, das selbst gesteuerte Privatflugzeug für die Dienstreisen anderen Verkehrsmitteln vorgezogen. Dies kam nach Ansicht der Vorinstanz insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass der Kläger das Flugzeug ausschließlich selbst als Pilot gesteuert habe. Ohne die –die Lebensführung berührende– Begeisterung für das Fliegen sei es auch nicht erklärlich, dass der Kläger die ihm durch die Benutzung des eigenen Flugzeugs entstandenen Kosten für die Dienstreisen selbst getragen habe, während ihm seine Arbeitgeberin die Kosten für die Dienstreisen bei Benutzung eines anderen Verkehrsmittels (z.B. Linienflug, Bahnfahrt) ersetzt hätte. Diese Würdigung des FG ist im Streitfall nicht nur möglich, sie ist sogar naheliegend.
Allerdings hat das FG die zur Feststellung der Unangemessenheit der Aufwendungen erforderliche Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls bisher nicht vorgenommen. Der Senat kann diese Würdigung im Streitfall auch nicht selbst vornehmen.
Zwar kommt einem Privatflugzeug ein hoher Repräsentationswert und bei Personen, die –wie der Kläger– eine Begeisterung für das Fliegen besitzen, auch ein großes Affektionsinteresse zu. Die Beschaffung und Unterhaltung des Privatflugzeugs berührte die Lebensführung des Klägers nach den Feststellungen des FG im Streitfall in erheblicher Weise. Der Kläger nutzte das Flugzeug weit überwiegend privat und nicht beruflich. Der Einsatz eines Privatflugzeugs für Dienstreisen ist bei einem angestellten Geschäftsführer in einem Betrieb wie dem der Arbeitgeberin des Klägers auch nicht üblich. Den bisherigen Feststellungen des FG kann zudem nicht entnommen werden, dass die Benutzung des Privatflugzeugs für den Geschäftserfolg des Klägers als angestellter Geschäftsführer oder in Bezug auf die Höhe seines Geschäftsführergehalts von Bedeutung war.
Der Kläger hat allerdings für die hier fraglichen Dienstreisen erstinstanzlich Aufstellungen (sogenannte Kosten-Nutzen-Analysen) vorgelegt, aus denen sich nach seiner Auffassung ergeben soll, “dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter genauso gehandelt hätte wie der Kläger”. Das FG hat diese Aufstellungen zwar in seinem Urteil berücksichtigt, sie aber nicht in Bezug auf die Angemessenheit des Werbungskostenabzugs im Einzelnen geprüft. Insbesondere hat sich das FG nicht hinreichend mit der Frage beschäftigt, inwieweit gewichtige berufliche Gründe für die Benutzung des Privatflugzeugs und die damit etwa verbundenen Mehraufwendungen des Klägers ursächlich waren. Das FG wird im zweiten Rechtsgang auch die vom Kläger bei der Benutzung des Privatflugzeugs behauptete Zeitersparnis zu überprüfen und den Kläger insoweit zur weiteren Sachaufklärung heranzuziehen haben (§ 76 Abs. 1 Satz 2 FGO). In Bezug auf die angebliche Zeitersparnis, die nach Auffassung des Klägers aus der Benutzung des Privatflugzeugs resultieren soll, wird auch zu berücksichtigen sein, ob und wenn ja in welchem Umfang der Kläger bei Benutzung von Linienflügen oder der Bahn gegebenenfalls die Möglichkeit gehabt hätte, die Reisezeit für dienstliche Arbeiten oder zur Erholung zu nutzen, was ihm bei den Selbstflügen –worauf das FG bereits zutreffend hingewiesen hat– verwehrt war. Das FG wird ferner zu würdigen haben, ob der Kläger zur sachgerechten Erfüllung seiner beruflichen Aufgaben als Geschäftsführer auf die Benutzung des Privatflugzeugs bei den Dienstreisen angewiesen war.
Bei der Abwägung der Vorteile und Kosten der Benutzung des Privatflugzeugs ist im Streitfall auf die Verhältnisse des Klägers als Steuerpflichtigen abzustellen. Denn es ist zu prüfen, ob der Kläger, der den Werbungskostenabzug begehrt, mit der Benutzung des Privatflugzeugs für seine Dienstreisen einen unangemessenen beruflichen Aufwand i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG betrieben hat. Die von der Arbeitgeberin für die Arbeitsleistung des Klägers zu zahlenden Personalkosten haben daher insoweit außer Betracht zu bleiben.
Sollte das FG im zweiten Rechtsgang hiernach erneut zu der Überzeugung gelangen, dass den fraglichen Reisen des Klägers ein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde lag, und es ferner feststellen, dass die vom Kläger für die Dienstreisen mit seinem Privatflugzeug aufgewandten Werbungskosten unangemessen waren, wird es den angemessenen Teil der Werbungskosten zu ermitteln haben. Maßstab für diese in erster Linie dem FG als Tatsacheninstanz obliegende Feststellung des angemessenen Teils der Werbungskosten ist die Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Unternehmers bzw. –im Streitfall– Arbeitnehmers in derselben Situation des Steuerpflichtigen. Dabei kann es sich anbieten, den angemessenen Teil der Reisekosten unter Rückgriff auf durchschnittliche Reisekosten einschließlich Nebenkosten (z.B. Flug- oder Bahnkosten; Kosten für Anreise zum Flughafen oder Bahnhof; Taxen und Parkgebühren) zu schätzen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 der Abgabenordnung). Der Umstand, dass der Kläger gegenüber seiner Arbeitgeberin keine Reisekostenerstattung geltend gemacht hat, steht dem Abzug angemessener Reisekosten im Übrigen nicht entgegen.