Ausgleichszahlungen des Dienstherrn an Berufsfeuerwehrleute für unionsrechtswidrig zu viel geleisteten Dienst

Ausgleichszahlungen, die der Dienstherr anstelle des vorrangig zu gewährenden Freizeitausgleichs für unionsrechtswidrig zu viel geleisteten Dienst an Berufsfeuerwehrleute leistet, sind als Arbeitslohn für mehrjährige Tätigkeit ermäßigt zu besteuern.

BFH Beschluss vom 26.08.2016 – VI B 95/15

Begründung:

Er hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob die einem Arbeitnehmer für unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit gezahlte Entschädigung, die nur wegen schuldhafter Verletzung der Arbeitgeberpflichten gezahlt worden sei und auf die wegen Überschreitung der höchstzulässigen Arbeitszeit und/ oder Verjährung kein Anspruch bestehe, als Surrogat eines allein in Betracht kommenden Anspruchs auf Freizeitausgleich keine steuerpflichtige Einnahme, sondern nicht steuerbarer Schadensersatz ist. Diese Rechtsfrage ist jedoch nicht klärungsbedürftig.

Zu den –der Einkommensteuer unterliegenden– Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst zufließen. Nach ständiger Senatsrechtsprechung werden Bezüge oder Vorteile für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind und sich bei objektiver Betrachtung als ein Entgelt “für” eine Leistung darstellen, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Das ist der Fall, wenn der Vorteil mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und sich die Leistung im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Die Zuwendung muss also einen Entlohnungscharakter aufweisen, d.h. eine Erfüllungsleistung im Rahmen des bisherigen Rechtsverhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Dienstherrn darstellen.

Dagegen liegt Arbeitslohn nicht vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Schaden ersetzt, den dieser infolge einer Verletzung arbeitsrechtlicher (Fürsorge-)Pflichten oder einer unerlaubten Handlung des Arbeitgebers z.B. an einem materiellen oder immateriellen Wirtschaftsgut erlitten hat. Denn damit werden nicht die Dienste des Arbeitnehmers vergütet, sondern ein vom Arbeitgeber verursachter Schaden ausgeglichen.

Gemäß Art. 6 Buchst. b Richtlinie 2003/88/EG bzw. der gleichlautenden Vorgängerbestimmung des Art. 6 Nr. 2 Richtlinie 93/104/EG darf für den Kläger die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreiten. Für die von ihm über die zulässige Höchstarbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit kann er nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Fuß vom 25. November 2010 C-429/09 (EU:C:2010:717, Rz 35, 49 ff., 62, 72, 93 ff.) einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch geltend machen und Ersatz des durch den Verstoß gegen die unionsrechtliche Vorschrift entstandenen Schadens verlangen. Der Schadensersatz darf nach den Ausführungen des EuGH unter Beachtung des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes in Form von Freizeitausgleich oder in Form einer finanziellen Entschädigung gewährt werden.

Nach der Rechtsprechung des BVerwG wird die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sichergestellt, indem die rechtswidrig zuviel geleisteten Arbeitsstunden in vollem Umfang ausgeglichen werden. Der Bereitschaftsdienst darf dabei nicht geringer gewichtet werden als sonstige Dienstzeiten, um einen Wertungswiderspruch zu den Normzielen des europäischen Arbeitszeitrechts zu vermeiden.

Für einen Schadensersatzanspruch nach deutschem Recht fehlt es im Hinblick auf rechtswidrig zuviel geleistete Arbeit an einem zu ersetzenden Schaden. Zusätzlicher Dienst eines Beamten ist kein Schaden i.S. des allgemeinen Schadensersatzrechts. Für beamtenrechtliche Schadensersatzansprüche ist der Schadensbegriff maßgebend, der auch den §§ 249 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zugrunde liegt. Danach ist mangels besonderer Vorschriften Geldersatz nur bei einem Vermögensschaden, nicht bei einem immateriellen Schaden zu leisten. Der Aufwand von Zeit und Arbeitskraft zur Leistung des zusätzlichen Dienstes und der damit verbundene Verlust von Freizeit als solche sind kein durch Geld zu ersetzender materieller Schaden. Der nach dem Urteil des EuGH zu leistende “Ersatz des entstandenen Schadens” ist demnach als Ausgleichszahlung für rechtswidrig zuviel geleistete Arbeit zu sehen. Die Zahlung ist Gegenleistung für die in der Vergangenheit zu viel geleisteten Dienste des Arbeitnehmers und damit –wenn die Leistungen über mehrere Jahre hinweg erbracht wurden– ermäßigt zu besteuernder Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG (so auch Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 14. Juni 2016 IX R 2/16, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt). Die Verjährung des Anspruchs steht dem Entlohnungscharakter und der Erfüllungswirkung der Zahlung nicht entgegen (s. auch § 214 Abs. 2 BGB). Dies unterliegt keinem Zweifel und ist damit nicht grundsätzlich klärungsbedürftig i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.