Berufskleidung

Auch bei der Gestellung einheitlicher, während der Arbeitszeit zu tragender bürgerlicher Kleidungsstücke kann das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers im Vordergrund stehen bzw. ein geldwerter Vorteil des Arbeitnehmers zu verneinen sein.

BFH Urteil vom 22. Juni 2006 VI R 21/05

Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist dadurch gekennzeichnet, dass dem Arbeitnehmer Einnahmen (Bezüge oder geldwerte Vorteile) zufließen, die “für” seine Arbeitsleistung gewährt werden (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Diesem Tatbestandsmerkmal ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden.
Dagegen sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen.
Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht.
In diesem Fall des “ganz überwiegend” eigenbetrieblichen Interesses kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden. Die danach erforderliche, in erster Linie vom FG als Tatsacheninstanz vorzunehmende Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck zu berücksichtigen
Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers.
Je höher aus der Sicht des Arbeitnehmers die Bereicherung anzusetzen ist, desto geringer zählt das aus der Sicht des Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche Interesse.

Tritt das Interesse des Arbeitnehmers gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber –neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers– ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zu Lohnzuwendung

Von diesen Rechtsgrundsätzen ist das FG ausgegangen. Es gelangte bei Berücksichtigung der den Streitfall prägenden Gesamtumstände in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu der Wertung, die Gestellung der Kleidungsstücke sei in erster Linie durch das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers veranlasst; der geldwerte Vorteil für die Arbeitnehmer sei gering bzw. zu vernachlässigen.
Dabei hat das FG bei seiner Gesamtwürdigung maßgeblich darauf abgestellt, dass den Mitarbeitern keine Individualbekleidung entsprechend deren speziellen Wünschen zur Verfügung gestellt worden sei. Die Mitarbeiter hätten vielmehr eine Gemeinschaftsausstattung erhalten, die aufgrund ihrer Standardisierung den individuellen Neigungen der Mitarbeiter ohnehin nur beschränkt zugänglich gewesen sei. Die Gestellung dieser Kleidungsstücke sei im Zusammenwirken mit dem Betriebsrat erfolgt, um ein einheitliches Erscheinungsbild aller Mitarbeiter zu gewährleisten.

Sowohl nach innen im Sinne eines Zusammengehörigkeitsgefühls und der Kollegialität innerhalb der Belegschaft als auch nach außen gegenüber der Öffentlichkeit (Kunden, Lieferanten, Geschäftspartner) habe das Erscheinungsbild des Unternehmens (sog. corporate identity) verbessert werden sollen. Diese Zwecksetzung habe auch die Bediensteten der X-Shops mit eingeschlossen. Diese Würdigung des FG ist nicht zu beanstanden.

Dies gilt auch für die Ausführungen des FG, der Wert der jeweiligen Ausstattung sei nicht so bemessen gewesen, dass die ausschließlich betriebliche Veranlassung der Aufwendungen in Frage stehe. Die in gewisser Weise uniformähnlichen, auch aus hygienischen Gründen angeschafften Kleidungsstücke seien weder besonders exklusiv noch teuer gewesen. Die jeweils zur Verfügung gestellte Anzahl gleichartiger Stücke sei nicht über das hinausgegangen, was für eine Arbeit, bei der ein höheres Verschmutzungsrisiko auch für Leitungskräfte bestehe, erforderlich sei. Ähnliche Überlegungen würden auch für die Mitarbeiter der X-Shops gelten. Es sei ferner nicht gerechtfertigt, den Lohnsteueranspruch insoweit davon abhängig zu machen, dass auf den Kleidungsstücken ein Firmenlogo angebracht werden müsse.