Auflösung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens bei Betriebsaufgabe

Ein wegen eines Zinszuschusses gebildeter passiver Rechnungsabgrenzungsposten ist im Rahmen einer Betriebsaufgabe zu Gunsten des Aufgabegewinns aufzulösen, wenn das dem Zinszuschuss zugrundeliegende Darlehen fortgeführt wird.

BFH Urteil vom 25.4.2018, VI R 51/16

Begründung:

Ob Geschäftsvorfälle noch beim Schlusskapital in der Schlussbilanz und damit bei der Ermittlung des laufenden Gewinns oder erst in der Aufgabebilanz beim Aufgabegewinn zu berücksichtigen sind, bestimmt sich deshalb danach, ob Erträge und Aufwendungen in einem Veranlassungszusammenhang zur Veräußerung/Betriebsaufgabe als dem auslösenden Moment stehen

In der Aufgabebilanz konnte der pRAP hingegen nicht mehr ausgewiesen werden. Das (fortbestehende) Darlehen wurde durch die Betriebsaufgabe zu Privatvermögen. Anhaltspunkte dafür, dass der Schweinestall einem anderen Betriebsvermögen des Klägers gewidmet wurde, liegen nicht vor. Die Gegenleistung des Klägers für den Zinszuschuss, also der mit dem bezuschussten Darlehen einhergehende Kapitaldienst, lag mit der Überführung des Darlehens in das Privatvermögen folglich nicht mehr im steuerbaren Bereich. Für eine nicht (mehr) steuerbare Gegenleistung kann aber in der Aufgabebilanz trotz fortbestehender Verpflichtung kein pRAP gebildet werden. Die Entnahme der Darlehensforderung in das Privatvermögen führt zum vollständigen Wegfall des (künftigen) steuerbaren Zinsaufwands. Damit ist auch für den Ansatz des pRAP kein Raum mehr. Zutreffend ist das FG deshalb davon ausgegangen, dass die Auflösung des streitigen pRAP vorliegend nicht nur in einem engen zeitlichen, sondern auch in einem sachlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe steht. Unter den Umständen des Streitfalls ist der pRAP allein wegen der Betriebsaufgabe nicht länger bilanziell auszuweisen.

Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags infolge Betriebsaufgabe

Führt eine Betriebsaufgabe zur Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags, ist die im Jahr der ursprünglichen Vornahme des Gewinnabzugsbetrags eintretende Gewinnerhöhung Teil des laufenden Gewinns.

BFH Urteil vom 27.04.2016 – X R 16/15 BFH/NV 2016, 1444

Sachverhalt:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte einen Textil-Einzelhandel geführt. Mitte 2010 erklärte sie die Betriebsaufgabe. Zum 31. Dezember 2007 hatte sie Investitionsabzugsbeträge in Höhe von 12.000 EUR nach § 7g Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes gebildet. Mit der Einkommensteuererklärung 2010 reichte sie eine berichtigte Erklärung für 2007 ein, in der sie den Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 3 EStG i.d.F. des UntStRefG rückgängig machte. Die Gewinnerhöhung von 12.000 EUR erklärte sie als begünstigten Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 4 EStG. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) machte den Investitionsabzugsbetrag durch geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 rückgängig und lehnte die Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG ab. Mit der Klage machte die Klägerin in erster Linie die Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG für das Jahr 2007 geltend. Ihren ursprünglichen Hilfsantrag für das Jahr 2010 verfolgt sie in zweiter Instanz nicht mehr.

Begründung:

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Der aus der Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags resultierende Gewinn des Jahres 2007 ist laufender Gewinn, so dass der Klägerin ein Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG nicht zusteht.

Nach § 16 Abs. 4 EStG wird unter bestimmten persönlichen, im Streitfall nie umstritten gewesenen Voraussetzungen ein Veräußerungsgewinn auf Antrag zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er 45.000 EUR übersteigt. Der Veräußerungsgewinn aus einer Veräußerung eines ganzen Gewerbebetriebs oder Teilbetriebs i.S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens übersteigt (§ 16 Abs. 2 Satz 1 EStG). Der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils ist für den Zeitpunkt der Veräußerung nach § 4 Abs. 1 EStG oder nach § 5 EStG zu ermitteln (§ 16 Abs. 2 Satz 2 EStG). Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG gilt als Veräußerung auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs. Bei Ermittlung des Aufgabegewinns treten an die Stelle des nach § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG anzusetzenden Veräußerungspreises nach § 16 Abs. 3 Satz 6 EStG der Veräußerungspreis für die einzelnen dem Betrieb gewidmeten und im Rahmen der Aufgabe veräußerten Wirtschaftsgüter, nach § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG der gemeine Wert der nicht veräußerten Wirtschaftsgüter sowie die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Aufgabe erzielten sonstigen Erträge.

Der durch die Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags nach § 7g EStG i.d.F. des UntStRefG entstehende Gewinn ist nicht Teil des Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinns, insbesondere kein sonstiger im Zusammenhang mit der Aufgabe erzielter Ertrag.

Hatte der Steuerpflichtige eine Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 EStG a.F. für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsgutes gebildet, bis zur Betriebsveräußerung das Wirtschaftsgut aber nicht angeschafft oder hergestellt, so war die Ansparabschreibung aufzulösen. Die Auflösung erfolgte ex nunc und erhöhte als sonstiger Ertrag im zuletzt genannten Sinne den Veräußerungsgewinn. Für Aufgabegewinne konnte nichts anderes gelten. Aufgelöste Ansparabschreibungen nahmen daher an der Begünstigung des § 16 Abs. 4 EStG teil.

An die Stelle der vormaligen Auflösung der Ansparabschreibung ex nunc tritt nach § 7g Abs. 3 EStG i.d.F. des UntStRefG die Rückgängigmachung des Abzugs ex tunc, nämlich in dem Wirtschaftsjahr, in dem der Investitionsabzugsbetrag ursprünglich gebildet worden ist. Dieser Korrekturmechanismus schließt die Zuordnung der dadurch bewirkten Gewinnerhöhung zum begünstigten Aufgabegewinn aus (i.E. ebenso HHR/Meyer, § 7g EStG Rz 5 “Verhältnis zu §§ 16, 34”, HHR/Geissler, § 16 EStG Rz 24 a.E.), auch wenn ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Betriebsaufgabe und der gerade durch die Betriebsaufgabe bedingten Rückgängigmachung nicht zu bestreiten ist.

Die Rückgängigmachung eines zu Lasten des laufenden Gewinns vorgenommenen Abzugs kann sich nur zu Gunsten dieses laufenden Gewinns auswirken. Die Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags hat schon begrifflich zur Folge, dass die Gewinnermittlung des betreffenden Jahres wieder auf dem Zustand vor dem Abzug beruht, und stellt so die vor dem Abzug bestehenden Verhältnisse wieder her. Insofern ist die Gewinnerhöhung durch Rückgängigmachung in Wahrheit eine Aufhebung der ursprünglichen Gewinnminderung. Wäre sie Teil eines begünstigten Veräußerungs- oder Aufgabegewinns, hätte der zwischenzeitlich vorgenommene Abzug einen Teil des ursprünglich laufenden Gewinns in einen begünstigten Gewinn umgewandelt. Eine derartige Umwidmung wäre gerade keine Rückgängigmachung mehr.

Vielmehr können Ereignisse, die zwar von dem Zeitpunkt der Betriebsaufgabe ausgehen, steuerrechtlich jedoch auf frühere Zeitpunkte oder Zeiträume zurückwirken, den Aufgabegewinn nicht beeinflussen. Das gilt unabhängig davon, ob diese Rückwirkung verfahrensrechtlich auf § 7g Abs. 3 Satz 2, 3 EStG i.d.F. des UntStRefG oder auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zu stützen ist. Die steuerliche Rückwirkung ist eine Frage des materiellen Rechts. Ereignisse mit steuerlicher Rückwirkung zeitigen ihre steuerliche Wirkung nicht in dem Veranlagungszeitraum, in dem sie sich ereignen, sondern in dem Veranlagungszeitraum, für den sie steuerlich von Bedeutung sind. Folgerichtig und damit korrespondierend sind dann aber nicht nur spätere Ereignisse, die Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Veräußerung oder Aufgabe haben, in die Ermittlung des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns einzubeziehen, sondern umgekehrt auch Ereignisse, die zwar im Zusammenhang mit der Veräußerung oder Aufgabe stehen, aber Rückwirkung auf frühere Zeitpunkte haben, aus der Ermittlung des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns auszuklammern. Eine Betriebsaufgabe kann grundsätzlich auch den laufenden Gewinn beeinflussen.

Dies entspricht der Behandlung rückwirkender Ereignisse nach Betriebsveräußerung und -aufgabe. Bei der Veräußerung eines Gewerbebetriebs wirken spätere Veränderungen des Veräußerungspreises nach Maßgabe von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurück und beeinflussen so rückwirkend den Veräußerungsgewinn, und zwar unabhängig davon, welche Gründe für die Minderung oder Erhöhung des Erlöses maßgebend waren.

Wenn für die Möglichkeit, den Veräußerungsgewinn rückwirkend zu ändern, die Gründe der Änderung nicht maßgeblich sind, ist es außerdem konsequent, dass für die steuerlichen Folgen aus der Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags, namentlich die Qualifikation als laufender Gewinn, die Gründe der Änderung ebenfalls nicht maßgebend sind. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Rückgängigmachung auf einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe oder auf sonstigen Gründen beruht.

Schluss- und Aufgabebilanz im Fall der Betriebsaufgabe

Im Fall der Betriebsaufgabe sind eine letzte Schlussbilanz zur Ermittlung des laufenden Gewinns und eine Aufgabebilanz zur Ermittlung des Aufgabegewinns bzw. -verlusts aufzustellen.

Ein förmlicher Revisionsantrag in der Revisionsbegründung ist entbehrlich, wenn sich die Beschwer des Revisionsklägers eindeutig aus dieser ergibt.

Bei der Zurücknahme der Anschlussrevision ist diese kostenrechtlich als eigenständiges Rechtsmittel zu behandeln.

BFH Urteil vom 05.05.2015 – X R 48/13

Sachverhalt:

Der Kläger betrieb bis zu dessen Abmeldung am 30. Juli 2003 ein gewerbliches Einzelunternehmen. Dieses vermietete sowohl die Grundstücke des Klägers in A und in B (Grundbesitz) als auch Kräne an die C-GmbH (GmbH), deren Gesellschafter der Kläger war. Weitere Kräne wurden von ihm auch an andere Kunden vermietet. Den Gewinn ermittelte der Kläger durch Betriebsvermögensvergleich.

Der Kläger meldete sein Einzelunternehmen am 30. Juli 2003 ab und erstellte am 13. Juli 2004 eine Aufgabebilanz auf den Tag der Gewerbeabmeldung. Diese Bilanz wies Entnahmen in Höhe von 959.126,73 EUR und Rückstellungen in Höhe von 957.000 EUR aus. Dabei entfielen 952.000 EUR auf eine „Rückstellung Haftung aus Grundschuld”.

Begründung:

Das FG hat zu Unrecht nicht erkannt, dass der Kläger –neben der Aufgabebilanz zum 30. Juli 2003– eine Schlussbilanz für die Beendigung seiner gewerblichen Tätigkeit auf einen Stichtag vor der Übertragung des Grundbesitzes aufzustellen hat (unter 1.). In dieser Schlussbilanz hat er eine Rückstellung wegen drohender Inanspruchnahme zu bilden (unter 2.). Diese Rückstellung ist in Höhe der Darlehensverbindlichkeiten der GmbH gegenüber der Bank zum Stichtag der Schlussbilanz anzusetzen.

Bereits vor dem vom FG zu Recht für die Erstellung einer Aufgabebilanz angenommenen Stichtag am 30. Juli 2003 hatte der Kläger seine (laufende) gewerbliche Tätigkeit abgeschlossen. Auf einen vor der Übertragung des Grundbesitzes liegenden Zeitpunkt hat er deshalb seine (letzte) Schlussbilanz aufzustellen.  Im Fall einer Betriebsaufgabe muss sowohl eine letzte Schlussbilanz nach § 16 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 EStG als auch eine Aufgabebilanz nach § 16 Abs. 3 EStG, die der Ermittlung des Aufgabegewinns bzw. -verlusts dient, aufgestellt werden.

Die letzte Schlussbilanz schließt die (laufende) gewerbliche Tätigkeit des Klägers ab. Das Betriebsvermögen ist nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 oder des § 5 EStG zu ermitteln (§ 16 Abs. 2 Satz 2 EStG) und ergibt im Vergleich mit dem Betriebsvermögen auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres (hier: 31. Dezember 2002), bereinigt um den Wert der Entnahmen und Einlagen, den laufenden Gewinn des Rumpfwirtschaftsjahres (§ 8b Satz 2 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 2000). Dieser Gewinn ist gemäß § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes auch der Ermittlung des Gewerbeertrags 2003 zugrunde zu legen.

Eine Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 EStG liegt vor, wenn der Steuerpflichtige den Entschluss gefasst hat, seine betriebliche Tätigkeit einzustellen und seinen Betrieb als selbständigen Organismus des Wirtschaftslebens aufzulösen, und in Ausführung dieses Entschlusses alle wesentlichen Betriebsgrundlagen des Betriebs in einem einheitlichen Vorgang innerhalb kurzer Zeit an verschiedene Abnehmer veräußert oder in das Privatvermögen überführt . Sie beginnt mit der ersten vom Aufgabeentschluss getragenen Handlung, die objektiv auf die Auflösung des Betriebs gerichtet ist, wie z.B. die Einstellung der produktiven Tätigkeit oder die Veräußerung bestimmter, für die Fortführung des Betriebs unerlässlicher Wirtschaftsgüter. Der Abgabe einer Aufgabeerklärung bedarf es –anders als im Fall der Betriebsverpachtung im Ganzen  nicht.

Der Beginn der Betriebsaufgabe ist nicht mit der Veräußerung oder Entnahme wesentlicher Betriebsgrundlagen in der Art und Weise verbunden, dass erst bei Vorliegen dieser Handlungen eine solche anzunehmen ist. Vielmehr markiert auch die Veräußerung beweglichen (sonstigen) Anlagevermögens den Beginn der Betriebsaufgabe, wenn der Steuerpflichtige dadurch für den Gesamtbetrieb den Willen bekundet, die gewerbliche Tätigkeit endgültig einzustellen.

Diese Grundsätze hat das FG nicht beachtet, als es allein auf die Aufgabeerklärung des Klägers gegenüber dem FA abstellte und nicht zwischen Schluss- und Aufgabebilanz unterschieden hat. Vorliegend ist aufgrund der Feststellungen des FG davon auszugehen, dass der Kläger mit der Betriebsaufgabe schon vor dem 30. Juli 2003 begonnen hat. Es kann dabei dahinstehen, ob bereits die Kündigung der Mietverhältnisse in Bezug auf den Grundbesitz den Beginn der Aufgabe des Einzelunternehmens darstellt. Spätestens im Zeitpunkt der Veräußerung der Kräne ist sein Entschluss offensichtlich geworden, sein Einzelunternehmen einzustellen. Auf diesen Zeitpunkt, der noch vor der Übertragung des Grundbesitzes auf die Klägerin lag, ist die Schlussbilanz aufzustellen.

In dieser Schlussbilanz ist eine Rückstellung wegen drohender Inanspruchnahme zu passivieren. Diese umfasst dem Grunde nach die drohende Inanspruchnahme aus der Höchstbetragsbürgschaft gegenüber der Bank (unter a) wie auch diejenige aus den Grundschulden.

Verpachtung einer Apotheke im Ganzen und die Erklärung der Betriebsaufgabe

Ein zur zwangsweisen Aufgabe einer zuvor im Ganzen verpachteten Apotheke führendes Ereignis liegt weder vor, wenn der Steuerpflichtige das Inventar an den Pächter veräußert, noch falls die apothekenrechtlichen Voraussetzungen für eine weitere Verpachtung infolge des Todes des Verpächters nicht mehr vorliegen.

Übersieht der Steuerpflichtige, dass er die Aufgabe seines im Ganzen verpachteten Betriebs nicht rückwirkend erklären kann, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob er hilfsweise die Aufgabe für den Zeitpunkt des Zugangs beim FA erklären wollte. Hierzu bedarf es der Feststellung positiver Umstände, die auf einen entsprechenden Willen schließen lassen.

BFH Urteil vom 03.04.2014 – X R 16/10 (BFHNV 2014 S. 1038)

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führte bis zum Jahr 2008 eine eigene Apotheke (A-Apotheke).

Die Eltern der Klägerin waren ebenfalls Apotheker. Der Vater (V) betrieb zunächst in dem ihm gehörenden Gebäude in der S-Straße die X-Apotheke. Ab Januar 1987 verpachtete er die X-Apotheke einschließlich der dazu gehörenden Räume und übertrug in diesem Zusammenhang auch sein “Apothekenrecht”. Die X-Apotheke war als Firma im Handelsregister eingetragen. Für die Dauer des Pachtverhältnisses firmierte der Pächter unter der Firma “X-Apotheke <Name des V>, Pächter <Name des Pächters>”. Nach dem Tod des V veräußerten die Klägerin und ihre Mutter (M) als Gesamtrechtsnachfolgerinnen das Inventar der X-Apotheke zum 31. Dezember 1994 an den Pächter; die Räumlichkeiten vermieteten sie ab Januar 1995 an ihn.

M hatte ihrerseits ebenfalls eine Apotheke, die Y-Apotheke in G, zunächst selbst geführt und seit Oktober 1992 samt den zugehörigen Räumen verpachtet. Mit dem Tod der M wurde die Klägerin Alleineigentümerin der Grundstücke in der S-Straße und in G.

Entscheidungsgründe

Das angefochtene Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Das FG hat über den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 30. August 2006 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 18. Juli 2007 entschieden. An die Stelle dieses Bescheids ist während des Revisionsverfahrens der Änderungsbescheid vom 11. November 2011 getreten. Damit liegt dem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil keinen Bestand haben kann.

Der Bescheid vom 11. November 2011 wurde nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Revisionsverfahrens. Da sich durch den Änderungsbescheid der bisherige Streitstoff nicht verändert hat, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind. Der erkennende Senat entscheidet in der Sache selbst. Die Klage ist begründet. Der Einkommensteuerbescheid 2000 ist dergestalt zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um die bisher angesetzten Aufgabegewinne in Höhe von insgesamt 5.801.674 DM gemindert werden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem FA übertragen.

Zwar ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass eine zwangsweise Betriebsaufgabe der verpachteten Apotheken vor Abgabe der Einkommensteuererklärung 1998 nicht erfolgt ist (dazu unter 1.). Seine Würdigung, die Klägerin habe mit ihrer Einkommensteuererklärung 1998 eine Aufgabeerklärung auf den 22. September 2000 abgegeben, hält demgegenüber einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Entgegen der Ansicht der Klägerin haben die Verpachtungen der X-Apotheke durch V im Jahr 1987 und der Y-Apotheke durch M im Jahr 1992 nicht zu Zwangsaufgaben geführt (unter a). Zu einer solchen ist es bei der X-Apotheke auch nicht infolge der Veräußerung des Inventars zum 31. Dezember 1994 gekommen (unter b).

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH führt die Verpachtung eines Gewerbebetriebs nicht zwangsläufig zu einer Betriebsaufgabe und damit zur Aufdeckung der stillen Reserven. Ein Gewerbetreibender braucht vielmehr die in seinem Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven dann nicht aufzudecken, wenn er zwar selbst seine werbende Tätigkeit einstellt, aber entweder den Betrieb im Ganzen als geschlossenen Organismus oder zumindest alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs verpachtet und der Steuerpflichtige gegenüber den Finanzbehörden nicht (klar und eindeutig) die Aufgabe des Betriebs erklärt. Wird keine Aufgabeerklärung abgegeben, so geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Absicht besteht, den unterbrochenen Betrieb künftig wieder aufzunehmen, sofern die zurückbehaltenen Wirtschaftsgüter dies ermöglichen.

Für die Anerkennung der gewerblichen Betriebsverpachtung reicht es nach diesen Grundsätzen aus, wenn die wesentlichen, dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgegenstände verpachtet werden. Dabei kommt es für die Beantwortung der Frage, was unter den wesentlichen Betriebsgrundlagen zu verstehen ist, auf die Verhältnisse des verpachtenden, nicht auf diejenigen des pachtenden Unternehmens an.

Eine Betriebsverpachtung setzt danach u.a. voraus, dass der Steuerpflichtige dem Pächter einen Betrieb zur Nutzung überlässt, den der Pächter im Wesentlichen fortsetzen. Dem Verpächter muss objektiv die Möglichkeit verbleiben, den “vorübergehend” eingestellten Betrieb als solchen wieder aufzunehmen und fortzuführen.

Danach haben die Verpachtung der X-Apotheke durch V sowie der Y-Apotheke durch M nicht zu zwangsweisen Betriebsaufgaben geführt.

Unstreitig haben sowohl V als auch M ihre Apotheken als solche, d.h. die dem Apothekenbetrieb dienenden Räume einschließlich der Geschäftseinrichtung, verpachtet. Für die Dauer des Pachtverhältnisses überlassen war bei der X-Apotheke ausdrücklich auch die Firma. Damit waren die wesentlichen Betriebsgegenstände, mittels derer die Pächter den Apothekenbetrieb jeweils fortsetzen konnten, auf Zeit überlassen.

Der Hinweis der Klägerin, V habe mit Beginn des Pachtvertrags sowohl die Firma als auch sein “Apothekenrecht” auf den Pächter übertragen, vermag an der Fortführungsmöglichkeit nichts zu ändern.

Die Fortführung der Firma war dem Pächter laut den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat deshalb bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ohnehin nur vorübergehend für die Dauer der Pachtverträge gestattet.

Unerheblich ist weiter, dass eine Wiederaufnahme des Apothekenbetriebs durch V und M selbst –wie von der Klägerin geltend gemacht– nach Ablauf der vereinbarten Pachtzeiten infolge deren Alters undenkbar gewesen sei. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss der Verpächter eines Gewerbebetriebs die Betriebsfortführung nicht in eigener Person planen. Es reicht aus, wenn seinem Rechtsnachfolger –einem Gesamtrechtsnachfolger oder einem unentgeltlichen Einzelrechtsnachfolger– objektiv die Möglichkeit verbleibt, den “vorübergehend” eingestellten Betrieb wieder aufzunehmen. Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung aus Nachweisgründen so lange von einer Fortführungsabsicht auszugehen, bis der Steuerpflichtige klar und eindeutig erklärt, er werde die gewerbliche Tätigkeit nicht wieder aufnehmen.

Auch der Tod der Eltern hatte selbst dann nicht die Aufgabe des jeweiligen Apothekenbetriebs i.S. des § 16 Abs. 3 EStG zur Folge wenn –wie die Klägerin im Revisionsverfahren vorträgt– die apothekenrechtlichen Voraussetzungen für eine weitere Verpachtung der X-Apotheke nach dem Tod des V im Jahr 1994 bzw. der Y-Apotheke nach dem Tod der M nicht mehr vorgelegen haben sollten.

Zum einen war die X-Apotheke nach den Feststellungen des FG jedenfalls noch im Jahr 1998 verpachtet, obwohl V bereits 1994 verstorben ist. Zum anderen hatte die Klägerin die Möglichkeit, sowohl die X-Apotheke als auch die Y-Apotheke durch einen Rechtsnachfolger weiter führen zu lassen (s. oben), wenn sie die A-Apotheke nicht hätte aufgeben wollen. Dass der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolger eine neue apothekenrechtliche Erlaubnis braucht (auf die nach § 2 ApoG in der vom 9. August 1980 bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung auch in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts bei Vorliegen verschiedener Voraussetzungen ein Rechtsanspruch bestand) mag eine gewisse Hürde bedeuten, steht aber einer steuerlich anzuerkennenden Verpachtung eines Apothekenbetriebs nicht entgegen.

So wie die Verpachtung einer Apotheke durch die Erben eines verstorbenen Apothekers oder denjenigen, der im Vermächtniswege einen Nießbrauch daran erworben hat, mangels Betriebsaufgabeerklärung nicht zur Betriebsaufgabe führt, wenn weder die Erben noch der Vermächtnisnehmer die für die Fortführung des Apothekenbetriebs erforderliche Qualifikation besitzen, führt auch der Tod des verpachtenden Apothekers nicht zur Aufgabe dieses Apotheker-Verpächterbetriebs.

Der Annahme einer Betriebsverpachtung im Ganzen steht nach der neueren Rechtsprechung nicht entgegen, dass die die wesentlichen Betriebsgrundlagen des Unternehmens verkörpernden Immobilien branchenfremd verpachtet werden. Selbst ein Wettbewerbsverbot hindert eine Betriebsverpachtung nicht notwendigerweise.

All diesen Entscheidungen liegt die Erwägung zugrunde, dass der Betriebsverpächter demnach nach Beendigung des Pachtverhältnisses nur die Möglichkeit haben muss, einen ähnlichen Gewerbebetrieb zu eröffnen. Die Gleichartigkeit des neuen Betriebs mit dem ursprünglich verpachteten Betrieb ist nicht erforderlich und kann auch bei einer Apotheke nicht gefordert werden.

Entgegen der Auffassung der Klägerin führte auch die Veräußerung des Inventars mit Vertrag vom 29. Dezember 1994 nicht zu einer zwangsweisen Betriebsaufgabe der X-Apotheke. Veräußerungen in Zusammenhang mit der Y-Apotheke hat das FG nicht festgestellt.

Zwar führt nach der Rechtsprechung des BFH die Veräußerung wesentlicher Teile des Betriebsvermögens auch ohne ausdrückliche Erklärung zur Betriebsaufgabe mit der Folge, dass dann nur noch die einzelnen, von diesem Zeitpunkt an dem Privatvermögen zuzurechnenden Gegenstände verpachtet sind. Die Veräußerung des Inventars war jedoch kein solcher Fall.

Die Rechtsprechung des BFH geht indes mittlerweile davon aus, dass jedenfalls bei Groß- und Einzelhandelsunternehmen sowie bei Hotel- und Gaststättenbetrieben –im Gegensatz zum produzierenden Gewerbe– die gewerblich genutzten Räume regelmäßig den wesentlichen Betriebsgegenstand bilden, die dem Handelsgeschäft das Gepräge geben.

Vor diesem Hintergrund lagen die Voraussetzungen für eine Betriebsverpachtung im Ganzen auch nach Veräußerung der Einrichtung der X-Apotheke zum 31. Dezember 1994 weiterhin vor. Die Lage der Apothekenräume in der S-Straße und der durch diese Lage bestimmte Kundenkreis sowie der Apothekenname, die Firma, waren von entscheidender Bedeutung.

Die Veräußerung der Einrichtung war für eine künftige Wiederaufnahme des Apothekenbetriebs durch die Klägerin oder einen Rechtsnachfolger infolgedessen ohne maßgebliche Bedeutung, da die hierfür geeigneten Räumlichkeiten nach wie vor vorhanden waren. Ladeneinrichtung und Warenbestand hätten jederzeit kurzfristig wiederbeschafft werden können.

Die isolierte Ablösung der Einrichtung reichte auch deshalb nicht zur Übernahme der Apotheke durch den Pächter aus, weil dieser hierfür jedenfalls die Verfügungsgewalt über die Firma benötigt hätte. Das Recht zur Firmenfortführung (vgl. § 22 des Handelsgesetzbuchs) hatte der Pächter –wie oben ausgeführt– indes nur für die Dauer des Pachtverhältnisses erlangt, und zwar nur mit der Verpflichtung, das Pachtverhältnis zu kennzeichnen. Es war zudem nicht Gegenstand des Kaufvertrags vom 29. Dezember 1994. Damit blieb zunächst die Erbengemeinschaft und später die Klägerin auch über den 31. Dezember 1994 hinaus Inhaberin der X-Apotheke.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Senatsbeschluss in BFH/NV 2006, 2072. Anders als im Streitfall veräußerte die dortige Steuerpflichtige nicht nur die Einrichtung, sondern gerade auch den Firmenwert und den Firmennamen und damit letztlich “die Apotheke”, wenn auch ohne Veräußerung der zugehörigen Räumlichkeiten.

Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass die Einkommensteuererklärung 1998 eine Aufgabeerklärung zum Zeitpunkt des Erklärungseingangs beim FA im September 2000 darstellt.

Nach ständiger Rechtsprechung muss die Erklärung der Aufgabe eines im Ganzen verpachteten Betriebs wegen ihrer erheblichen Bedeutung klar und eindeutig sein, d.h. sie muss unmissverständlich erkennen lassen, dass sich der Steuerpflichtige für eine Betriebsaufgabe entschieden hat . Anders als die Klägerin offenbar meint, liegt eine ausdrückliche Aufgabeerklärung deshalb nicht ausschließlich dann vor, wenn

Als Gestaltungserklärung kann die Erklärung der Betriebsaufgabe indes nicht mit rückwirkender Kraft abgegeben werden. Bezieht sich die Aufgabeerklärung auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt, teilt der Steuerpflichtige dem FA mit, er habe seinen Betrieb zu einem früheren Zeitpunkt als dem, in dem seine Mitteilung dem FA zugeht, aufgegeben. Hierbei handelt es sich –jedenfalls primär– um die Äußerung einer Rechtsansicht. Dies gilt nicht nur, wenn der Steuerpflichtige auf einen Zeitpunkt in der Vergangenheit verweist, zu dem seiner Ansicht nach eine zwangsweise Betriebsaufgabe stattgefunden hat, sondern auch wenn er übersieht, dass er die steuerrechtliche Gestaltungserklärung “Erklärung der Betriebsaufgabe” nicht mit rückwirkender Kraft abgeben kann. Es ist in so einem Fall im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob sich der Steuerpflichtige auf die Äußerung einer Rechtsansicht beschränken wollte oder tatsächlich den Willen hatte, hilfsweise die Aufgabe für den Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung abzugeben.

Die von der Klägerin abgegebene Erklärung ist auslegungsbedürftig. Eine auf den Veranlagungszeitraum 1998 zurückwirkende Aufgabe der bislang verpachteten Apotheken konnte sie bei Abgabe ihrer Einkommensteuerklärung 1998 im September 2000 nicht mehr erklären. Sie hat aber auch nicht ausdrücklich geäußert, dass die Aufgabe der Apotheken unabhängig von der Einbettung in die Einkommensteuererklärung 1998 in jedem Fall, also auch mit Wirkung für September 2000, erklärt werden sollte.

Im Streitfall entspricht die Auslegung des FG nicht den anerkannten Auslegungsgrundsätzen und entfaltet für den Senat deshalb ausnahmsweise keine Bindungswirkung i.S. des § 118 Abs. 2 FGO.

Das FG hat maßgeblich darauf abgestellt, aus dem von der Klägerin Erklärten, ihrem Gesamtverhalten und allen Nebenumständen sei aus Sicht des FA hervorgegangen, dass es ihr um die endgültige Entnahme der X-Apotheke sowie der Y-Apotheke und nicht lediglich um einen Hinweis des Inhalts gegangen sei, es sei bereits in der Vergangenheit bei den Rechtsvorgängern zu einer zwangsweisen Betriebsaufgabe gekommen.

Diese Würdigung wäre zwar zutreffend, wenn man die Betriebsaufgabe auf einen Zeitpunkt im Veranlagungszeitraum 1998 beziehen würde. Insbesondere hat der Senat keine Zweifel daran, dass die Erklärung der Entnahme klar und eindeutig auf die Aufgabe der beiden verpachteten Apotheken gerichtet war.

Entgegen der Ansicht des FG kann aus der Einkommensteuererklärung 1998 aber nicht (auch) auf eine Betriebsaufgabeerklärung auf den 22. September 2000, dem Zeitpunkt des Zugangs der Steuererklärung beim FA, geschlossen werden.

Das FG ist zunächst in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, angesichts der Einkleidung in die Einkommensteuererklärung 1998 und der Erklärung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für das gesamte Jahr 1998 habe die Aufgabeerklärung auf den Beginn des Jahres 1998 abgezielt. Es war jedoch weiter der Ansicht, die Angaben in der Steuererklärung 1998 hätten aus Sicht des FA erkennen lassen, dass die beiden verpachteten Apotheken auf jeden Fall entwidmet sein sollten. Das FA habe keinen Anhaltspunkt für eine Auslegung in der Weise gehabt, dass bei nicht eintretender Rückwirkung keine Entwidmung habe stattfinden sollen.

Diese Würdigung hält einer Nachprüfung nicht stand. Wie das FG selbst ausführt, zielte die Erklärung der Klägerin ersichtlich auf einen Zeitpunkt im Jahr 1998 ab. Dies war aber im September 2000 nicht mehr möglich. Gerade deshalb kann nicht geschlossen werden, die Aufgabe der gewerblichen Unternehmen “Verpachtung der X-Apotheke” und “Verpachtung der Y-Apotheke” solle dem erklärten Willen entgegen auf jeden Fall, ggf. also zum 22. September 2000 erfolgen. Dies ergibt sich –entgegen der Auffassung des FG– gerade nicht aus dem Fehlen von Anhaltspunkten dahingehend, dass bei nicht eintretender Rückwirkung keine Entwidmung habe stattfinden sollen. Das FG hätte vielmehr positive Umstände feststellen müssen, aus denen auf einen hilfsweise fortbestehenden Willen der Klägerin zur Realisierung der stillen Reserven auch noch im September 2000 geschlossen werden könnte. Zudem hat das FG bei seiner Auslegung nicht bedacht, dass zum Jahresende 1998 die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen i.S. des § 16 EStG mit einem ermäßigten (halben) Steuersatz entfiel und die Fünftel-Regelung ab dem Folgejahr eingeführt wurde. Diese einschneidende Rechtsänderung war ein gewichtiger Umstand, den das FG zur Erforschung des wirklichen Willens der Klägerin hätte heranziehen müssen. Da es dies nicht getan hat, hat es anerkannte Auslegungsgrundsätze verletzt.

Zwar gehört die Auslegung einer Aufgabeerklärung zu den vom FG zu treffenden tatsächlichen Feststellungen, so dass der BFH als Revisionsgericht die Auslegung grundsätzlich nicht selbst vornehmen darf. Sind –wie im Streitfall– die anerkannten Auslegungsregeln aber verletzt, so kann das Revisionsgericht, soweit weitere tatsächliche Feststellungen nicht mehr erforderlich sind, Erklärungen selbst auslegen.

Im Streitfall war der Wille der Klägerin aus den unter c) genannten Gründen nicht auf eine Erklärung der Betriebsaufgabe der X-Apotheke und der Y-Apotheke (auch) im Zeitpunkt des Eingangs ihrer Einkommensteuererklärung 1998 beim FA am 22. September 2000 gerichtet.

Verpachtung einer Apotheke im Ganzen

Eine Betriebsaufspaltung ist nur bei ausdrücklicher Aufgabeerklärung für die Zukunft möglich.

BFH Urteil vom 3.4.2014, X R 16/10

Begründung:

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH führt die Verpachtung eines Gewerbebetriebs nicht zwangsläufig zu einer Betriebsaufgabe und damit zur Aufdeckung der stillen Reserven. Ein Gewerbetreibender braucht vielmehr die in seinem Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven dann nicht aufzudecken, wenn er zwar selbst seine werbende Tätigkeit einstellt, aber entweder den Betrieb im Ganzen als geschlossenen Organismus oder zumindest alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs verpachtet  und der Steuerpflichtige gegenüber den Finanzbehörden nicht (klar und eindeutig) die Aufgabe des Betriebs erklär.

Wird keine Aufgabeerklärung abgegeben, so geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Absicht besteht, den unterbrochenen Betrieb künftig wieder aufzunehmen, sofern die zurückbehaltenen Wirtschaftsgüter dies ermöglichen.

Eine Betriebsverpachtung setzt danach u.a. voraus, dass der Steuerpflichtige dem Pächter einen Betrieb zur Nutzung überlässt, den der Pächter im Wesentlichen fortsetzen kann. Dem Verpächter muss objektiv die Möglichkeit verbleiben, den “vorübergehend” eingestellten Betrieb als solchen wieder aufzunehmen und fortzuführen.

Unstreitig haben sowohl V als auch M ihre Apotheken als solche, d.h. die dem Apothekenbetrieb dienenden Räume einschließlich der Geschäftseinrichtung, verpachtet. Für die Dauer des Pachtverhältnisses überlassen war bei der X-Apotheke ausdrücklich auch die Firma. Damit waren die wesentlichen Betriebsgegenstände, mittels derer die Pächter den Apothekenbetrieb jeweils fortsetzen konnten, auf Zeit überlassen.  Der Hinweis der Klägerin, V habe mit Beginn des Pachtvertrags sowohl die Firma als auch sein “Apothekenrecht” auf den Pächter übertragen, vermag an der Fortführungsmöglichkeit nichts zu ändern

Der Annahme einer Betriebsverpachtung im Ganzen steht nach der neueren Rechtsprechung nicht entgegen, dass die die wesentlichen Betriebsgrundlagen des Unternehmens verkörpernden Immobilien branchenfremd verpachtet werden. Selbst ein Wettbewerbsverbot hindert eine Betriebsverpachtung nicht notwendigerweise.

All diesen Entscheidungen liegt die Erwägung zugrunde, dass der Betriebsverpächter demnach nach Beendigung des Pachtverhältnisses nur die Möglichkeit haben muss, einen ähnlichen Gewerbebetrieb zu eröffnen. Die Gleichartigkeit des neuen Betriebs mit dem ursprünglich verpachteten Betrieb ist nicht erforderlich und kann auch bei einer Apotheke nicht gefordert werden.

Zwar führt nach der Rechtsprechung des BFH die Veräußerung wesentlicher Teile des Betriebsvermögens auch ohne ausdrückliche Erklärung zur Betriebsaufgabe mit der Folge, dass dann nur noch die einzelnen, von diesem Zeitpunkt an dem Privatvermögen zuzurechnenden Gegenstände verpachtet.  Die Veräußerung des Inventars war jedoch kein solcher Fall.

Kein Erlass der Erbschaftsteuer bei Veräußerung oder Aufgabe des steuerbegünstigt erworbenen Betriebsvermögens im Falle einer Insolvenz

Der Wegfall der Vergünstigungen nach § 13a Abs. 5 ErbStG a.F. infolge einer insolvenzbedingten Veräußerung des Betriebsvermögens ist kein sachlicher Grund für einen Erlass gemäß § 227 AO.

BFH Urteil vom 4. Februar 2010 II R 25/08

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 4. Februar 2010 II R 25/08 entschieden, dass Erbschaftsteuer nicht zu erlassen ist, wenn geerbtes Betriebsvermögen, für das dem Erben beim Erbfall ein Freibetrag und ein verminderter Wertansatz gewährt wurden, innerhalb von fünf Jahren nach dem Erbfall aufgrund einer Insolvenz veräußert oder aufgegeben wird. Die erbschaftsteuerrechtlichen Vergünstigungen bleiben dem Erben nur dann erhalten, wenn er den Betrieb mindestens fünf Jahre fortführt. Kann der Erbe dies nicht, weil über das Betriebsvermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet und in der Folge der Betrieb veräußert oder aufgegeben wird, muss er die für seinen Erwerb anfallende Erbschaftsteuer zahlen. Der Erbe kann sich nicht darauf berufen, dass die Insolvenz den Wegfall der erbschaftsteuerrechtlichen Vergünstigungen verursacht hat.