Bei einem Groß- und Einzelhandelsunternehmen bildet das für den Betrieb des Handelsgeschäfts benötigte Grundstück regelmäßig die wesentliche Betriebsgrundlage. Da das Geschäft ohne entsprechende Räumlichkeiten nicht betrieben werden kann, ist es unerheblich, wenn das Betreiben des Handelsgeschäfts allgemein nur geringe Anforderungen an die Räumlichkeiten stellt.
Ein Wettbewerbsverbot steht einer Betriebsverpachtung im Ganzen nicht unbedingt entgegen, da eine identitätswahrende Fortführung nicht zwingend die Wiedereröffnung des Einzel- bzw. Großhandelsbetriebs mit dem gleichen Sortiment erfordert.
BFH Urteil vom 07.11.2013 – X R 21/11 BFHNV 2014 S. 676 ff.
Begründung:
Entgegen der Auffassung des FG lagen jedoch die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung im Ganzen vor.
Stellt ein Unternehmer seine werbende gewerbliche Tätigkeit ein, so liegt darin nicht notwendigerweise eine Betriebsaufgabe. Die Einstellung kann auch nur als Betriebsunterbrechung zu beurteilen sein, die den Fortbestand des Betriebs unberührt lässt. Die Betriebsunterbrechung kann darin bestehen, dass der Betriebsinhaber die wesentlichen Betriebsgrundlagen –in der Regel einheitlich an einen anderen Unternehmer– verpachtet oder darin, dass er die gewerbliche Tätigkeit ruhen lässt. Wird keine Aufgabeerklärung abgegeben, so geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Absicht besteht, den unterbrochenen Betrieb künftig wieder aufzunehmen, sofern die zurückbehaltenen Wirtschaftsgüter dies ermöglichen.
Für die Annahme einer gewerblichen Betriebsverpachtung ist es nicht erforderlich, dass der Betrieb im Ganzen als geschlossener Organismus verpachtet wird. Es reicht vielmehr aus, wenn die wesentlichen, dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgegenstände verpachtet werden. Dem Verpächter muss objektiv die Möglichkeit verbleiben, den “vorübergehend” eingestellten Betrieb als solchen wieder aufzunehmen und fortzuführen.
Welche Betriebsgegenstände in diesem Sinne als wesentliche Betriebsgrundlagen in Betracht kommen, bestimmt sich nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der spezifischen Verhältnisse des betreffenden Betriebs. Maßgebend ist dabei auf die sachlichen Erfordernisse des Betriebs abzustellen (sog. funktionale Betrachtungsweise), und zwar auf die Verhältnisse des verpachtenden, nicht hingegen des pachtenden Unternehmens.
Wird lediglich das Betriebsgrundstück, ggf. in Verbindung mit Betriebsvorrichtungen, verpachtet, so liegt nur dann eine Betriebsverpachtung vor, wenn das Grundstück die alleinige wesentliche Betriebsgrundlage darstellt. Die ältere Rechtsprechung hat dies als Ausnahme angesehen. Demgegenüber geht die neuere Rechtsprechung davon aus, dass u.a. bei Groß- und Einzelhandelsunternehmen die gewerblich genutzten Räume, die dem Handelsgeschäft das Gepräge geben, regelmäßig den wesentlichen Betriebsgegenstand bilden.
Unstreitig hat der Kläger ab Juli 1979 der GmbH den für den von ihr betriebenen Getränkehandel erforderlichen Grundbesitz verpachtet. Nach den vorstehenden Ausführungen stellt dieser regelmäßig die wesentliche Betriebsgrundlage dar. Auch für ein als Großhandel betriebenes Unternehmen ist die Lage der Geschäftsräume und der durch diese Lage bestimmte Kundenkreis im Verhältnis zu Wirtschaftsgütern wie Inventar und Warenbestand von entscheidender Bedeutung.
Nach den nicht angegriffenen und den Senat deshalb bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war das Lagergebäude mit einer Rampe versehen, um das leichtere Be- und Entladen der Getränkelieferwagen zu ermöglichen. Damit war das Grundstück spezifisch auf die Bedürfnisse des Getränkehandels zugeschnitten. Unerheblich ist, dass das Betreiben eines Getränkegroßhandels allgemein nur geringe Anforderungen an die Räumlichkeiten stellt. Benötigt werden neben einem Büro im Wesentlichen Lagerräume. Gehört zu dem Großhandel noch ein Abholmarkt –wie es nach den Ausführungen der Kläger auch vorliegend der Fall war– ist zusätzlich ein Verkaufsraum für die Laufkundschaft erforderlich. Bereits der Umstand, dass das Geschäft ohne diese Räumlichkeiten nicht betrieben werden kann, macht das genutzte Grundstück zur wesentlichen Betriebsgrundlage.
Das in die GmbH eingebrachte bewegliche Anlagevermögen sowie das Umlaufvermögen waren demgegenüber im Gegensatz zu dem zurückbehaltenen Grundbesitz jederzeit kurzfristig wiederbeschaffbar und damit von untergeordneter Bedeutung. Entgegen der Auffassung des FG bedeutet das Erfordernis der Wiederbeschaffbarkeit nicht, dass der Verpächter im Falle der Veräußerung –oder wie im Streitfall der Einbringung– von nicht wesentlichen Betriebsgrundlagen die identischen Gegenstände zurückerlangen muss, um den während der Verpachtung in eigener Regie “ruhenden” Betrieb später “in gleichartiger oder ähnlicher Weise” wieder aufnehmen zu können. Ein solches Erfordernis wäre bei Umlaufvermögen offenkundig nicht möglich, aber auch bei abnutzbarem, dem Verschleiß und technischem Fortschritt unterliegenden Anlagevermögen regelmäßig nicht erfüllbar.
Der Rechtsprechung, wonach im Fall eines Groß- und Einzelhandels eine Betriebsverpachtung im Ganzen bereits dann vorliegen kann, wenn nur das Betriebsgrundstück überlassen wird, steht auch nicht ein –nach Ansicht der Kläger– im Hinblick auf europarechtliche Bestimmungen verändertes Verständnis einer wesentlichen Betriebsgrundlage entgegen. Wie schon der Titel der von den Klägern insoweit herangezogenen “Richtlinie 90/434 EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, Einbringung von Unternehmensteilen und Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedsstaaten betreffen” (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 225/1) zeigt, sind von dieser Regelung (Art. 2 Buchst. i der Fusionsrichtlinie –FRL–) nur zwischenstaatliche Vorgänge erfasst, die in Deutschland nach dem Umwandlungssteuergesetz zu beurteilen sind. Sie ist deshalb für § 16 des Einkommensteuergesetzes regelmäßig ohne Bedeutung (Schmidt/Wacker, EStG, 32. Aufl., § 16 Rz 141). Darüber hinaus hat der BFH festgestellt, dass eine Teilbetriebsübertragung nach der FRL ebenfalls grundsätzlich die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen –also nicht die Übertragung aller Betriebsgrundlagen– voraussetzt, der FRL mithin kein abweichendes Begriffsverständnis zugrunde liegt.