Zwischen Dach und abgehängten Decken des Obergeschosses existierender Raum als "nicht ausgebauter Dachraum"
Eine von den Gerichten zu beachtende Selbstbindung der Verwaltung.
BFH Urteil vom 4.2.2010, II R 1/09
Begründung:
Angesichts der Tatsache, dass das BewG keine weiteren Vorgaben zur Ermittlung des Gebäudewerts enthält, hat die Bundesregierung bereits am 19. September 1966 mit Zustimmung des Bundesrates auf der Grundlage des Art. 108 Abs. 6 des Grundgesetzes (GG) in der damaligen Fassung die BewRGr erlassen, welche das Bewertungsrecht betreffende Zweifels- und Auslegungsfragen von allgemeiner Bedeutung behandeln und primär der einheitlichen Anwendung des Bewertungsrechts durch die Finanzbehörden dienen. Nach Abschn. 37 Abs. 1 Satz 1 BewRGr ist der umbaute Raum nach DIN 277 in der Fassung aus November 1950 zu berechnen, wozu ausweislich des Satzes 5 der Vorschrift im Einzelnen auf die in Anlage 12 zu den BewRGr enthaltenen, aus der DIN 277 entnommenen Zeichnungen verwiesen wird. Nach Abschn. 37 Abs. 1 Satz 2 BewRGr werden unter anderem "ausgebaute Dachgeschosse" mit dem vollen Rauminhalt angesetzt, während nach Satz 3 der Vorschrift "nicht ausgebaute Dachräume" mit einem Drittel ihres Rauminhalts berücksichtigt werden. Letzteres gilt nach Abschn. 37 Abs. 1 Satz 4 BewRGr auch dann, wenn die Decke über dem obersten Vollgeschoss nicht begehbar ist, wie dies nach den dortigen Ausführungen "z.B." bei "unterhalb des Daches aufgehängte(n) Staubdecken" der Fall sein soll.
Der Senat ist zwar an die Wertungen in Abschn. 37 Abs. 1 BewRGr nicht gebunden, weil er nur dem Gesetz unterworfen ist (Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 GG) und Verwaltungsvorschriften (Richtlinien, Erlasse, Verfügungen) nur die nachgeordneten Verwaltungsdienststellen binden. Eine von den Gerichten zu beachtende Selbstbindung der Verwaltung besteht allerdings als Ausfluss von Art. 3 Abs. 1 GG ausnahmsweise in dem Bereich der der Verwaltung vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsfreiheit, also im Bereich des Ermessens, der Billigkeit und der Typisierung oder Pauschalierung. Damit wird der Bedeutung Rechnung getragen, die den BewRGr für die Gewährleistung einer möglichst gleichmäßigen Besteuerung, für die Rechtssicherheit sowie für die Praktikabilität des Bewertungsverfahrens zukommt.
Im Streitfall steht der einschränkenden Auslegung des Abschn. 37 Abs. 1 BewRGr durch das FA der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung entgegen. Die Verwaltung hat in Abschn. 37 Abs. 1 BewRGr eine die Berechnung des umbauten Raumes betreffende Typisierung vorgenommen, welche nach dem Grad der Raumnutzbarkeit differenziert und weder sachfremd ist noch den ohnehin nur kursorischen Vorgaben in §§ 85 ff. BewG widerspricht. Der zwischen dem geneigten Dach des streitbefangenen Gebäudes und den als Deckenabschluss vorhandenen abgehängten Decken in den Büroräumen des Obergeschosses existierende Raum stellt sich danach als "nicht ausgebauter Dachraum" i.S. des Abschn. 37 Abs. 1 Satz 3 BewRGr dar.
Nach Abschn. 37 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BewRGr können Dachräume nämlich nur entweder "ausgebaut" i.S. des Satzes 2 oder "nicht ausgebaut" i.S. des Satzes 3 der Vorschrift sein. Dabei setzt ein "ausgebauter Dachraum" –wie sich aus der Aufzählung in Satz 2 ergibt– Ausbaumaßnahmen in einem Umfang voraus, welche die Nutzung des Dachgeschossraumes nach Art eines Vollgeschosses oder Kellers ermöglichen. Nur diejenigen Dachgeschossräume sind also vollständig in die Ermittlung des umbauten Raumes einzubeziehen, die gerade durch ihren Ausbau mit Blick auf die Nutzbarkeit den ansonsten voll anzusetzenden Vollgeschoss- und Kellerräumen gleichstehen, während nicht ausgebaute Dachgeschosse wegen ihrer den vorgenannten Räumlichkeiten nicht vergleichbaren Nutzbarkeit nur vermindert einzubeziehen sind.
Die Auffassung des FA, die abgehängte Decke diene lediglich der Aufnahme verkleideter Versorgungsleitungen und ihre Nichtbegehbarkeit führe nicht zu einem darüber liegenden Dachraum, widerspricht den von der Finanzverwaltung selbst geschaffenen Vorgaben des Abschn. 37 Abs. 1 Satz 4 BewRGr. Danach gelten die Ausführungen in Satz 3 auch, wenn die Decke über dem obersten Vollgeschoss nicht begehbar ist, womit jede nicht begehbare Decke über dem obersten Vollgeschoss erfasst wird. Auf die Frage, ob eine abgehängte Decke einer in Satz 4 beispielhaft aufgezählten, unterhalb des Daches aufgehängten Staubdecke entspricht, kommt es danach nicht an.