Buchnachweis bei Ausfuhrlieferungen – Ergänzung und Berichtigung – Steuerbefreiung trotz fehlenden Buchnachweises

Der Unternehmer muss den buchmäßigen Nachweis der steuerfreien Ausfuhrlieferung (§ 6 Abs. 4 UStG i.V.m. § 13 UStDV) bis zu dem Zeitpunkt führen, zu dem er die Umsatzsteuer-Voranmeldung für die Ausfuhrlieferung abzugeben hat.

Der Unternehmer kann fehlende oder fehlerhafte Aufzeichnungen eines rechtzeitig erbrachten Buchnachweises bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG nach den für Rechnungsberichtigungen geltenden Grundsätzen ergänzen oder berichtigen.

Wird der Buchnachweis weder rechtzeitig geführt noch zulässigerweise ergänzt oder berichtigt, kann die Ausfuhrlieferung gleichwohl steuerfrei sein, wenn aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 bis Abs. 3a UStG vorliegen (Änderung der Rechtsprechung)

Begründung:

Bei der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) der Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten. Wurde unbestreitbar eine innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt, die die materiellen Anforderungen erfüllt, ist diese auch steuerfrei, wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt, der Verstoß gegen die formellen Anforderungen aber den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden, nicht verhindert.

Aufgrund dieses EuGH-Urteils hat der Senat entgegen seiner früheren Rechtsprechung entschieden, dass die gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bei innergemeinschaftlichen Lieferungen bestehenden Nachweispflichten keine materiellen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen sind.

Zweifelsfragen bei Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftlichen Lieferungen

Belege zum Nachweis einer Beförderung oder Versendung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen i.S. von § 17a UStDV müssen entweder selbst oder in Verbindung mit anderen Unterlagen den Namen und die Anschrift ihres Ausstellers erkennen lassen.

Der Belegnachweis nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. § 17a UStDV unterliegt der Nachprüfung. Sind die Belegangaben unzutreffend oder bestehen an der Richtigkeit der Angaben begründete Zweifel, die der Unternehmer nicht nach allgemeinen Beweisgrundsätzen ausräumt, ist die Lieferung steuerpflichtig, sofern nicht die Voraussetzungen des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG vorliegen.

Ein CMR-Frachtbrief ist auch dann ein Versendungsbeleg gemäß § 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 UStDV, wenn er keine Bestätigung über den Warenempfang am Bestimmungsort enthält (entgegen dem BMF-Schreiben vom 6. Januar 2009 IV B 9 – S 7141/08/10001, BStBl I 2009, 60 Rz 38).

Die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht zum Nachweis der Abholberechtigung des Abholenden zählt nicht zu den Erfordernissen für einen i.S. des § 17a Abs. 1 und 2 UStDV ordnungsgemäßen Belegnachweises (entgegen BMF-Schreiben in BStBl I 2009, 60 Rz 29 und 32). Davon zu unterscheiden ist die Nachprüfbarkeit der Abholberechtigung durch das Finanzamt bei Vorliegen konkreter Zweifel im Einzelfall.

BFH Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06

Erläuterungen:

Mit drei zeitgleich veröffentlichten Urteilen vom 23. April 2009 V R 84/07, vom 12. Mai 2009 V R 65/06 und vom 28. Mai 2009 V R 23/08 hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine Reihe von Zweifelsfragen der Umsatzsteuerbefreiungen bei Lieferungen in Drittstaaten (sog. Ausfuhrlieferung gemäß § 6 des Umsatzsteuergesetzes UStG ) und in andere EG-Mitgliedstaaten (sog. innergemeinschaftliche Lieferung gemäß § 6a UStG) geklärt. Insbesondere innergemeinschaftliche Lieferungen gelten in der Praxis als sehr missbrauchsanfällig und sind häufig Streitgegenstand in Prüfungen der Finanzverwaltung und bei Finanzgerichtsverfahren.

Die Steuerbefreiungen für Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftliche Lieferungen setzen u.a. voraus, dass die gelieferte Ware in das Ausland befördert oder versendet wird. Da der Unternehmer die Voraussetzungen der Steuerbefreiungen nur mit unzumutbaren Aufwand vollumfänglich nachweisen kann, ordnet das UStG in Verbindung mit der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung (UStDV) an, dass der Unternehmer den Nachweis der Steuerfreiheit bei innergemeinschaftlichen Lieferungen und bei Ausfuhrlieferungen durch Belege und Aufzeichnungen als sog. Beleg- und Buchnachweis zu erbringen hat.

Nach den Urteilen vom 23. April 2009 und vom 12. Mai 2009 kommt dem Beleg- und Buchnachweis nur vorläufiger Beweischarakter zu. Zwar ist der Unternehmer berechtigt, die Lieferung als steuerfrei zu behandeln, wenn ihm der erforderliche Beleg- und Buchnachweis vorliegt. Die durch den Unternehmer beizubringenden Nachweise unterliegen jedoch der Nachprüfung durch die Finanzverwaltung. Wird dabei die Unrichtigkeit von Beleg- oder Buchangaben festgestellt oder bestehen zumindest begründete Zweifel an der Richtigkeit der Angaben, entfällt die dem Beleg- und Buchnachweis zukommende Vermutung, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Die Lieferung ist dann nur steuerfrei, wenn die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv feststehen oder der Unternehmer die Lieferung trotz einer Täuschung durch den Abnehmer gutgläubig in Anspruch genommen hat.

Den BFH-Urteilen vom 23. April 2009 und vom 12. Mai 2009 kommt grundsätzliche Bedeutung zu, da der BFH in beiden Entscheidungen betont, dass sich der Umfang der den Unternehmer treffenden Verpflichtungen abschließend aus der UStDV ergibt. Die Finanzverwaltung ist danach nicht befugt, die Bestimmungen der UStDV um weitere Voraussetzungen zu verschärfen, deren Fehlen für sich allein die Annahme berechtigt, Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftliche Lieferungen seien bereits mangels Beleg- und Buchnachweis umsatzsteuerpflichtig. Holt z.B. ein vom Abnehmer Beauftragter die Ware beim Unternehmer im Inland zum Transport in das Ausland ab, ist der Unternehmer mangels gesetzlicher Anordnung in der UStDV nach beiden Urteilen nicht generell verpflichtet, die Abholberechtigung eines Beauftragten belegmäßig nachzuweisen. Weitergehende Nachweispflichten bestehen für den Unternehmer aber, wenn an der Steuerfreiheit der Lieferung im Einzelfall begründete Zweifel bestehen.

Mit Urteil vom 12. Mai 2009 hat der BFH weiter entschieden, dass der Nachweis der Versendung auch durch einen sog. CMR-Frachtbrief geführt werden kann, ohne dass es darauf ankommt, ob der Frachtbrief die in Feld 24 vorgesehene Empfängerbestätigung enthält.

Das Urteil vom 28. Mai 2009 betrifft schließlich die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt der Unternehmer den Buchnachweis durch buchmäßige Aufzeichnungen zu führen hat. Der BFH entschied unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung, dass die erforderlichen Aufzeichnungen bis zum Zeitpunkt der Abgabe der jeweiligen Umsatzsteuer-Voranmeldung zu führen sind. Danach können die buchmäßigen Aufzeichnungen nur noch ergänzt und/oder berichtigt werden.