Einordnung des Handels mit Vorratsgesellschaften

Die wiederholte Gründung und Veräußerung von sog. Vorratsgesellschaften –hier: Gründung und Veräußerung von insgesamt 40 GmbHs– überschreitet die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung.
BFH Urteil vom 27.06.2017 – IX R 3/17 BFH/NV 2018, 20

Sachverhalt:

Die Beteiligten streiten darüber, ob Gewinne aus der Gründung und Veräußerung von sog. Vorratsgesellschaften als private Beteiligungseinkünfte nach § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerbar sind.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erzielte im Streitjahr 2014 als Steuerberaterin Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Von 2005 bis 2014 gründete die Klägerin jeweils als Alleingesellschafterin GmbHs. Die GmbHs verfügten über keinen Geschäftsbetrieb und bis auf das von der Klägerin eingezahlte Stammkapital über kein Betriebsvermögen. Die Klägerin veräußerte die von ihr gegründeten GmbHs über die Firma Z als gegen Zahlung einer Provision eingeschaltete Vermittlerin weiter. In den Jahren 2005 bis 2014 veräußerte die Klägerin insgesamt 40 GmbHs. Im Streitjahr 2014 gründete sie 5 GmbHs und veräußerte diese weiter. Daraus erzielte sie einen Gewinn in Höhe von 2.692 EUR.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2014 erklärte die Klägerin den Gewinn aus der Veräußerung der Vorratsgesellschaften im Rahmen der Einkünfte aus § 15 EStG. Die Veranlagung erfolgte mit Einkommensteuerbescheid 2014 vom 28. Dezember 2015 erklärungsgemäß. Im Einspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, die Einkünfte aus der Gründung und Veräußerung der Gesellschaften im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung erzielt zu haben und begehrte den Ansatz des Gewinns im Rahmen der Einkünfte aus § 17 EStG und die Anwendung des Freibetrags nach § 17 Abs. 3 EStG. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 19. April 2016 als unbegründet zurück.

Begründung:

Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin die Anteile an den Vorratsgesellschaften in ihrem Betriebsvermögen und nicht in ihrem Privatvermögen gehalten hat, so dass die Anwendung des § 17 EStG und damit auch des Freibetrags nach § 17 Abs. 3 EStG ausscheidet. Mangels steuerlicher Auswirkung kann offenbleiben, ob die Anteile zu einem gewerblichen Betriebsvermögen der Klägerin oder zu ihrem freiberuflichen Betriebsvermögen als Steuerberaterin gehört haben.
Entgegen der Ansicht der Klägerin hat das FG ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Tätigkeit der Klägerin nach dem Gesamtbild der Verhältnisse und der Verkehrsanschauung die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung (§ 14 Satz 3 der Abgabenordnung –AO–) überschreitet, so dass die Anteile an den Vorratsgesellschaften dem Betriebsvermögen der Klägerin zuzuordnen und die daraus folgenden Einkünfte nicht nach § 17 EStG steuerbar sind.

Die Grenze der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb wird überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung der Vermögenswerte i.S. einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt. Der Kernbereich der Vermögensverwaltung wird in § 14 Satz 3 AO durch Bezugnahme auf Regelbeispiele (verzinsliche Anlage von Kapitalvermögen und die Vermietung oder Verpachtung von unbeweglichem Vermögen) abgegrenzt. Dadurch wird die Vermögensverwaltung gleichwohl nicht abschließend definiert. Sie wird in der Rechtsprechung des BFH letztlich negativ danach bestimmt, “ob die Tätigkeit dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmacht”.

Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb und Vermögensverwaltung ist somit auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen. In Zweifelsfällen ist die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist. Es entspricht langjähriger und gefestigter Rechtsprechungstradition, das “Bild des Gewerbebetriebs” durch Orientierung an unmittelbar der Lebenswirklichkeit entlehnten Berufsbildern zu konturieren. Zu diesen gehören die –selbständig und nachhaltig ausgeübten– Tätigkeiten der Produzenten, der Dienstleister und der Händler. Ob Veräußerungen noch der Vermögensverwaltung zuzuordnen sind, lässt sich nicht für alle Wirtschaftsgüter nach einheitlichen Maßstäben beurteilen. Vielmehr sind die jeweiligen artspezifischen Besonderheiten zu beachten. Gegenstand des händlertypischen Umschlags von Waren können grundsätzlich alle handelbaren Wirtschaftsgüter oder Sachgesamtheiten sein. Hierzu gehören auch Unternehmen sowie Beteiligungen an Unternehmen..

Nach Maßgabe der nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG und unter Berücksichtigung der in der o.g. Rechtsprechung entwickelten Rechtsgrundsätze zur Abgrenzung einer gewerblichen von einer vermögensverwaltenden Tätigkeit ist die Würdigung des FG, wonach eine private Vermögensverwaltung nicht vorliegt, nicht zu beanstanden.
Die Tätigkeit der Klägerin ist bereits nach der Art der betroffenen Wirtschaftsgüter nicht den klassischen Bereichen der privaten Vermögensverwaltung wie –u.a. den in § 14 Satz 3 AO erwähnten Formen– der Anlage von Kapitalvermögen oder Vermietung von unbeweglichem Vermögen zuzuordnen (vgl. Schmidt/ Wacker, EStG, 36. Aufl., § 15 Rz 89; Hartrott, Finanz-Rundschau 2008, 1095, 1096). Denn Vorratsgesellschaften sind mangels mit ihnen verbundener Ertrags- und Wertsteigerungsaussichten als bloße (“leere”) Hüllen allein kein taugliches Mittel einer privaten Vermögenverwaltung. Ihre Gründung ist daher mit der Anschaffung anderer Wirtschaftsgüter der Vermögensverwaltung, mit denen auf eine Wertsteigerung spekuliert wird (wie z.B. Gold, unbebaute Grundstücke) oder auf Erträge abgestellt wird (z.B. Aktien, bebaute Grundstücke) nicht vergleichbar. Privatpersonen bedienen sich auch üblicherweise –selbst in Niedrigzinsphasen– nicht der Gründung und Weiterveräußerung von Vorratsgesellschaften als Mittel zur Kapitalanlage. Vielmehr werden diese regelmäßig von gewerblichen Anbietern oder Angehörigen der steuer- und rechtsberatenden Berufe –wie der Klägerin– am Markt angeboten.

Die Tätigkeit der Klägerin überschreitet auch nach dem Gesamtbild und der Verkehrsanschauung die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung. Die Klägerin hat mit der Gründung der GmbHs ein zunächst nicht vorhandenes Wirtschaftsgut “GmbH-Beteiligung” hergestellt und zeitnah veräußert. Die Klägerin hat damit nicht ein bereits vorhandenes Wirtschaftsgut zur Kapitalanlage angeschafft, sondern sich mit der Schaffung eines neuen Wirtschaftsguts wie ein Produzent oder Dienstleister verhalten, mit dem Unterschied, keine körperlichen Waren hergestellt, sondern mit der Gründung der Beteiligung ein marktgängiges und verkehrsfähiges Wirtschaftsgut geschaffen zu haben. Das Verhalten der Klägerin war auch nicht auf dauerhafte Fruchtziehung ausgerichtet, da sich mangels Ausschüttungseignung der Beteiligungen nur durch eine schnelle Weiterveräußerung und nicht durch ein langfristiges Halten und damit verbundenes Erzielen von Dividendeneinkünften ein Gewinn erzielen ließ. Die Klägerin hat mit dem Erlös aus der Weiterveräußerung der Vorratsgesellschaften nach den Feststellungen des FG auch keine Wertsteigerung des jeweiligen Anteils realisiert. Vielmehr wurden mit dem Aufschlag bei der Weiterveräußerung allein der Zeit- und Arbeitseinsatz der Klägerin, mithin die von der Klägerin erbrachte Dienstleistung, und die damit verbundene Ersparnis des Gründungsaufwands bei den Erwerbern abgegolten.

Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin auch zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt, die neu gegründeten Gesellschaften dauerhaft zu halten, sondern hat diese –was die vom FG festgestellte kurze Haltedauer jeweils zeigt– schnellstmöglichst als Vorratsgesellschaften vermarktet. Private Vermögensverwaltung ist aber grundsätzlich langfristig ausgerichtet. Sie dient dazu, Privatvermögen nutzbringend anzulegen und mittels der Wertsteigerungen und Erträge ein finanzielles Polster zu schaffen. Die Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern in der Absicht alsbaldiger Veräußerung überschreitet jedoch die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung.

Die Tätigkeit der Klägerin ist auch nicht mit dem (der Vermögensverwaltung zuzuordnenden) Bereich des An- und Verkaufs von börsengehandelten Wertpapieren vergleichbar. Zwar kann der häufige An- und Verkauf von Wertpapieren “typische” Vermögensverwaltung sein. Dies gilt auch dann, wenn die Größe des Vermögens beachtlich ist und dessen Verwaltung häufige und ständige Umschichtungen. Dagegen stellen sich die Gründung und der Verkauf von Vorratsgesellschaften anders. Es geht nicht um die Anschaffung und Veräußerung von in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht durch Wertpapiere verbrieften und an der Börse handelbaren Beteiligungen an Kapitalgesellschaften. Denn diese werden regelmäßig unter Nutzung eines Markts (Börse) und im Regelfall über Banken (anonym) erworben und veräußert. Auch geht es nicht darum, Zinsen und Dividenden oder Wertsteigerungen durch eine günstige Kursentwicklung zu erzielen. Stattdessen wurden von der Klägerin individuell Kapitalgesellschaften gegründet und an Interessenten veräußert. Es geht der Klägerin auf der Grundlage der Feststellungen des FG daher nicht in ihrem eigenen Interesse um das bloße Umschichten von Anteilen oder das Ausnutzen von Wertsteigerungen in der Folge von Kursänderungen, sondern allein darum, funktionslose Mantelgesellschaften für interessierte Erwerber zu gründen und zu veräußern.
Mangels steuerlicher Auswirkung braucht sich der Senat nicht mit der Frage zu beschäftigen, ob die streitigen Anteile an den Vorratsgesellschaften einem gewerblichen Betriebsvermögen der Klägerin (§ 15 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder ihrem freiberuflichen Betriebsvermögen aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zuzurechnen sind. Da die Klägerin Einzelunternehmerin ist, stellt sich auch nicht die Frage der Anwendung der Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG.