Anscheinsbeweis und 1 %-Regelung

Der Beweis des ersten Anscheins, der für eine private Nutzung betrieblicher PKW spricht, ist entkräftet, wenn für private Fahrten andere Fahrzeuge zur Verfügung stehen, die dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar sind.

BFH Urteil vom 4.12.2012, VIII R 42/09

Begründung:

Das FG hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, B habe den Beweis des ersten Anscheins, der für eine private Nutzung des betrieblichen PKW Porsche 911 spreche, entkräftet. Zum einen sei der Porsche 911 nicht während des gesamten Kalenderjahres auf B zugelassen gewesen, sondern nur für den Zeitraum 22. April bis 4. November 1999; die Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 21. April 1999 sowie vom 5. November 1999 bis zum 31. Dezember 1999 scheide damit für jegliche private Nutzung aus. Auch hätten B jedenfalls für den Zeitraum 22. Juli bis 4. November 1999 gleichwertige Fahrzeuge zur privaten Nutzung zur Verfügung gestanden. Der im Privatvermögen befindliche und auf den B zugelassene PKW Porsche 928 S4 sei dem betrieblich genutzten Porsche 911 in etwa geleichwertig. Da die Ehefrau des B in der zweiten Jahreshälfte 1999 über einen im Privatvermögen befindlichen PKW Volvo V70 T5 verfügen konnte, sei der Beweis des ersten Anscheins, der für eine private Nutzung des betrieblichen Kfz spreche, auch für den Zeitraum 22. Juli bis 4. November 1999 erschüttert.

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

Nach allgemeiner Lebenserfahrung werden dienstliche oder betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins. Etwas anderes gilt, wenn es sich um ein Fahrzeug handelt, das typischerweise zum privaten Gebrauch nicht geeignet ist. Soweit keine besonderen Umstände hinzutreten, kann das FG aufgrund der Anscheinsbeweisregel regelmäßig davon ausgehen, dass eine private Nutzung stattgefunden hat.

Der Beweis des ersten Anscheins kann durch den sog. Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu ist der Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich. Die Revisionsbeklagten müssen also nicht beweisen, dass eine private Nutzung des Porsche 911 nicht stattgefunden hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass ein Sachverhalt dargelegt (und im Zweifelsfall nachgewiesen) wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens ergibt. Der Anscheinsbeweis wird im Regelfall noch nicht erschüttert, wenn lediglich behauptet wird, für privat veranlasste Fahrten hätten private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden. Auch ein eingeschränktes privates Nutzungsverbot vermag den Anscheinsbeweis regelmäßig nicht zu entkräften.

Über die Frage, ob der für eine Privatnutzung sprechende Beweis des ersten Anscheins erschüttert ist, entscheidet das FG unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Dabei hat es nicht nur den von den Revisionsbeklagten vorgebrachten Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Unter Umständen muss das FG auch zusätzliche, für die Privatnutzung sprechende Umstände aufklären und berücksichtigen. An die Würdigung des FG ist der BFH revisionsrechtlich gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO), soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungsgrundsätzen beeinflusst ist.

Im Streitfall hat das FG seiner Entscheidung die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung zugrunde gelegt und nach gründlicher Abwägung der Umstände des Streitfalls den Schluss gezogen, der Anscheinsbeweis für eine Privatnutzung des PKW Porsche 911 sei für den hier in Frage stehenden Zeitraum 1. Januar bis zum 21. April 1999 sowie für die Zeit vom 22. Juli bis zum 31. Dezember 1999 erschüttert. An diese Würdigung ist der Senat gebunden, denn sie ist verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und weder durch Denkfehler noch durch die Verletzung von Erfahrungsgrundsätzen beeinflusst.

Angesichts der beiden privat zur Verfügung stehenden Fahrzeuge Porsche 928 S4 und Volvo V70 T5 ist der Anscheinsbeweis für die private Nutzung des Porsche 911 erschüttert. Es wäre daher Aufgabe des FA gewesen, die private Nutzung des PKW Porsche 911 durch B im fraglichen Zeitraum zu beweisen. Diesen Beweis hat das FA nicht erbracht.