Abzweigungsentscheidung bei nachträglicher Erfüllung der Unterhaltspflicht

Beantragt das Kind die Auszahlung (Abzweigung) des Kindergeldes an sich, weil der Kindergeldberechtigte keinen laufenden Unterhalt zahlt, ist die Abzweigung an das Kind in der Regel die allein ermessensgerechte Entscheidung .

Wird der Kindergeldberechtigte rückwirkend zur Zahlung von Unterhalt an sein Kind verurteilt und beantragt deshalb rückwirkend Kindergeld, ist der rückwirkend gezahlte Unterhalt aber bei der (Ermessens-)Entscheidung über den gleichzeitig gestellten Antrag des Kindes auf Abzweigung zu berücksichtigen .

Die Behörde hat eine Ermessensentscheidung im Einspruchsverfahren nicht nur auf Ermessensfehler hin zu überprüfen, sondern bei Änderung der Sach- und Rechtslage im Einspruchsverfahren ggf. eine neue Ermessensentscheidung zu treffen .

BFH Urteil vom 26.8.2010, III R 16/08

Begründung:

Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG kann das für ein Kind nach § 66 Abs. 1 EStG festgesetzte Kindergeld an dieses selbst ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Eine Verletzung der Unterhaltspflicht liegt vor, wenn der Kindergeldberechtigte objektiv und dauerhaft für den wesentlichen Unterhalt des Kindes nicht aufkommt; die Pflichtverletzung muss nicht schuldhaft sein.

Die Entscheidung der Familienkasse über eine Abzweigung von Kindergeld ist eine Ermessensentscheidung ("kann"). Die Familienkasse hat bei Ausübung ihres Ermessens sowohl den Zweck des Kindergeldes als auch den Zweck der Abzweigungsvorschrift (§ 5 der Abgabenordnung) zu beachten. Da das Kindergeld die Eltern wegen ihrer Unterhaltsleistungen steuerlich entlasten soll, sind bei der Prüfung, ob und inwieweit das Kindergeld abzuzweigen ist, auch geringe Unterhaltsleistungen des Kindergeldberechtigten mit einzubeziehen. Trägt der Kindergeldberechtigte dagegen überhaupt keine Aufwendungen für den Unterhalt des Kindes, ist das Ermessen der Familienkasse eingeschränkt. Ermessensgerecht ist in einem solchen Fall allein die Auszahlung des Kindergeldes an das Kind, da der erkennbare Zweck des § 74 Abs. 1 EStG darin liegt, dem Kind das Kindergeld zukommen zu lassen, wenn der Kindergeldberechtigte keinen Unterhalt leistet.