Die von einem Leasinggeber dem Leasingnehmer eingeräumte Möglichkeit, den Leasing-PKW bei Vertragsablauf zu einem weit unter dem Verkehrswert liegenden Preis entweder selbst anzukaufen oder einen Dritten als Käufer zu benennen, stellt ein entnahmefähiges betriebliches Wirtschaftsgut dar, wenn die Leasingraten zuvor als Betriebsausgaben abgezogen worden sind.
Der Begriff des Wirtschaftsguts setzt nicht voraus, dass es dem Betrieb einen Nutzen für mehrere Jahre bringt (Klarstellung der bisherigen Rechtsprechung).
BFH Urteil vom 26.11.2014, X R 20/12
Begründung:
Sowohl die tatsächliche Würdigung des FG, L habe der Klägerin durch kurz vor Ablauf der jeweiligen Leasingverträge zugesandte Schreiben Kaufoptionen eingeräumt (dazu unten 1.), als auch die rechtliche Beurteilung dieser Kaufoptionen als entnahmefähige Wirtschaftsgüter (unten 2.) ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das FG hat erkannt, dass der Wortlaut der genannten Schreiben auch deren Auslegung als bloße Hinweise auf die bereits im Leasingvertrag vorgesehenen Möglichkeiten der Vertragsverlängerung einerseits und des durch L auszuübenden Andienungsrechts andererseits ermöglichen würde. Es hat von einer solchen buchstabengetreuen Auslegung aber Abstand genommen (vgl. auch § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs –BGB–) und hierfür die in den Schreiben enthaltene Aufforderung zur Benennung einer Rechnungsanschrift, den wirtschaftlichen Gesamtgehalt der Vereinbarungen angesichts der ungewöhnlichen Höhe der vorangehend gezahlten Leasingraten und die Aussagen des Zeugen P zur Geschäftspolitik der L herangezogen.
Die Kaufoptionen stellen Wirtschaftsgüter dar. Der steuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsguts ist weit zu fassen und auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen. Er umfasst zum einen alle Gegenstände i.S. des § 90 BGB (Sachen und Rechte), darüber hinaus aber auch sonstige Vorteile. Darunter sind tatsächliche Zustände sowie konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb zu verstehen, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich sind.
Die der Klägerin eingeräumten Verkaufsoptionen erfüllen alle vorgenannten Voraussetzungen. Es handelt sich um konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb, da es nach Einräumung der Optionen nur noch vom Verhalten der Betriebsinhaberin abhängig war, ob sie die Fahrzeuge zu einem fest vereinbarten Preis von etwa 1/3 des aktuellen Verkehrswerts erwerben –bzw. die Möglichkeit des vorteilhaften Erwerbs auf einen beliebigen, von ihr zu benennenden Dritten übertragen—wolle.
Die Klägerin hat sich die Erlangung der Vorteile auch etwas kosten lassen, indem sie in der begründeten Erwartung des Andienungsrechts hohe Leasingraten gezahlt hat. Die genannten Vorteile sind nach der Verkehrsauffassung zudem einer besonderen Bewertung zugänglich. Für derart vorteilhafte Optionen auf den Erwerb hochwertiger Fahrzeuge zu etwa 1/3 ihres aktuellen Verkehrswerts würde ein Betriebserwerber ein besonderes Entgelt ansetzen. Die jeweiligen Ankaufpreise, die die Klägerin –oder der von ihr zu benennende Dritte– für den Erwerb zu entrichten hatten, standen fest; die –deutlich höheren– Verkehrswerte waren angesichts des funktionierenden deutschen Gebrauchtfahrzeugmarktes zumindest im Schätzungswege bestimmbar. Die Optionen stellen danach ersichtlich greifbare, wirtschaftlich ausnutzbare und realisierbare Vermögenswerte dar
Der Annahme eines Wirtschaftsguts steht nicht entgegen, dass die Ausübungsfrist der eingeräumten Optionsrechte auf die Restdauer der Leasingverträge –also einen Zeitraum von jeweils etwa einem Monat– begrenzt gewesen sein könnte und die Optionen tatsächlich bereits wenige Tage nach ihrer Einräumung ausgeübt worden sind.
Auch nach Auffassung des erkennenden Senats steht der Umstand, dass eine bestimmte vermögenswerte und gesondert bewertungsfähige Position in ihrer Nutzbarkeit auf einen als nicht langfristig bzw. mehrjährig anzusehenden Zeitraum begrenzt ist, der Annahme eines Wirtschaftsguts nicht entgegen. Dies folgt bereits aus der Formulierung des § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG, wonach “bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt”, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die Nutzungsdauer zu verteilen sind. Sie zeigt, dass es auch Wirtschaftsgüter geben muss, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen auf einen kürzeren Zeitraum als ein Jahr beschränkt ist. Die Dauer der Nutzbarkeit hat nur Bedeutung für die Frage, ob die Anschaffungs- oder Herstellungskosten sofort als Betriebsausgabe abziehbar oder aber im Wege der Absetzung für Abnutzung auf mindestens zwei Wirtschaftsjahre zu verteilen sind; sie ist hingegen nicht Merkmal des Wirtschaftsgutsbegriffs.