Entschädigungen für ehrenamtliche Richterinnen und Richter teilweise nicht zu versteuern

Eine Entschädigung für Verdienstausfall gemäß § 18 JVEG ist nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerbar, wenn sie als Ersatz für entgangene Einnahmen aus einer nichtselbständigen Tätigkeit gezahlt wird.
Die Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 16 JVEG ist nicht steuerbar.
Auf die Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter findet die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 26a EStG dann keine Anwendung, wenn nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfreier Aufwendungsersatz gezahlt worden ist.
BFH Urteil vom 31.1.2017, IX R 10/16

Begründung:
Ehrenamtliche Richterinnen und Richter haben entgegen der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung die Entschädigung für Zeitversäumnis nicht zu versteuern, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 31. Januar 2017 IX R 10/16 entschieden hat. Steuerpflichtig bleibt demgegenüber die Entschädigung für Verdienstausfall.

Ehrenamtliche Richterinnen und Richter und Schöffen erhalten Entschädigungen nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG). Im Streitfall war der Steuerpflichtige als ehrenamtlicher Richter am Landgericht tätig. Er erhielt eine Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 16 JVEG) sowie für Verdienstausfall bei seiner Angestelltentätigkeit (§ 18 JVEG). Zudem erhielt er noch Ersatz seiner Fahrtkosten (§ 5 JVEG) und sonstigen Aufwendungen (§ 6 JVEG). Das Finanzamt unterwarf die Entschädigungen für Zeitversäumnis und für Verdienstausfall der Besteuerung. Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg.

Dem ist der BFH nur teilweise gefolgt. Die Entschädigung für Zeitversäumnis ersetzt entgegen der Auffassung von Finanzverwaltung und FG keine ausgefallenen Einkünfte und ist daher nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) nicht steuerbar. Nur die Entschädigung für den Verdienstausfall wird als Ersatz für den entfallenen Arbeitslohn der ehrenamtlich tätigen Richterinnen und Richter gezahlt, tritt an die Stelle steuerbarer Einkünfte und ist daher zu versteuern.
Mit der Entscheidung des BFH wird zukünftig das Engagement der ca. 60000 ehrenamtlichen Richterinnen und Richter in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und bei den Fachgerichten steuerrechtlich besser behandelt. Wie bisher haben die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter den Aufwendungsersatz nach §§ 5 bis 7 JVEG nicht zu versteuern. Dies gilt nunmehr auch für die pauschale Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 16 JVEG in Höhe von aktuell 6 € je Stunde. Die Entschädigung für Verdienstausfall ist demgegenüber weiterhin zu versteuern. Insoweit kommt auch der sog. „Ehrenamtsfreibetrag“ (§ 3 Nr. 26a EStG) nicht zur Anwendung.

Außerordentliche Einkünfte aus Entschädigungen

Zu außerordentlichen Einkünften führen nur solche Entschädigungen, deren zusammengeballter Zufluss zu einer Ausnahmesituation in der Progressionsbelastung des einzelnen Steuerpflichtigen führt (ständige Rechtsprechung).

Von einer einheitlichen, ggf. in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen ausgezahlten Entschädigung ist auszugehen, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein zwei Teilleistungen begründendes Schadensereignis darstellt. Dies gilt auch, wenn eine Teilentschädigung dafür geleistet wird, dass der Arbeitnehmer besondere Modalitäten der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses akzeptiert.

BFH Urteil vom 08.04.2014 – IX R 28/13 BFHNV 2014 S. 1514

Begründung:

Zu Recht hat das FG entschieden, dass die der Klägerin in den Streitjahren zugeflossenen Abfindungszahlungen nicht nach § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG ermäßigt zu besteuern sind.

Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist nach § 34 Abs. 1 EStG die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte u.a. Entschädigungen in Betracht, die gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden.

Eine Entschädigung liegt vor, wenn die bisherige Grundlage für den Erfüllungsanspruch weggefallen ist und der an die Stelle der bisherigen Einnahmen getretene Ersatzanspruch auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht

Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG werden in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Keine Zusammenballung in diesem Sinne liegt typischerweise vor, wenn eine Entschädigung in zwei oder mehreren verschiedenen Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt  Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hält der BFH allerdings in solchen Fällen für geboten, in denen –neben der Hauptentschädigungsleistung– in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden (. Soziale Fürsorge ist dabei allgemein im Sinne der Fürsorge des Arbeitgebers für seinen früheren Arbeitnehmer zu verstehen. Ob der Arbeitgeber zu der Fürsorge arbeitsrechtlich verpflichtet ist, ist unerheblich. Derartige ergänzende Zusatzleistungen, die Teil der einheitlichen Entschädigung sind, sind unschädlich für die Beurteilung der Hauptleistung als einer zusammengeballten Entschädigung. Diese Auslegung leitet der BFH aus einer zweckentsprechenden Auslegung des § 34 EStG unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ab

Der Zufluss in einem Veranlagungszeitraum ist nach dem Wortlaut von § 34 EStG kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal. Nach seinem Zweck ist § 34 Abs. 1 EStG trotz Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen auch dann anwendbar, wenn der Steuerpflichtige nur eine geringfügige Teilleistung erhalten hat und die ganz überwiegende Hauptentschädigungsleistung in einem Betrag ausgezahlt wird. Wollte man in derartigen Fällen an einem ausnahmslosen Erfordernis eines zusammengeballten Zuflusses der außerordentlichen Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum festhalten, so würden über den Gesetzeswortlaut des § 34 Abs. 1 EStG hinaus die Voraussetzungen der Tarifermäßigung ohne sachlichen Grund verschärft und die ratio legis verfehlt (

Der unbestimmte Rechtsbegriff der außerordentlichen Einkünfte ist im Wege der Auslegung nach Maßgabe der ratio legis zu konkretisieren. Danach sind außerordentliche Einkünfte solche, deren Zufluss in einem Veranlagungszeitraum zu einer für den jeweiligen Steuerpflichtigen im Vergleich zu seiner regelmäßigen sonstigen Besteuerung einmaligen und außergewöhnlichen Progressionsbelastung führen. Diese abzumildern ist der Zweck der Billigkeitsregelung des § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG. Diese –veranlagungszeitraumbezogen betrachtet– begünstigende Behandlung von zusammengeballt zugeflossenen Einnahmen, deren Zufluss sich beim jeweiligen Steuerpflichtigen nach dessen regelmäßiger Einkünftesituation normalerweise auf mehrere Jahre verteilt hätte, verwirklicht –veranlagungszeitraumübergreifend betrachtet– eine gleichmäßige progressive Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Dementsprechend sind solche Entschädigungen als außerordentliche Einkünfte zu behandeln, deren zusammengeballter Zufluss zu einer Ausnahmesituation in der Progressionsbelastung des jeweiligen Steuerpflichtigen führt. Zwar liegt sie typischerweise nicht vor, wenn eine einheitliche Entschädigungsleistung in mehreren Veranlagungszeiträumen zufließt; indes kann eine nur geringfügige Teilleistung in dem dem Zuflussjahr der Hauptentschädigungsleistung vorgegangenen Veranlagungszeitraum dieser Ausnahmesituation mit ihrem Bedarf nach der von § 34 EStG bezweckten Progressionsabmilderung entsprechen.

Wann von einer solchen unschädlichen geringfügigen Teilleistung auszugehen ist, bestimmt sich nach dem Vorliegen einer Ausnahmesituation in der individuellen Steuerbelastung des einzelnen Steuerpflichtigen. Eine starre Prozentgrenze sieht das Gesetz weder vor noch kann eine solche die gesetzlich geforderte Prüfung der Außerordentlichkeit im Einzelfall ersetzen. Sind keine besonderen tatsächlichen Umstände erkennbar, die die Teilleistung bedingen oder prägen, ist die Frage, ob eine Teilleistung in einem anderen Veranlagungszeitraum der Außerordentlichkeit der Hauptentschädigungszahlung entgegensteht, alleine ausgehend von der Höhe der Teilleistung zu beurteilen.

Insgesamt nicht von einer einheitlichen Entschädigungszahlung ist auszugehen, wenn zwei Entschädigungszahlungen in aufeinanderfolgenden Veranlagungszeiträumen nicht zum Ausgleich für dasselbe Schadensereignis, etwa den Verlust eines Arbeitsplatzes, gezahlt wurden.

Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall von einer einheitlichen, nicht gemäß § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuernden Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes der Klägerin auszugehen.

Beide streitbefangenen Teilzahlungen wurden als Ersatz für den Arbeitsplatzverlust der Klägerin geleistet. Dies gilt unabhängig davon, dass die 5.970 EUR speziell für Klagerücknahme, Eintritt in die TG und frühere Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der B entschädigen sollten. Denn dabei handelt es sich lediglich um Modalitäten derselben Vertragsbeendigung. Auf diese sind beide Teilzahlungen zurückzuführen. Die erste Teilzahlung 2007 war lediglich an die Erfüllung bestimmter Einzelkonditionen der Vertragsbeendigung geknüpft. Diese Einzelkonditionen sind aber lediglich Bestandteil derselben Vertragsbeendigung. Auch spricht der Vertrag der Klägerin, der X und der B hinsichtlich der Hauptentschädigungsleistung von “der restlichen Abfindungssumme”. Vereinbart war also eine einheitliche Abfindung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin.

Bei den 2007 ausgezahlten 5.970 EUR handelt es sich auch nicht um eine Leistung der sozialen Fürsorge und nicht um eine unschädliche geringfügige Teilleistung im Verhältnis zu den 2008 ausgezahlten 41.453 EUR. Eine Teilleistung von über 10 % der Hauptleistung ist nach allgemeinem Verständnis nicht geringfügig. Dass die Teilleistung 2007 für das Einverständnis in besondere Modalitäten der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als beide Leistungen in 2007 und 2008 begründendes Schadensereignis bezahlt wurde, ändert daran wiederum nichts.

Abfindung bei Arbeitnehmern

Die Beurteilung des einem Arbeitnehmer geleisteten Ersatzes für entgangene oder entgehende Einnahmen als Entschädigung i.S. der § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1 und 2 EStG setzt voraus, dass das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis beendet wird.
(BFH Urteil vom 10. Oktober 2001 XI R 54/00).