Abfindung einer Erfindervergütung als steuerbegünstigte Entschädigung

Gibt der Arbeitnehmer mit seinem Interesse an einer Weiterführung der ursprünglichen Vereinbarung auf Arbeitnehmererfindervergütung im Konflikt mit seinem Arbeitgeber nach und nimmt dessen Abfindungsangebot an, so entspricht es dem Zweck des von der Rechtsprechung entwickelten Merkmals der Zwangssituation, nicht schon wegen dieser gütlichen Einigung in konfligierender Interessenlage einen tatsächlichen Druck in Frage zu stellen.

BFH Urteil vom 29.2.2012, IX R 28/11

Begründung:
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG ist auf alle im Veranlagungszeitraum bezogenen außerordentlichen Einkünfte die Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz (§ 34 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 EStG) zu berechnen. Außerordentliche Einkünfte sind gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 EStG.

Die Abfindung, um die es hier geht, erfüllt die Voraussetzungen des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Entschädigungen sind Leistungen, die "als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" gewährt werden, d.h. an die Stelle weggefallener oder wegfallender Einnahmen treten. Der Steuerpflichtige muss einen Schaden durch Wegfall von Einnahmen erlitten haben und die Zahlung muss unmittelbar dazu bestimmt sein, diesen Schaden auszugleichen.

Diese Bedingungen sind nach dem durch das FG festgestellten Sachverhalt ersichtlich erfüllt; denn durch die Vereinbarung vom 31. Mai 2006 tritt die Abfindung an die Stelle der künftigen Ansprüche aus der Vereinbarung auf Arbeitnehmererfindervergütung, die sich mit der Erfüllung der Abfindungsvereinbarung erledigen.

Dass die Entschädigung im konkreten Fall als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gezahlt wurde, ist zwar grundsätzlich aus der Sicht der Vertragsparteien vom FG als Tatsacheninstanz zu beurteilen. Der im Streitfall offenkundige Entschädigungscharakter der Abfindung ist indes zwischen den Beteiligten im Kern gar nicht streitig. Es geht ihnen vielmehr um ein weiteres von der Rechtsprechung entwickeltes Merkmal der Entschädigung, nämlich um die Zwangssituation.

Danach setzt eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ferner voraus, dass der Ausfall der Einnahmen entweder von dritter Seite veranlasst wurde oder, wenn er vom Steuerpflichtigen selbst oder mit dessen Zustimmung herbeigeführt worden ist, dieser unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck stand. Eine Steuerermäßigung soll danach nur gerechtfertigt sein, wenn der Steuerpflichtige sich dem zusammengeballten Zufluss der Einnahmen nicht hat entziehen können.

Davon ist im Streitfall entgegen der Auffassung des FG auszugehen: Der Kläger ist auf das Angebot seines Arbeitgebers, das diesem vom Patentanwalt "nahe gelegt" wurde, aus Gründen der Loyalität und zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten eingegangen, obschon ihm weiterhin jährliche Zahlungen lieber gewesen wären. Damit stand der Kläger unter tatsächlichem Druck, dem er frühzeitig nachgegeben hat. Sein Interesse, die ursprüngliche Vereinbarung auf Arbeitnehmererfindervergütung weiterzuführen, stieß auf das damit in Konflikt tretende Interesse seines Arbeitgebers an einer Einmalzahlung, um alle Rechtsbeziehungen zu erledigen. Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer schließlich eine Lösung im Konsens finden, so entspricht es nicht dem Zweck des von der Rechtsprechung entwickelten Merkmals der Zwangssituation, würde man bei dieser gütlichen Einigung einer konfligierenden Interessenslage einen tatsächlichen Druck negieren. Das würde –worauf die Revision zutreffend hinweist– geradezu dazu anhalten, es auf einen –an sich vermeidbaren– Rechtsstreit ankommen zu lassen. Es reicht vielmehr aus, wenn der Steuerpflichtige sich dem Ansinnen des Arbeitgebers an einer Einmalzahlung nicht mehr widersetzt – und sich dem Zufluss der Abfindung deshalb nicht entziehen kann.