Ermäßigter Steuersatz auf Umsätze aus dem Verkauf bestimmter Messekataloge

Die für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes maßgebliche Auslegung der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG richtet sich allein nach zolltariflichen Vorschriften und Begriffen, soweit die Verweisung auf den Zolltarif reicht.

Ob eine Druckschrift überwiegend Werbezwecken dient, ist nach ihrer Beschaffenheit und erkennbaren Zweckbestimmung zu beurteilen.

Eine Schrift dient Werbezwecken, wenn sie überwiegend darauf ausgerichtet ist, durch zwangfreie und absichtliche Beeinflussung den Adressaten zur Inanspruchnahme entgeltlicher Waren oder Dienstleistungen zu veranlassen.

BFH Urteil vom 14.06.2016 – VII R 12/15 BFH/NV 2016, 1594

Sachverhalt.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Messegesellschaft, wendet sich gegen die Anwendung des Regelsteuersatzes auf den Verkauf von Messekatalogen.

Begründung:

Die Revision ist begründet. Das Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Es ist aufzuheben und der Umsatzsteuerbescheid 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer um… EUR niedriger festzusetzen ist.

. Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 49 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist bei Umsätzen mit Waren der Pos. 4901 KN die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes vorgesehen. Die hier streitgegenständlichen Messekataloge sind als Erzeugnisse des graphischen Gewerbes, die nicht überwiegend Werbezwecken dienen, in diese Position einzureihen.

Nach ständiger Rechtsprechung darf bei der zolltariflichen Einreihung auf den Verwendungszweck einer Ware nur insoweit abgestellt werden, als im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird und er der Ware innewohnt, was sich anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware bemisst. Ob ein Buch oder eine Broschüre überwiegend Werbezwecken dient, ist somit allein anhand der Druckschrift zu beurteilen. Nicht maßgeblich ist, wie der Begriff “Werbung” außerhalb des Zolltarifs verstanden wird. Entscheidend ist, ob ein Druck nach seiner Beschaffenheit und seiner erkennbaren Zweckbestimmung, also nach Art der Aufmachung, des Inhalts und Herausgabezwecks, soweit diese ihren Niederschlag in dem Druck gefunden haben, überwiegend Werbezwecken dient. Dies ist der Fall, wenn der Druck überwiegend darauf ausgerichtet ist, durch zwangfreie und absichtliche Beeinflussung den Adressaten zur Erfüllung des Werbeziels, d.h. insbesondere zur Inanspruchnahme entgeltlicher Waren oder Dienstleistungen zu veranlassen. Dabei ist nicht allein das Raumverhältnis zwischen werbendem und anderem Text bzw. Illustrationen maßgebend. Ergibt sich etwa aus der Aufmachung, dem Inhalt oder auch dem Herausgabezweck der Druckschrift, dass die Werbung im Vordergrund steht, so ließe selbst ein nennenswerter Anteil von redaktionellem Text, Suchanzeigen o.Ä. den Werbecharakter nicht entfallen. Bei Zweifeln kann indessen das Raumverhältnis bei der Beurteilung von Beschaffenheit oder Zweck der Schrift herangezogen werden.

Nach diesen Grundsätzen dienen die im Streitjahr verkauften Kataloge nicht überwiegend Werbezwecken. Es handelt sich insbesondere bei den Verzeichnissen, die dem Umfang und der Relevanz nach den wesentlichen Teil der Kataloge ausmachen, nicht um Werbung. Denn das FG hat festgestellt, dass in ihnen keine Waren oder Dienstleistungen angepriesen werden und dass sie auch sonst nicht überwiegend darauf ausgerichtet sind, die Adressaten zur Inanspruchnahme entgeltlicher Waren oder Dienstleistungen zu veranlassen.

Zu Unrecht hat das FG bei der Frage, ob die streitgegenständlichen Messekataloge überwiegend Werbezwecken dienen, berücksichtigt, dass sie von einer Messebetreiberin auf bzw. im Zusammenhang mit einer Messe vertrieben werden. Nach der Senatsrechtsprechung hat die Beurteilung, wie ausgeführt, allein nach dem Inhalt der Druckschrift, d.h. u.a. losgelöst von der Person des oder der Werbungtreibenden zu erfolgen. Im Übrigen ist auch die Annahme, die (Fach-)Messen, deren Kataloge streitgegenständlich sind, seien reine (einseitige) Werbeveranstaltungen, nicht zutreffend. Messen sind auch ein Nachfrageforum, ähnlich wie Anzeigenblätter, in denen auch Suchanzeigen veröffentlicht werden.

Die Feststellungen des FG zur (schlichten) Aufmachung und zum Inhalt der Kataloge zeigen, dass die Sachinformation in den streitgegenständlichen Katalogen überwog bzw. der “unterrichtende Charakter” im Vordergrund stand. Es lag in erster Linie im Interesse der (Fach-)Besucher, rasch Ansprechpartner, Telefonnummern, Lagepläne u.Ä. sowie Firmen oder Produktbereiche zu finden und, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, schneller zum Ziel bzw. zum jeweiligen Messestand zu gelangen, unterwegs die besuchten Aussteller “abhaken”, sich Notizen machen, sich die Mitnahme und das spätere Sortieren und Archivieren mancher Prospekte, Flyer und Visitenkarten sparen zu können. Deshalb waren sie sogar –bei Werbeschriften unüblich bereit, für die Kataloge zu bezahlen, obwohl auf Messen regelmäßig kostenlos Prospekte, Kataloge etc. verteilt werden. Weshalb das FG meint, die Schlichtheit der Darstellung –das Fehlen der zum Kauf oder Vertragsschluss motivierenden Elemente– zeige, dass der von den Ausstellern gezahlte Preis einem von den Listen ausgehenden Werbeeffekt geschuldet sein müsse, ist nicht nachvollziehbar. Auch ist nicht jede Namensnennung eines Unternehmens geeignet, dessen Absatz zu steigern.

Die Überlegung des FG, dass Messekataloge stets für die Messe bzw. für die Veranstalterin werben, trägt angesichts der vom FG festgestellten Schlichtheit der Aufmachung nicht, zumal sich aus den Katalogen ggf. auch eine geringe Ausstellerzahl, das Fehlen der Branchenführer oder ähnliche “Mängel” der Messe ergeben können