Beweis des ersten Anscheins bei der 1 % Regelung

Bereits die bloße Möglichkeit einer privaten Nutzung des betrieblichen PKW rechtfertigt nach der allgemeinen Lebenserfahrung den Schluss, dass ein solcher PKW typischerweise auch privat genutzt wird.

BFH Beschluss vom 22.12.2009 – VI B 79/09 BFH NV 2010 S. 867

Begründung:

Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gilt ab dem Veranlagungszeitraum 1996 für die Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Fahrten die in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG getroffene Regelung entsprechend; diese Nutzung ist daher für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Es handelt sich um eine grundsätzlich zwingende, stark typisierende und pauschalierende Bewertungsregelung. Der Wert nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG kann auch mit dem auf die private Nutzung entfallenden Teil der gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen angesetzt werden, wenn die durch das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden (§ 8 Abs. 2 Satz 4 EStG). Diese vom Gesetz vorgegebenen Alternativen zur Ermittlung des geldwerten Vorteils aus der privaten Nutzung eines Firmenfahrzeugs regeln einheitlich und abschließend, welche Aufwendungen von dem gefundenen Wertansatz erfasst und in welchem Umfang die dem Steuerpflichtigen hieraus zufließenden Sachbezüge abgegolten werden. Sowohl die 1 %-Regelung (§ 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) als auch die Fahrtenbuchmethode (§ 8 Abs. 2 Satz 4 EStG) stellen unterschiedliche Methoden zur Bewertung dieses Vorteils dar. Als Spezialvorschriften zu § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG sperren sie, soweit ihr Regelungsgehalt reicht, den Rückgriff auf die dort geregelte Bewertung von Sachbezügen.

Die Bestimmungen kommen nicht zur Anwendung, wenn eine Privatnutzung ausscheidet. Dabei spricht allerdings nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der Beweis des ersten Anscheins für eine auch private Nutzung des Dienstwagens. Die Rüge, das FG habe vorliegend die Grundsätze des Anscheinsbeweises nicht anwenden dürfen, weil dieser nur greife, wenn dem Steuerpflichtigen –anders als im Streitfall– tatsächlich ein Fahrzeug zur privaten Nutzung überlassen worden sei, verfängt im Streitfall nicht. Die Kläger verkennen insoweit, dass bereits die bloße Möglichkeit einer privaten Nutzung des betrieblichen PKW den Schluss rechtfertigt, dass ein solcher PKW typischerweise auch privat genutzt wird. Sowohl im Einspruchs- als auch im Klageverfahren haben die Kläger vorgetragen, dass bezüglich der Nutzung der PKW mit dem Arbeitgeber eine Nettolohnvereinbarung geschlossen worden sei. Mit diesem Vorbringen haben sie die Möglichkeit einer privaten Nutzung der betrieblichen PKW unstreitig gestellt.

Allerdings kann der Anscheinsbeweis durch den Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu bedarf es nicht des Beweises des Gegenteils. Es genügt vielmehr, dass ein Sachverhalt dargelegt wird, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergibt.