Rückwirkende Rechnungsberichtigung

Die Rechnungsberichtigung wirkt auf den Zeitpunkt der Rechnungsausstellung zurück, sofern die Abrechnung die Mindestanforderungen an eine Rechnung enthält.

Niedersächsisches Finanzgericht 5. Senat, Beschluss vom 01.10.2013, 5 V 217/13

Begründung:

Im Rahmen einer Außenprüfung, die u. a. die Streitjahre 2008 bis 2011 betraf, stellte der Antragsgegner fest, dass ein Vorsteuerabzug aus erteilten Gutschriften an die Handelsvertreter nicht möglich sei, da die Gutschriften keine ordnungsgemäßen Rechnungen i. S. d. § 15 Abs. 1 UStG i.V.m. § 14 Abs. 4 UStG darstellten. Weder in den Provisionsabrechnungen noch in den Anlagen zu den Abrechnungen waren die Steuernummer oder die USt-Identifikationsnummer des jeweiligen Gutschriftempfängers enthalten. Gleiches gilt für den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Werbegestalters H. Die Antragstellerin berichtigte die Provisionsabrechnungen gegenüber ihren Handelsvertretern noch während der Außenprüfung.

Der Senat hält eine rückwirkende Rechnungsberichtigung im Streitfall für zulässig, weil die streitbefangenen Abrechnungen die Mindestanforderungen an eine Rechnung enthalten und die Berichtigung noch während der Außenprüfung erfolgte.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG setzt die Ausübung des Vorsteuerabzugs voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Die Regelung beruht unionsrechtlich auf Art. 168 Buchst. a und Art. 178 Buchst. a MwStSystRL.

Bei der Beantwortung der Frage, ob eine Rechnungsberichtigung mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung erfolgen kann, ist das Urteil des EuGH in der Rechtssache Pannon Gép (C-368/09) zu berücksichtigen. In dieser Entscheidung führt der EuGH Folgendes aus (Rz. 45):

Das Unionsrecht steht einer nationalen Regelung oder Praxis entgegen, nach der die nationalen Behörden einem Steuerpflichtigen das Recht, den für ihm erbrachte Dienstleistungen geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuerbetrag von der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer abzuziehen, mit der Begründung absprechen, dass die ursprüngliche Rechnung, die zum Zeitpunkt der Vornahme des Vorsteuerabzugs in seinem Besitz war, ein falsches Datum des Abschlusses der Dienstleistung aufgewiesen habe und dass die später berichtigte Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift nicht fortlaufend nummeriert gewesen seien (…), wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind und der Steuerpflichtige der betreffenden Behörde vor Erlass ihrer Entscheidung eine berichtigte Rechnung zugeleitet hat, in der das zutreffende Datum des Abschlusses der genannten Dienstleistung vermerkt war, auch wenn diese Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift keine fortlaufende Nummerierung aufweisen".

Ob sich hieraus eine Rückwirkung für den Fall der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung ergibt, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden und finanzgerichtlich sowie im Schrifttum umstritten.

Der BFH hat zwischenzeitlich in zwei Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz ernstliche Zweifel geäußert, ob der Vorsteuerabzug aus einer zunächst fehlerhaften Rechnung auch dann versagt werden kann, wenn diese Rechnung später berichtigt wird, sofern das zunächst erteilte Dokument die Mindestanforderungen (Rechnungsaussteller, Leistungsempfänger, Leistungsbeschreibung, Entgelt, gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer) an eine Rechnung erfüllt (BFH-Beschlüsse vom 20.07.2012 V B 82/11, BStBl II 2012, 809 und vom 10.01.2013 XI B 33/12, BFH/NV 2013, 783).

Die Unsicherheit in der Bewertung der „Pannon-Gep“-Entscheidung beruht im Wesentlichen darauf, dass hier keine ausdrückliche Auseinandersetzung mit dem „Terra-Baubedarf“-Urteil stattfindet, so dass unklar ist, ob der EuGH ggf. seine Auffassung geändert hat, oder ob beide Entscheidungen grundsätzlich miteinander vereinbar sind. Der BFH scheint nun in die zuletzt genannte Richtung zu tendieren, da er jedenfalls bestimmte Mindestmerkmale in einem Rechnungsdokument verlangt, damit dieses einer rückwirkenden Berichtigung offensteht. Dies würde dem „Terra-Baubedarf“-Urteil entsprechen, in dem gerade keine Rechnung mit Steuerausweis in dem Zeitpunkt vorgelegen hatte, in dem der Steuerpflichtige den Vorsteuerabzug begehrte.

Mit der Entscheidung „Petroma Transports“ (Urteil vom 08.05.2013 C-271/12, BB 2013, 1365) präzisiert der EuGH nunmehr seine Haltung zur rückwirkenden Rechnungsberichtigung. Aus der Abgrenzung in Rn. 34 und 35 ist zu entnehmen, dass der EuGH in seiner Pannon-Gep-Entscheidung tatsächlich die rückwirkende Berichtigung anerkennen wollte.

Er nimmt nämlich auf die Pannon-Gep-Entscheidung Bezug und wiederholt ausdrücklich die dort bereits enthaltene Aussage, die Rechnungsberichtigung müsse vor Erlass der Entscheidung der Steuerbehörde ergehen (vgl. Rn. 34 unter Verweis auf die Rn. 43 bis 45 des Urteils „Pannon Gep“). Eine Berichtigung oder Ergänzung von Rechnungsangaben nach diesem Zeitpunkt reicht dagegen nicht aus.

Demnach können Rechnungen rückwirkend (ex tunc) berichtigt werden,

  • sofern das zunächst erteilte Dokument die Mindestanforderungen (Rechnungsaussteller, Leistungsempfänger, Leistungsbeschreibung, Entgelt, gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer) an eine Rechnung erfüllt und



  • solange noch keine abschließende Entscheidung der zuständigen Finanzbehörde über den Vorsteuerabzug vorliegt.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist im Streitfall vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass sowohl die erteilten Provisionsabrechnungen (Gutschriften) als auch die Rechnungen des Werbegestalters H. die von BFH geforderten Mindestanforderungen an eine Rechnung erfüllen. In den Rechnungen fehlte lediglich die dem leistenden Unternehmer erteilte Steuernummer bzw. USt-Identifikationsnummer (vgl. § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG). Die fehlenden Angaben sind noch während der Außenprüfung und damit vor Erlass der ablehnenden Entscheidung des Finanzamts (Änderungsbescheide vom 02.07.2013) im Wege der Rechnungsberichtigung ergänzt worden.