Auflösung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses bei Eintritt in neues Arbeitsverhältnis mit externer Beschäftigungsgesellschaft

Ein bestehendes Arbeitsverhältnis wird i.S. von § 3 Nr. 9 EStG aufgelöst, selbst wenn der Arbeitnehmer mit dessen Aufhebung zugleich in ein neues (befristetes) Arbeitsverhältnis mit einer externen Beschäftigungs-Gesellschaft und Qualifizierungs-Gesellschaft eintritt .

Sind monatliche Zahlungen nach der Betriebsvereinbarung (Sozialplan) unter Berücksichtigung der maßgebenden Auslegungsgrundsätze zum Ausgleich der durch Kurzarbeit entstehenden Nachteile und für die Dauer der Kurzarbeit erbracht, stellen die gezahlten Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld keine steuerfreie (ratierliche) Abfindung, sondern steuerpflichtigen Arbeitslohn dar.

BFH Urteil vom 20.7.2010, IX R 23/09

 Begründung:

Die Auflösung des Dienstverhältnisses verlangt dessen endgültige Beendigung. Im Falle des Wechsels des Arbeitgebers wird aber eine rein formale Betrachtung der Zielsetzung des § 3 Nr. 9 EStG (sozialpolitisch begründeter Ausgleich der Folgen eines Arbeitsplatzverlustes) nicht gerecht. Entscheidend ist vielmehr, wie die Beteiligten nach den Umständen des Einzelfalles die Umsetzung des Arbeitnehmers ausgestaltet haben. Wird das bestehende Dienstverhältnis bei Umsetzung eines Arbeitnehmers innerhalb eines Konzerns oder anlässlich eines Betriebsübergangs zwar mit einem neuen Arbeitgeber, aber im Übrigen in Bezug auf den Arbeitsbereich, die Entlohnung und unter Wahrung des sozialen Besitzstandes im Wesentlichen unverändert fortgesetzt, so ist ein die steuerfreie Abfindung rechtfertigender Arbeitsplatzverlust nicht gegeben.

Dagegen wird ein bestehendes Arbeitsverhältnis i.S. von § 3 Nr. 9 EStG aufgelöst, wenn die Arbeitsvertragsparteien –selbst im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang und ohne Umgehung der Rechtsfolgen des § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)– das Arbeitsverhältnis wirksam aufheben, auch wenn Arbeitnehmer zugleich  zur Vermeidung einer Entlassung in ein befristetes Arbeitsverhältnis mit einer (gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches –SGB– III auch betriebsorganisatorisch eigenständigen) externen Beschäftigungsgesellschaft eintreten.

Eine solche vom Arbeitgeber veranlasste Vertragsauflösung des Dienstverhältnisses liegt vor, wenn der Arbeitgeber die entscheidenden Ursachen für die Auflösung gesetzt hat. Das ist anhand der Umstände des Einzelfalls vom FG als Tatsacheninstanz zu entscheiden. Dabei ist nicht die arbeitsrechtliche Beurteilung der Auflösung maßgeblich, sondern allein der Umstand, wer die Auflösung "betrieben" hat, von wem also die (Initiative zur) Beendigung des Dienstverhältnisses ausgegangen ist.

Abfindungen i.S. des § 3 Nr. 9 EStG sind Leistungen an den Arbeitnehmer, die Nachteile des Arbeitnehmers aus dem Verhalten des bisherigen Arbeitgebers ausgleichen sollen. Die Norm erfasst alle Leistungen zur Abgeltung von Interessen, die durch den Arbeitsplatzverlust infolge Auflösung des Dienstverhältnisses beeinträchtigt sind, soweit die Auflösung vom Arbeitgeber veranlasst oder gerichtlich ausgesprochen wurde. Unter § 3 Nr. 9 EStG fallen nur solche Leistungen, die gerade durch die Auflösung des bisherigen Dienstverhältnisses bedingt sind; der einfache Kausalzusammenhang genügt nicht. Erforderlich ist ein unmittelbarer Zusammenhang der Zahlung mit dem aufgelösten Dienstverhältnis.

So hat der BFH in einem Sachverhalt monatliche Zuzahlungen des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld nicht als Abfindungen gemäß § 3 Nr. 9 EStG beurteilt, weil diese nicht wegen der Auflösung des Dienstverhältnisses, sondern wegen Kurzarbeit im Rahmen eines zwar bereits gekündigten, aber noch bestehenden Arbeitsverhältnisses gezahlt wurden.

Zwar ist das FG zutreffend von einer endgültigen Beendigung (Auflösung) des Arbeitsverhältnisses der Klägerin mit der K-GmbH ausgegangen. Dieses Arbeitsverhältnis wurde in Umsetzung des Sozialplans zur Vermeidung der mit einer Betriebsschließung verbundenen Entlassungen durch Aufhebungsvertrag vom 8. April 1998 mit Wirkung zum 30. April 1998 einvernehmlich beendet. Der zugleich abgeschlossene befristete Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und der E-GmbH stellt sich –entgegen der Ansicht des FA– weder als hinausgezögerte Entlassung noch als bloße Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der K-GmbH dar. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin –allerdings neben Qualifizierungsmaßnahmen– bei der E-GmbH weitgehend ihre frühere Tätigkeit ausgeübt haben mag und die Vereinbarungen des Sozialplans Gegenstand des befristeten Arbeitsvertrages waren. Auch die Tatsache, dass die von der E-GmbH übernommenen Arbeitnehmer in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit "K-GmbH" innerhalb der E-GmbH und in den angemieteten Räumlichkeiten der K-GmbH weiterbeschäftigt wurden, ist unter Berücksichtigung des sich aus dem Gesetz (§ 175 Abs. 1 SGB III) ergebenden Zwecks einer solchen Regelung unschädlich.