Verpflegungsmehraufwand eines Arbeiters, der einer Fährstelle zugewiesen wurde

Ein einer Fährstelle des Nord-Ostsee-Kanals zugewiesener Arbeiter übt keine Fahrtätigkeit im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 3 EStG aus und kann deswegen keine Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit geltend machen.

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil 13.12.2011, 5 K 161/08

Begründung:

Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG, der für die Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus nicht selbstständiger Tätigkeit gemäß § 9 Abs. 5 EStG sinngemäß anzuwenden ist, sind Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar. Eine Ausnahme davon gilt dann, wenn der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit entfernt beruflich tätig oder wenn der Steuerpflichtige bei seiner individuellen beruflichen Tätigkeit typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten oder auf einem Fahrzeug tätig wird (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Sätze 2 und 3 EStG). Der BFH hat in diesem Zusammenhang zur Auswärtstätigkeit eines Seemannes entschieden, dass ein auf einem Schiff eingesetzter Seemann eine Fahrtätigkeit ausübt und sich auf Auswärtstätigkeit befindet (vgl. BFH Urteil vom 24. Februar 2011 VI R 66/10 BFH/NV 2011, 908).

Eine Fahrtätigkeit im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 EStG liegt nur dann vor, wenn der Steuerpflichtige die Fahrten nicht von einem Tätigkeitsmittelpunkt im Sinne einer regelmäßigen Arbeitsstätte antritt (vgl. BFH Urteile vom 11. Mai und 16. November 2005, BStBl. II 2005, 788 und 789 sowie BStBl. II 2006, 267). Eine regelmäßige Arbeitsstätte ist der ortsgebundene Mittelpunkt der dauernd angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers. Regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist im Regelfall der Betrieb oder die ortsfeste Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nachhaltig aufsucht. Der zeitliche Umfang, mit welchem der Arbeitnehmer an dieser Arbeitsstätte beruflich tätig wird, ist nicht von Belang. Eine ortsfeste Betriebsstätte des Arbeitgebers stellt auch dann eine regelmäßige Arbeitsstätte dar, wenn der Arbeitnehmer diesen Ort stets nur aufsucht, um die täglichen Aufträge entgegen zu nehmen, abzurechnen und Bericht zu erstatten oder wenn er dort ein Dienstfahrzeug übernimmt, um damit anschließend von der einen Arbeitsstätte aus eine Auswärtstätigkeit (Fahr- oder Einsatzwechseltätigkeit) anzutreten (vgl. BFH Urteil vom 11. Mai 2005 VI R 16/04 BStBl. II 2005, 789).

Dies vorausgeschickt übt der Kläger nach Überzeugung des Senats vorliegend keine Fahrtätigkeit im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 EStG aus. Vielmehr tritt der Kläger seinen Dienst auf der Kanalfähre … immer über die Fähranleger nördlich oder südlich des Kanals an. Die beiden Fähranleger, in deren Nähe die der Fährstelle zugeordneten Arbeitskräfte ihre PKW abstellen können, sind aber Teil der Arbeitsstätte des Klägers, nämlich der „Fährstelle ….“ Dieser Arbeitsstätte ist der Kläger arbeitsvertraglich zugeordnet. Sofern denn in Bezug auf die Pendeltätigkeit der Kanalfähre zwischen den zwei Fähranlegern begrifflich überhaupt von einer Fahrtätigkeit im Sinne der Regelungen zu den Verpflegungsmehraufwendungen gesprochen werden kann, würde diese Fahrtätigkeit jedenfalls von einem Tätigkeitsmittelpunkt, der eine regelmäßige Arbeitsstätte darstellt, angetreten werden. Dabei ist es unmaßgeblich, wie lange sich der Kläger an den Fähranlegern aufhält und ob er sich dort verpflegen kann. Ausreichend und entscheidend ist, dass der Kläger seinen Dienst notwendig und sich ständig wiederholend von diesem Ort antritt und den Dienst auch an diesem Ort beendet. Damit unterscheidet sich der Kläger nicht von einem Linienbusfahrer, der seinen Fahrdienst regelmäßig an einem Busdepot beginnt.