Fahrten zwischen Wohnung und ständig wechselnden Betriebsstätten bei Selbständigen

Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG ist der Ort, an dem ein selbständig Tätiger seine Leistung gegenüber den Kunden erbringt (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).

Aus der mit der Begrenzung des Fahrtkostenabzugs in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG angestrebten Gleichbehandlung des Betriebsausgabenabzugs u.a. von Selbständigen mit dem entsprechenden Werbungskostenabzug bei Arbeitnehmern folgt, dass die für die Arbeitnehmer geltenden Ausnahmen von den Abzugsbeschränkungen der Fahrtkosten im Falle gleichliegender Sachverhalte bei den selbständig Tätigen grundsätzlich ebenso gelten.

Fahrtkosten einer selbständig tätigen Musiklehrerin sind zum uneingeschränkten Betriebsausgabenabzug zuzulassen, soweit sie zwischen Wohnung und ständig wechselnden Unterrichtseinrichtungen anfallen und keiner dieser Beschäftigungsstätten eine besondere zentrale Bedeutung zukommt.

BFH  Urteil vom 23.10.2014, III R 19/13

Begründung (BFH):

Der III. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 23. Oktober 2014 III R 19/13 entschieden, dass Fahrtkosten eines Selbständigen zu ständig wechselnden Betriebsstätten, denen keine besondere zentrale Bedeutung zukommt, mit den tatsächlichen Kosten und nicht nur mit der Entfernungspauschale abzugsfähig sind.

Die Klägerin erteilte als freiberuflich tätige Musiklehrerin in mehreren Schulen und Kindergärten Musikunterricht. Sie machte die Fahrtkosten für ihr privates Kfz als Betriebsausgaben geltend und setzte für jeden gefahrenen Kilometer pauschal 0,30 € an. Das Finanzamt (FA) erkannte dagegen die Fahrtkosten nur mit 0,30 € pro Entfernungskilometer an. Die Klage vor dem Finanzgericht war erfolgreich.

Der III. Senat des BFH ist nun der Rechtsauffassung der Klägerin gefolgt. Er hat damit an der bisherigen Rechtsprechung der für die Gewinneinkünfte zuständigen Senate zum Begriff der “Betriebsstätte” festgehalten lagen im Streitfall nicht nur eine Betriebsstätte vor, sondern ständig wechselnde Tätigkeitsorte und damit mehrere Betriebsstätten. Da keinem dieser Tätigkeitsorte eine zentrale Bedeutung beigemessen werden konnte, sind diese Fälle unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung von Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzug nach den von der Rechtsprechung des VI. Senats für den Fahrtkostenabzug von Arbeitnehmern entwickelten Grundsätze zu behandeln. Hiernach ist der Betriebsausgabenabzug nicht auf die Entfernungspauschale von 0,30 € für jeden Entfernungskilometer begrenzt, wenn der Arbeitnehmer auf ständig wechselnden Einsatzstellen, unabhängig vom Einzugsbereich, tätig ist. In diesen Fällen sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen für die Fahrten absetzbar.

Auch nach der Änderung des Reisekostenrechts zum 1. Januar 2014 (Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013) sind die Fahrtkosten zu ständig wechselnden Tätigkeitsorten, wie vom III. Senat entschieden, grundsätzlich unbeschränkt als Betriebsausgaben abziehbar.

Zweifel an einem lohnsteuerlich erheblichen Vorteil bei Gestellung eines Fahrers

Der Senat lässt offen, ob an der Rechtsprechung weiterhin festzuhalten ist, dass die arbeitgeberseitige Fahrergestellung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil begründet. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in der bis einschließlich 2000 geltenden Fassung erhöht eine solche Fahrergestellung jedenfalls nicht die anzusetzenden Lohneinkünfte des betreffenden Arbeitnehmers, weil selbst bei Ansatz eines lohnsteuerrechtlichen Vorteils ein entsprechender Aufwand in gleicher Höhe entgegenstünde .

BFH Urteil vom 22.9.2010, VI R 54/09

Erläuterung:

Im Streitfall VI R 54/09 hatte der Arbeitnehmer eine ihm von seinem Arbeitgeber überlassene Dienstwohnung in B. Diese umfasste auch zwei vom Arbeitgeber ausgestattete und zur Erledigung dienstlicher Aufgaben dienende Räume. An rund 60 Tagen im Jahr suchte der Arbeitnehmer den 49 km entfernt gelegenen Sitz seines Arbeitgebers in C auf. Dazu stand ihm ein Dienstwagen samt Chauffeur zur Verfügung. Der Kläger machte mit Klage und Revision geltend, dass die Fahrten von B nach C keine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sondern solche zwischen zwei Betriebsstätten des Arbeitgebers seien, so dass dafür die 0,03 %-Zuschlagsregelung überhaupt nicht anzuwenden sei.

Hier schloss sich der BFH zwar nicht der Rechtsauffassung des Klägers an, dass die beruflich genutzten Räume in der Wohnung als Betriebsstätte des Arbeitgebers anzusehen seien. Er setzte allerdings auch hier die Zuschlagsregelung nur im Umfang der tatsächlich durchgeführten Fahrten an. Allerdings verneinte er für den Streitfall einen lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil aus der Fahrergestellung, weil Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte grundsätzlich beruflich veranlasste Fahrten sind. Denn würde der Arbeitnehmer die Aufwendungen für den Chauffeur seinem Arbeitgeber erstatten, so könnte er diese Aufwendungen zugleich als Werbungskosten abziehen. Insoweit saldierten sich Einnahmen und Erwerbsaufwendungen. In den Streitjahren (1998 bis 2000) gab es noch keine mit § 9 Abs. 2 EStG vergleichbare Regelung, wonach die Entfernungspauschale alle Aufwendungen abgilt, die durch Wege zwischen Wohnung und regelmäßige Arbeitsstätte veranlasst sind.

 

 

 

 

Fahrten an mehrere Arbeitsstätten sind als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu behandeln

Sind dem Bezirksleiter einer Einzelhandelskette zwischen fünf und acht Filialen fest zugeordnet, die er täglich aufsucht, um dort Arbeiten zu verrichten, die den wesentlichen Inhalt seines Aufgabengebiets betreffen, handelt es sich bei der Fahrt von der Wohnung zu der als erstes aufgesuchten Filiale und der Fahrt von der zuletzt aufgesuchten Filiale zur Wohnung jeweils um Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Dementsprechend ist nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG ein geldwerter Vorteil zu erfassen, sofern das dem Bezirksleiter überlassene betriebliche Kfz auch für diese Fahrten genutzt wird.
(BFH Urteil vom 7. Juni 2002 VI R 53/01).