Flächenbezogener Verzicht auf Steuerfreiheit

Der Verzicht gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG kann auch teilweise für einzelne Flächen eines Mietobjekts wirksam sein, wenn diese Teilflächen eindeutig bestimmbar sind.

BFH Urteil vom 24.4.2014, V R 27/13

Begründung:

Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG ist der “Verzicht auf Steuerbefreiung nach Absatz 1 … bei der Bestellung und Übertragung von Erbbaurechten (§ 4 Nr. 9 Buchstabe a), bei der Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken (§ 4 Nr. 12 Satz 1 Buchstabe a) und bei den in § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchstabe b und c bezeichneten Umsätzen nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen”.

§ 9 Abs. 2 Satz 1 UStG beruht unionsrechtlich auf Art. 137 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 –MwStSystRL– (zuvor Art. 13 Teil C der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern –Richtlinie 77/388/EWG–). Danach können die Mitgliedstaaten ihren Steuerpflichtigen das Recht einräumen, sich bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken für eine Besteuerung zu entscheiden. Dabei sind die Mitgliedstaaten gemäß Art. 137 Abs. 2 MwStSystRL berechtigt, die Einzelheiten für die Inanspruchnahme des Wahlrechts festzulegen.

Nach der zu Art. 13 Teil C der Richtlinie 77/388/EWG ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), die auch unter der Geltung von Art. 137 MwStSystRL zu beachten ist, “können die Mitgliedstaaten aufgrund dieser Befugnis den Steuerpflichtigen, die unter die Steuerbefreiungen der Sechsten Richtlinie fallen, die Möglichkeit einräumen, in allen Fällen oder in bestimmten Grenzen oder auch nach bestimmten Modalitäten auf die Befreiung zu verzichten”. Die Mitgliedstaaten verfügen insoweit über ein “weites Ermessen. Entscheiden sie sich für die Einführung eines Optionsrechts, können sie “auch bestimmte Umsätze oder bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen vom Geltungsbereich dieses Rechts ausnehmen”. Mitgliedstaaten, die von der Befugnis Gebrauch machen, den Umfang des Optionsrechts zu beschränken und die Modalitäten seiner Ausübung festzulegen, müssen aber “die Ziele und die allgemeinen Grundsätze der … Richtlinie, insbesondere den Grundsatz der steuerlichen Neutralität und das Erfordernis einer korrekten, einfachen und einheitlichen Anwendung der vorgesehenen Befreiungen, beachten”

 

§ 9 Abs. 2 Satz 1 UStG lässt einen nur teilweisen Verzicht im Umfang der Verwendung für Umsätze zu, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Das richtet sich nach der Verwendung des Mietgegenstandes, dessen Überlassung ohne den Verzicht nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfrei wäre. Wesensmerkmal der (steuerfreien) Vermietung ist es, dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen Vergütung das Recht einzuräumen, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre er dessen Eigentümer, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen. Die somit erforderliche Inbesitznahme des Grundstücks bezieht sich auf die Flächen des mietweise überlassenen Grundstücks. Dementsprechend kommt es beim Verzicht nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG auf die Verwendung dieser Grundstücksflächen an.

 

Berechtigt § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG zu teilweisem Verzicht, bezieht sich dieser dementsprechend auf Teilflächen des Mietgegenstandes. Der Verzicht gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG kann daher auch teilweise für einzelne Flächen eines Mietobjekts wirksam sein, wenn diese Teilflächen eindeutig bestimmbar sind. Ebenso wie bei der Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG sind dabei die baulichen Gegebenheiten des vermieteten Grundstücks zu berücksichtigen. Ist Mietgegenstand z.B. ein gemischtgenutztes Gebäude, kann der Verzicht nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG auf die Vermietung von Ladeneinheiten beschränkt werden, die der Mieter für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen, ohne auch die steuerfreie Vermietung von Wohnungen zu erfassen.

Einer derartigen Teiloption muss ein hinreichend objektiv nachprüfbarer Aufteilungsmaßstab zugrunde liegen. Dies ist bei einer Abgrenzung der Teilflächen nach baulichen Merkmalen wie etwa nach den Räumen eines Mietobjekts zu bejahen. Teilflächen innerhalb eines Raums sind demgegenüber im Regelfall wie z.B. bei der Vermietung eines Büros nicht hinreichend abgrenzbar.