Forderung der GmbH gegen ihren Gesellschafter bei Auflösung der Gesellschaft

Die Auflösung einer GmbH hat zivilrechtlich nicht die Befreiung des Gesellschafters von einer gegenüber der GmbH bestehenden Verbindlichkeit zur Folge. Die bloße Nichteinziehung der Forderung im Zuge der Auflösung führt daher nicht zur Zuteilung oder Rückzahlung von Vermögen der Gesellschaft i.S. des § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG.

Ist die einer GmbH gegen ihren Gesellschafter zustehende Forderung im Zeitpunkt der Auflösung der Gesellschaft wegen der Vermögenslosigkeit des Gesellschafters objektiv wertlos, ist die Forderung bei der Ermittlung des Auflösungsgewinns nicht mit ihrem Nennwert in den Veräußerungspreis einzubeziehen.

BFH Urteil vom 16.06.2015 – IX R 28/14

Sachverhalt:

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war seit 1998 alleiniger Gesellschafter einer GmbH (GmbH). Das Stammkapital betrug 50.000 DM. In den Jahren 1992 bis 1995 reichte die GmbH an den Kläger Darlehen aus, die dieser zu privaten Zwecken verwendete. Für diese Darlehen wurden weder schriftliche Darlehensverträge abgeschlossen noch Sicherheiten vereinbart. Die Darlehen wurden wie die sonstigen Ein- und Auszahlungen für private Zwecke des Klägers in einem Verrechnungskonto erfasst. Es wurde eine VGA festgesetzt. Die Gesellschaft ging anschließend in die Insolvenz. Streitig ist die Frage des anzusetzenden Veräußerungspreis aus dem Verrechnungskontos.

Begründung:

Entscheidend für den fiktiven Ansatz des Veräußerungspreises ist der gemeine Wert des zugeteilten Vermögens zu diesem Zeitpunkt. Handelt es sich bei dem zugeteilten Vermögen um eine Kapitalforderung, ist diese grundsätzlich mit ihrem Nennwert anzusetzen, soweit nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 des Bewertungsgesetzes –BewG–). Besondere Umstände, die eine vom Nennwert abweichende niedrigere Bewertung in diesem Sinne begründen, liegen beispielsweise vor, wenn die Realisierbarkeit einer Forderung nach den Verhältnissen am Bewertungsstichtag aus Sicht der Gesellschaft unsicher erscheint, weil es infolge der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zweifelhaft ist, ob diese Forderung in voller Höhe beigetrieben werden kann. Ist die Forderung wegen Vermögenslosigkeit des Schuldners uneinbringlich, bleibt sie außer Ansatz (§ 12 Abs. 2 BewG). Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich hierbei um eine Forderung der Gesellschaft gegen ihren Gesellschafter oder gegen einen Dritten handelt. Entscheidend ist, ob und in welcher Höhe sich die Forderung aus Sicht der Gesellschaft realisieren lässt, da die Forderung Bestandteil ihres zuzuteilenden oder zurückzuzahlenden Vermögens ist.

Nach diesen Maßstäben ist das FG unzutreffend vom Nennwert der sich aus dem Verrechnungskonto ergebenden Forderung als Veräußerungspreis ausgegangen. Nach den insoweit bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war die GmbH bereits im Zeitpunkt der rechtskräftigen Ablehnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse vermögenslos, so dass mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus ihrem Vermögen bereits im Streitjahr nicht mehr zu rechnen war. Zu diesem Zeitpunkt war nach den Feststellungen des FG deshalb auch die Forderung der GmbH wegen der Vermögenslosigkeit des Klägers objektiv wertlos und damit wegen Uneinbringlichkeit nicht anzusetzen.