Funktionstraining in Rheumagruppen als steuerfreie Heilbehandlung nach § 4 Nr. 14 UStG

Funktionstraining, das von den Krankenkassen nach § 43 SGB V in Verbindung mit der "Gesamtvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining" vergütet wird, kann nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerfrei sein.

BFH Urteil vom 30. April 2009 V R 6/07

Begründung:

Bei richtlinienkonformer Auslegung setzt die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 UStG voraus, dass der Unternehmer eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt und dass der Unternehmer die dafür erforderliche Qualifikation besitzt.

Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin dienen der Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen. Sie müssen einen therapeutischen Zweck haben. Zu den Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gehören auch Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, wie vorbeugende Untersuchungen und ärztliche Maßnahmen an Personen, die an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden, sowie Leistungen, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden.

Entgegen der Auffassung des FG haben Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe i.S. des § 20 SGB V keinen unmittelbaren Krankheitsbezug, weil sie lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen sollen; sie sind daher keine Heilbehandlungsleistungen i.S. von § 4 Nr. 14 UStG.

Eine Heilbehandlungsleistung in diesem Sinne ergibt sich entgegen der Auffassung des FG auch nicht daraus, dass die Leistungen der Klägerin weder der Befriedigung allgemeiner Lebensbedürfnisse dienten und sie auch nicht als Fitnesstrainingskurse anzusehen waren. Der erforderliche Heilbehandlungscharakter kann entgegen dem FG-Urteil auch nicht allein daraus abgeleitet werden, dass die Leistungen der Klägerin nicht in den Heilmittelrichtlinien über nicht verordnungsfähige Heilmittel aufgeführt waren.

Der für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 UStG weiter erforderliche Qualifikationsnachweis kann entgegen dem FG-Urteil nicht auf jede erdenkliche Art und Weise erbracht werden. Es reicht für den erforderlichen Befähigungsnachweis entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus, dass sie Diplom-Sportlehrerin ist.

Krankenkassen konnten nach § 43 SGB V Nr. 1 in seiner in den Streitjahren geltenden Fassung als ergänzende Leistung "den Rehabilitationssport fördern, der Versicherten ärztlich verordnet und in Gruppen unter ärztlicher Betreuung ausgeübt wird". Das gilt ab 2000 auch für Funktionstraining.

Wenn und soweit die von der Klägerin geleiteten Kurse auf der Gesamtvereinbarung beruhten und deren Notwendigkeit von einem Arzt bescheinigt war, kommt das Vorliegen einer Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin in Betracht. Dies gilt insbesondere für das von der Klägerin aufgrund einer Vereinbarung mit der Deutschen Rheumaliga durchgeführte Funktionstraining, an dem an Rheuma erkrankte Personen aufgrund ärztlicher Verordnung teilnahmen. Hierzu sind weitere Feststellungen zu treffen. Dabei kann sich der erforderliche Qualifikationsnachweis aus der Kostentragung nach § 43 SGB V in Verbindung mit der Gesamtvereinbarung ergeben.