Vermietung und Verpachtung vorab entstandene Werbungskosten bei gescheiterter Sanierung

Die Berücksichtigung von Aufwand als vorab entstandene Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung setzt grundsätzlich voraus, dass sich der Steuerpflichtige endgültig entschlossen hat, aus dem Objekt durch Vermieten Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung später nicht aufgegeben hat. Es genügt nicht, wenn der Entschluss zu vermieten zu einem Zeitpunkt gefasst wird, in dem bereits absehbar ist, dass die Investition scheitern wird.

Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach von der Fremdfinanzierung einer Immobilie auf die Vermietungsabsicht geschlossen werden kann; das gilt auch dann, wenn bereits ein anderes, fremdfinanziertes Vermietungsobjekt vorhanden ist.

Der objektbezogene Abschluss einer komplexen Finanzierung unter kalkulatorischer Einbeziehung des Anspruchs auf Eigenheimzulage spricht als Indiz gegen die Vermietungsabsicht.

BFH Urteil vom 06.09.2016 – IX R 19/15 BFHNV 2017 S. S. 19 ff

Begründung:

Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.
In materiell-rechtlicher Hinsicht hält das angefochtene Urteil den Angriffen der Revision stand.

Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG zählen zu den Werbungskosten auch Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bilden Werbungskosten grundsätzlich alle Aufwendungen, bei denen objektiv ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung besteht und die subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden. Demgemäß können grundsätzlich auch Bereitstellungszinsen und Zahlungen für die Nichtabnahme eines Darlehens als Werbungskosten abzugsfähig sein (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 2001 IX B 92/01, BFHE 197, 139, BStBl II 2002, 144).

Aufwendungen, die anfallen, bevor Einnahmen erzielt werden, können als vorab entstandene Werbungskosten abgezogen werden, sofern ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Ein solcher Abzug ist von dem Zeitpunkt an gegeben, zu dem sich anhand objektiver Umstände feststellen lässt, dass der Entschluss, Einkünfte einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefasst worden ist (Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 29. November 1983 VIII R 96/81, BFHE 140, 208, BStBl II 1984, 303; vom 29. Juli 1986 IX R 206/84, BFHE 147, 176, BStBl II 1986, 747). Die (vorab entstandenen) Aufwendungen können (als vergeblicher Aufwand) selbst dann abziehbar sein, wenn es entgegen den Planungen des Steuerpflichtigen nicht zu Einnahmen kommt, sofern nur eine erkennbare Beziehung zu den angestrebten Einkünften besteht (BFH-Urteil vom 29. November 1983 VIII R 160/82, BFHE 140, 216, BStBl II 1984, 307, m.w.N.).

Die Berücksichtigung von Aufwand als (vorab entstandene) Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung setzt grundsätzlich voraus, dass sich der Steuerpflichtige endgültig entschlossen hat, aus dem Objekt durch Vermieten Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung später nicht aufgegeben hat (z.B. BFH-Urteil vom 11. Dezember 2012 IX R 14/12, BFHE 239, 453, BStBl II 2013, 279). Das gilt auch dann, wenn die Wohnung in einem bestehenden Gebäude durch Sanierung erst noch hergestellt werden muss. Scheitert die Herstellung der Wohnung –wie im Streitfall– an der mangelnden Leistungsfähigkeit oder -bereitschaft des Bauträgers, steht dies dem Abzug vorab entstandener Werbungskosten nicht entgegen, soweit der Steuerpflichtige die zur Erzielung von Einkünften begonnene Tätigkeit “fortführt”, indem er zum Beispiel bestehende Zahlungsverpflichtungen erfüllt. Das trifft vor allem auf Bereitstellungszinsen zu, gilt aber auch für Nichtabnahmeentschädigungen. Sie sind nicht etwa durch den Entschluss veranlasst, die Einkünfteerzielung aufzugeben, sondern (noch) durch die ursprüngliche (nicht realisierbare) Absicht, ein Vermietungsobjekt zu erwerben (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 197, 139, BStBl II 2002, 144; vgl. auch BFH-Urteil vom 21. November 2013 IX R 12/12, BFH/NV 2014, 834 allgemein zu Aufwendungen, die erforderlich sind, um sich aus einer gescheiterten Immobilieninvestition zu lösen und so die Höhe der vergeblich aufgewendeten Kosten zu begrenzen). Es genügt aber nicht, wenn der Entschluss zu vermieten in einem Zeitpunkt gefasst wird, in dem bereits absehbar ist, dass die Investition scheitern wird.

Ob der Steuerpflichtige (rechtzeitig) endgültig entschlossen war, die Immobilie zur Einkünfteerzielung zu nutzen, hat das FG anhand der objektiven Gesamtumstände des Falles nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden (§ 96 Abs. 1 FGO).
Auf die Vermietungsabsicht als innere Tatsachen kann nur anhand von äußeren (vom FG festgestellten) Umständen (Indizien) geschlossen werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1994 IX R 11/91, BFHE 176, 221, BStBl II 1995, 192). Die Absichtsbekundung des Steuerpflichtigen genügt insoweit nicht. Kommen Vermietungsbemühungen noch nicht in Betracht, z.B. weil das Objekt noch nicht hergestellt ist, muss sich aus anderen objektiven Umständen ergeben, ob der Steuerpflichtige zur Vermietung bereits entschlossen war. Erforderlich ist in jedem Fall eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände des Einzelfalls. Dabei müssen nicht nur die im Streitzeitraum eingetretenen Umstände berücksichtigt werden. Bei der tatrichterlichen Würdigung der Umstände kann in Zweifelsfällen auch das spätere Verhalten des Steuerpflichtigen miteinbezogen werden (BFH-Urteile vom 8. Februar 1983 VIII R 163/81, BFHE 138, 202, BStBl II 1983, 355; vom 4. Juni 1991 IX R 89/88, BFH/NV 1991, 741; BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2006 IX B 202/05, BFH/NV 2007, 226). Starre Regeln für die Würdigung und Gewichtung der einzelnen Umstände gibt es nicht.

An die vom FG festgestellten Tatsachen ist der BFH grundsätzlich gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Das gilt auch für die Tatsachen, die das FG aus anderen Tatsachen (Indizien) geschlossen hat. Der BFH überprüft insofern allerdings, ob die Schlussfolgerung durch Verfahrensmängel beeinflusst ist, was hier nicht der Fall ist (s.o.). Darüber hinaus prüft der BFH nur, ob sie mit den Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungssätzen in Einklang steht. Dabei genügt es, wenn die Schlussfolgerungen des FG möglich sind, sie müssen nicht zwingend sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. August 2010 II R 35/08, BFH/NV 2010, 2301, m.w.N.). Der BFH darf die Umstände des Falles grundsätzlich nicht selbst würdigen und insbesondere nicht seine Überzeugung an die Stelle der Überzeugung des FG setzen.

Nach diesen Maßstäben ist die Schlussfolgerung des FG, dass es die behauptete Vermietungsabsicht nicht feststellen könne (non liquet), nicht zu beanstanden. Dies geht zu Lasten des Klägers, dessen Begehren nur dann Erfolg gehabt hätte, wenn das Gericht davon überzeugt gewesen wäre, dass der Kläger zur Vermietung entschlossen war.

Das FG hat zur Begründung u.a. ausgeführt, die Art der Finanzierung lasse für sich genommen keinen Schluss auf die beabsichtigte Nutzung einer Immobilie zu. Insbesondere gebe es keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass fremdfinanzierte Objekte stets vermietet werden. Auch aus dem Umstand, dass der Kläger bereits ein Vermietungsobjekt besaß, ergebe sich nicht, dass das streitgegenständliche Objekt ebenfalls vermietet werden sollte. Für die Vermietungsabsicht spreche auch nicht, dass im Haus (ganz überwiegend) Seniorenwohnungen mit dem Angebot des betreuten Wohnens errichtet werden sollten. Die vom Kläger erworbene Wohnung habe sich von den im Prospekt beschriebenen Seniorenwohnungen ganz erheblich unterschieden. Sie sei viel größer gewesen. In der Bauzeichnung seien Kinderzimmer eingezeichnet gewesen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Teilungserklärung und der Baubeschreibung. Die vom Kläger erworbene Wohnung sei erst nachträglich durch Zusammenlegung der Wohnungen W29 bis W31 entstanden und deshalb im ursprünglichen Konzept nicht vorgesehen gewesen. Insgesamt sei nicht erkennbar, dass es sich bei der vom Kläger erworbenen Wohnung ebenfalls um eine Seniorenwohnung gehandelt habe. Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Scheitern des Erwerbs in der A-Straße und der Anschaffung einer selbst genutzten Wohnung in der B-Straße spreche eher dafür, dass der Kläger die Wohnung in der A-Straße ebenfalls zu eigenen Wohnzwecken nutzen wollte. Dies könne jedoch offenbleiben.

Diese Schlussfolgerungen sind möglich. Sie verstoßen weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. An sie ist der BFH deshalb gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).

Der Senat kann offenlassen, ob und unter welchen Umständen die Art der Finanzierung des Kaufpreises ein Indiz für die beabsichtigte Nutzung einer Immobilie sein kann. Zumindest besteht der vom FG verneinte Erfahrungssatz nicht, dass von der Fremdfinanzierung auf die Vermietungsabsicht geschlossen werden kann. Das gilt auch dann, wenn bereits ein fremdfinanziertes Vermietungsobjekt vorhanden ist. Das Argument wird vor allem dadurch entwertet, dass die Kläger bis 2004 noch zur Miete wohnten. Umgekehrt spricht der Abschluss einer objektbezogenen, komplexen Finanzierung unter kalkulatorischer Einbeziehung des Anspruchs auf Eigenheimzulage als Indiz gegen die Vermietungsabsicht, denn die Gewährung der Eigenheimzulage setzt die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken voraus. Die Behauptung des Klägers, die Finanzierung sei ihm im Paket vorgelegt worden und habe zu keinem Zeitpunkt seinen persönlichen Verhältnissen entsprochen, ist dabei durch nichts belegt und erscheint auch nicht glaubhaft. Aus dem Prospekt des Bauträgers ergibt sich nicht, dass die Wohnungen mit Finanzierung angeboten worden sind.

Auch der Umstand, dass der Kläger nach eigenen Angaben die selbst bezogene Wohnung in der B-Straße ohne Inanspruchnahme von Fremdkapital angeschafft hat, lässt keinen Schluss auf die behauptete Vermietungsabsicht zu. Hätte der Kläger, wie er vorgibt, unabhängig von dem Erwerb der Wohnung in der B-Straße ein fremdfinanziertes Vermietungsobjekt erwerben wollen, ist nicht verständlich, warum er seit 2004 mit Nachdruck versuchte, aus dem Erwerb des Objekts A-Straße auszusteigen. Das Vermietungsobjekt hätte er haben können, wenn er auf das Angebot des übernehmenden Bauträgers eingegangen wäre, das Vorhaben zu den vereinbarten Preisen zu Ende zu bauen. Aus dem anwaltlichen Beratungsschreiben von Oktober 2004 ergibt sich aber, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt eindeutig nur eines der beiden Objekte erwerben wollte. Der Entschluss, nur eine und zwar eine selbst genutzte Wohnung anzuschaffen, muss also spätestens im Jahr 2004 gefallen sein.

Es begegnet schließlich auch keinen Bedenken, dass das FG dem Argument, es handele sich um eine Seniorenanlage, in die der Kläger nicht eingezogen wäre, keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat. Dabei ist es zunächst nicht zu beanstanden, dass das FG anhand der Unterlagen von einer gemischten Nutzung des Gebäudes (nicht ausschließlich durch Senioren) ausgegangen ist. Etwas anderes ergibt sich nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit aus den Verträgen und Planungsunterlagen und auch nicht aus dem Prospekt, in dem die vom Kläger erworbene Wohnung nicht erwähnt ist. Zum anderen erscheint es dem Senat keineswegs zwingend, dass ein 50-Jähriger mit seiner Familie nicht in eine Wohnung ziehen würde, die speziell auf die Bedürfnisse von Senioren zugeschnitten ist. Anhaltspunkte dafür, dass die vom Kläger erworbene Wohnung eine Seniorenwohnung sein sollte, hat das FG allerdings auch nicht festgestellt.

Ergänzend hätte das FG das steuerliche Erklärungsverhalten des Klägers als Indiz berücksichtigen können. Die Kläger haben danach ihre vergeblichen Aufwendungen ernsthaft erst mit der Einkommensteuererklärung für 2004 (im Dezember 2006) geltend gemacht, in einem Zeitpunkt also, in dem das endgültige Scheitern des Projekts feststand. Wären sie zur Vermietung entschlossen gewesen, hätte es indes nahegelegen, die vorab entstandenen Werbungskosten bereits bei den Einkommensteuerveranlagungen 2001 bis 2003 geltend zu machen bzw. auch mit Nachdruck zu verfolgen (2002). Die Behauptung der Kläger, sie hätten nach dem Kaufvertrag einen Anspruch auf Erstattung ihrer Kosten gehabt, trifft zwar zu, beruhte aber steuerlich auf einem Rechtsirrtum und hätte am Vorliegen von vorab entstandenen Werbungskosten nichts geändert. Die in allen Jahren steuerlich beratenen Kläger hätten dies wissen können.