Betriebsaufspaltung bei Übertragung von Gesellschaftsanteilen unter Vorbehaltsnießbrauch

Überträgt in Fällen der Betriebsaufspaltung der Gesellschafter der Betriebs-GmbH seine Anteile unter Vorbehaltsnießbrauch, bleibt die personelle Verflechtung bestehen, wenn er auch weiterhin seinen Geschäfts- und Betätigungswillen im Betriebsunternehmen durchsetzen kann.
Unter einem “bestimmten Sachverhalt” i.S. des § 174 Abs. 4 AO versteht man den einzelnen Lebenssachverhalt, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Dies kann auch ein Sachverhaltskomplex sein.

Ein Irrtum i.S. des § 174 Abs. 4 AO kann nur vorliegen, wenn die Finanzbehörde Kenntnis über den Sachverhalt hat. Die konkrete Kenntnis des Betriebsprüfers ist nicht nötig.

BFH Urteil vom 25.01.2017 – X R 45/14 BFH/NV 2017, 1039

Begründung:

Das FA geht (nunmehr) zutreffend davon aus, dass die Betriebsaufspaltung durch die Übertragung von 15 % der GmbH-Anteile im Jahr 2002 noch nicht beendet worden ist. Dies ist (jedenfalls) Folge der umfassenden Einräumung der Stimmrechtsausübung zugunsten des Klägers.
Werden Anteile an einer Kapitalgesellschaft wie vorliegend unter Vorbehaltsnießbrauch übertragen und verpflichtet sich der Erwerber der Anteile, sein Recht auf Teilnahme an Gesellschafterversammlungen sowie sein Stimmrecht dem Veräußerer für die Dauer des Nießbrauchrechts zu überlassen, und bevollmächtigt er diesen unwiderruflich, nicht nur die mit dem Geschäftsanteil verbundenen Ladungen zu Gesellschafterversammlungen entgegenzunehmen, sondern auch die Stimmrechte ohne Beschränkungen in Gesellschafterversammlungen auszuüben, bleibt die personelle Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen bestehen.
Eine Betriebsaufspaltung setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH voraus, dass das vermietende Besitzunternehmen mit dem mietenden Betriebsunternehmen sachlich und personell verflochten ist. Eine personelle Verflechtung ist gegeben, wenn eine Person oder Personengruppe beide Unternehmen in der Weise beherrscht, dass sie in der Lage ist, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen.

Besteht die personelle Verflechtung nicht mehr, endet die Betriebsaufspaltung. Auch bei der Übertragung von GmbH-Gesellschaftsanteilen unter Vorbehaltsnießbrauch bleibt diese personelle Verflechtung erhalten, wenn der bisherige Gesellschafter weiterhin seinen Geschäfts- und Betätigungswillen im Betriebsunternehmen durchsetzen kann. Im vorliegenden Fall ist dies der Fall, da dem Kläger auch nach der Übertragung der Anteile sämtliche Stimm- und Verwaltungsrechte zustanden und das Stimmrecht keinerlei Beschränkungen oder Weisungen unterlag. Folglich behielt der Kläger dort in Verbindung mit seiner Beteiligung die Stimmrechtsmehrheit.

Aufgrund dieser Stimmrechtsmehrheit des Klägers blieb die personelle Verflechtung bestehen. Die Betriebsaufspaltung wurde, wie von den Beteiligten im Einspruchsverfahren gegen den Änderungsbescheid für 2002 vom 7. August 2008 angenommen, somit nicht im Jahr 2002 (zwangs-)aufgegeben. Sie endete erst mit der Grundstücksveräußerung im Streitjahr.
Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. Nach § 174 Abs. 4 Satz 4 AO gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Abs. 3 Satz 1, wenn die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen war, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde.