Vorbehaltsnießbrauch hindert steuerneutrale unentgeltliche Übertragung eines Gewerbebetriebs

Die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG setzt voraus, dass der Übertragende seine bisherige gewerbliche Tätigkeit einstellt. Daran fehlt es, wenn die einzige wesentliche Betriebsgrundlage aufgrund des vorbehaltenen Nießbrauchs vom bisherigen Betriebsinhaber weiterhin gewerblich genutzt wird.

Es ist insoweit unerheblich, ob ein aktiv betriebener oder ein verpachteter Betrieb unter Vorbehaltsnießbrauch übertragen wird.

BFH Urteil vom 25.01.2017 – XR 59/14 BFH/NV 2017, 1077

Begründung:

Es kann dahinstehen, ob M im Streitjahr dem Revisionskläger einen Betrieb oder lediglich ein Grundstück übertragen hat. Auch bei einer unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs hätte das FG zu Recht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 EStG als nicht erfüllt angesehen. Der erkennende Senat kann es wegen des Verböserungsverbotes dahingestellt sein lassen, ob das FG –dem FA folgend– zu Recht eine tarifbegünstigte Betriebsaufgabe gemäß § 16 Abs. 3 EStG bejaht hat oder ob es sich um eine Entnahme handelt. Aus demselben Grunde ist die Höhe der Einkünfte der M aus Vermietung und Verpachtung nicht zu ändern.
Werden die Vereinbarungen aufgrund ihres Wortlauts dahingehend ausgelegt, dass lediglich das Grundstück übertragen wurde, während M ihren Verpachtungsbetrieb –nunmehr mittels des vorbehaltenen Nießbrauchs am Grundstück– fortsetzte, sei es als Gewerbebetrieb, sei es im Wege der Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG, liegt eine Entnahme des Grundstücks vor, die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG mit dem Teilwert anzusetzen ist, oder aber, der Prüferin folgend, eine Betriebsaufgabe. Damit hätte die Revision des Revisionsklägers bereits aus diesem Grund keinen Erfolg.

Wenn man hingegen davon ausgeht, dass sich die Übertragung nicht auf das Grundstück allein beschränkte, sondern sich vielmehr –da es dessen einzige wesentliche Betriebsgrundlage war– auf den ruhenden verpachteten Betrieb bezog (zur Behandlung der Verpachtung eines Grundstücks, das die alleinige wesentliche Betriebsgrundlage darstellt, als Betriebsverpachtung, hätte M dem Revisionskläger im Streitjahr einen Gewerbebetrieb unentgeltlich übertragen.
Eine vom zivilrechtlichen Eigentum abweichende Zuordnung von Wirtschaftsgütern im Abgabenrecht kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn ein anderer als der rechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft ausübt und den nach bürgerlichem Recht Berechtigten (durch vertragliche Vereinbarung oder aus anderen Gründen) für die gewöhnliche Nutzungsdauer wirtschaftlich von der Einwirkung ausschließen kann (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO). Nach ständiger Rechtsprechung ist der Vorbehaltsnießbraucher nur dann wirtschaftlicher Eigentümer, wenn sich seine rechtliche und tatsächliche Stellung gegenüber dem zivilrechtlichen Eigentümer des Grundstücks von der normalen –lediglich eine Nutzungsbefugnis vermittelnden– Position eines Nießbrauchers so deutlich unterscheidet, dass er die tatsächliche Herrschaft über das nießbrauchsbelastete Grundstück ausübt. Entscheidend ist der wirtschaftliche Ausschluss des Eigentümers von der Einwirkung auf die Sache, den die Rechtsprechung dann annimmt, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse kein Herausgabeanspruch besteht oder der Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat. Dies gilt unabhängig davon, ob das Verfügungsrecht, insbesondere das Recht zur Belastung und Veräußerung, beim zivilrechtlichen Eigentümer verbleibt.

Der Streitfall weist keine Besonderheiten auf, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten. Unerheblich ist, dass der Vorbehaltsnießbrauch auf Lebenszeit der Nießbraucherin M bestellt wurde, da damit bei einem Wirtschaftsgut mit längerer Lebensdauer nicht der Ausschluss des Eigentümers für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Objekt verbunden ist. Weitere Vereinbarungen, die auf ein wirtschaftliches Eigentum hindeuten
könnten, sind nicht erkennbar.

Wird ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder der Anteil eines Mitunternehmers an einem Betrieb unentgeltlich übertragen, so sind gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben.
Die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG setzt aber zusätzlich voraus, dass der Übertragende seine bisherige gewerbliche Tätigkeit einstellt. Daran fehlt es hier, da M die einzige wesentliche Betriebsgrundlage, das Grundstück, aufgrund des ihr vorbehaltenen Nießbrauchs weiterhin selbst vermietet und verpachtet hat.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung, die zu § 7 Abs. 1 EStDV ergangen ist, gilt auch für die unentgeltliche Übertragung eines Gewerbebetriebs gemäß § 6 Abs. 3 EStG (unter a bis c). Die insoweit abweichende Rechtsprechung des IV. Senats des BFH bezüglich des unentgeltlichen Übergangs eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs unter Vorbehaltsnießbrauch kann nicht auf den unentgeltlichen Übergang eines Gewerbebetriebs übertragen werden (unter d). Es macht für die Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG keinen Unterschied, ob der übertragende Betrieb aktiv betrieben wird oder ob es sich um einen ruhenden Betrieb in Form eines Verpachtungsbetriebs handelt (unter e). Die dadurch bewirkte steuerpflichtige Aufdeckung stiller Reserven verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG.

Nach der Rechtsprechung des BFH zur Vorgängervorschrift des § 6 Abs. 3 EStG setzt die unentgeltliche Übertragung eines Betriebs i.S. des § 7 Abs. 1 Satz 1 EStDV voraus, dass das (wirtschaftliche) Eigentum an den wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang und unter Aufrechterhaltung des geschäftlichen Organismus auf einen Erwerber übertragen wird. Dabei ist der Begriff des Betriebs nicht allein gegenstands-, sondern zugleich tätigkeitsbezogen zu verstehen. Voraussetzung einer Betriebsübertragung sei deshalb, dass der Gewerbetreibende die im Rahmen des übertragenen Betriebs ausgeübte gewerbliche Tätigkeit aufgebe. Für die Auslegung der Begriffe “Betrieb” und “Teilbetrieb” in § 7 Abs. 1 EStDV könne insoweit nichts anderes gelten als für die entsprechenden Begriffe in § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Hier wie dort gelte es, die Veräußerung bzw. Übertragung des Unternehmens oder Unternehmensteils von der Veräußerung bzw. Übertragung der einzelnen Wirtschaftsgüter dieses Unternehmens oder Unternehmensteils, also der Betriebsmittel, zu unterscheiden. Unerheblich sei, dass ein Eigentum an der betrieblichen Betätigung nicht bestehen und dass diese Betätigung deshalb streng genommen auch nicht veräußert und übertragen werden könne. Denn auch wenn –sachenrechtlich– Gegenstand der Veräußerung bzw. der Übertragung lediglich die einzelnen Betriebsmittel seien, so ändere dies doch nichts daran, dass der Übertragende schuldrechtlich verpflichtet sei, dem Erwerber die Fortsetzung der bislang von ihm ausgeübten Tätigkeit zu ermöglichen. Damit verbunden sei, dass der Übertragende sich einer weiteren Tätigkeit im Rahmen des übertragenen Gewerbebetriebs endgültig enthalte und seine bisherige Tätigkeit einstelle. Anderenfalls würden lediglich einzelne oder alle Betriebsmittel, nicht aber der Betrieb als solcher übertragen.