Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen

Wird ein streng objektgebundener (Immobilien-)Kredit bei der Veräußerung des mit dem Kredit finanzierten Grundstücks unter wirtschaftlicher Weiterleitung des Kreditvertrages an die Objektkäuferin (Vereinbarung einer Stundungsvereinbarung einschl. Agio) unverändert fortgeführt, wird die Schuld zur Dauerschuld.

BFH Urteil vom 26.10.2011 – IR (82/10) BFHNV 2012,S. 605

Begründung:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer (hälftigen) Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen i.S. des § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes. Der BFH entschied, dass die Hinzurechnung der (hälftigen) Schuldzinsen erfolgte zu Recht, weil die der Zinsverpflichtung zugrunde liegenden Schulden der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals der Klägerin gedient haben.

Nach § 8 Nr. 1 GewStG 2002 a.F. wird dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die Hälfte der bei seiner Ermittlung abgezogenen Entgelte für Schulden hinzugerechnet, die (u.a.) der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen. Eine Schuld dient nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals, wenn ihr Gegenwert das Betriebskapital länger als ein Jahr verstärkt. Nicht der dauernden Verstärkung des Betriebskapitals dienen allerdings trotz einer Laufzeit von mehr als einem Jahr Schulden, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit laufenden Geschäftsvorfällen stehen und in der nach Art des jeweiligen Geschäftsvorfalls üblichen Frist getilgt werden. Dabei handelt es sich insbesondere um Kredite, die ein Unternehmen zur Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines bestimmten Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens aufnimmt und die aus dem bei der Veräußerung dieses Wirtschaftsguts erzielten Erlös zu tilgen sind. Ihnen gleichgestellt werden Verbindlichkeiten zur Finanzierung von Gegenständen, die einen Grenzfall zwischen Anlage- und Umlaufvermögen darstellen und deren Anschaffung bzw. Herstellung zu den immer wiederkehrenden, den Gegenstand des Unternehmens ausmachenden üblichen Geschäftsvorfällen gehört. Insoweit kann aus einer über ein Jahr hinausgehenden Laufzeit allein noch nicht auf den Charakter als Dauerschuld geschlossen werden.  

Gleichwohl kann eine lange Finanzierungsdauer einen qualitativen Umschlag des Finanzierungstypus zur Dauerschuld begründen. Während bei den typischen laufenden Geschäftsvorfällen im Allgemeinen der Laufzeit der Verbindlichkeit keine entscheidende Bedeutung zukommt, kann bei Unklarheit, ob ein Geschäftsvorfall als laufender einzuordnen ist, eine lange Laufzeit Anzeichen dafür sein, dass die Kreditaufnahme das Betriebskapital nicht nur vorübergehend verstärken soll.  

Das FG hat ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen den Sachverhalt zunächst dahingehend gewürdigt, dass das zu errichtende Seniorenzentrum zur Zeit der Kreditaufnahme durch die Klägerin als Umlaufvermögen der Klägerin anzusehen war. Dabei hat es insoweit auf eine die Veräußerung des Objekts mitsamt Pachtvertrag gerichtete Absicht der Klägerin geschlossen und dazu auf die Bilanzierung im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2000, den von der Klägerin vorgelegten Schriftverkehr zur Investorensuche, den tatsächlichen späteren Geschehensablauf, das Unternehmenskonzept und die Unternehmenspraxis der Klägerin verwiesen.

Das FG ist darüber hinaus davon ausgegangen, dass Gegenstand der Kreditvereinbarung ein streng objektgebundener Kredit bezüglich einer geschäftstypischen Immobilienveräußerung aus dem Umlaufvermögen der Klägerin war. Insoweit hat es nach dem "Gesamtbild der Verhältnisse" der zehnjährigen Finanzierungsdauer, die als Indiz für eine nicht nur vorübergehende Verstärkung des Betriebskapitals spreche, keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Die Aufnahme eines solchen Immobilienkredits und darüber hinaus dessen rechtliche oder wirtschaftliche Weiterleitung an den Erwerber sei als branchen- und geschäftsüblich anzusehen, auch wenn eine solche Kreditweiterleitung eher als eine Ausnahme und die kurzfristige Finanzierung mit rascher vollumfänglicher Darlehensrückführung als Regelfall eines Geschäfts einer Immobilien-Projektgesellschaft anzusehen sei.

Dieser Einschätzung ist insoweit zuzustimmen, als der Finanzierungsdauer keine allein ausschlaggebende Bedeutung für die Qualifizierung einer Schuld als Dauerschuld beizumessen ist. So ist eine Dauerschuld auf der Grundlage eines Gesamtbilds der Verhältnisse gerade aus dem Zusammentreffen der Finanzierungsdauer von zehn Jahren mit der Ausrichtung des streitigen Darlehens auf die gesamte Lebensdauer des Unternehmens der dortigen Klägerin und den für diese Lebensdauer allein vorgesehenen Geschäftszweck angenommen worden. Wenn ein Refinanzierungskredit eines Leasinggebers beim Immobilienleasing nach zehn Jahren zu tilgen ist, spricht diese lange Dauer zwar für das Vorliegen von Dauerschulden das Laufzeitkriterium prägt den Typus einer Dauerschuld aber nicht allein. Entgegen der Ansicht der Revision wird man aus Abschn. 45 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 Sätze 13 bis 15 der Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR) 1998 nicht zwingend ableiten müssen, dass eine Dauerschuld stets anzunehmen ist, wenn die Finanzierung über einen Zeitraum von sechs Jahren hinausgeht. Die Richtlinie nimmt vielmehr an, dass bei der Würdigung, ob die vom Leasinggeber zur Finanzierung der (dem Leasingnehmer zuzurechnenden) Leasinggegenstände aufgenommenen Kredite zum laufenden Geschäftsverkehr gehören oder unter Berücksichtigung des zeitlichen Moments zu Dauerschulden geworden sind, eine Finanzierungsdauer von nicht über sechs Jahren (als "allgemein üblicher Tilgungsfrist"  nicht heranzuziehen ist. Erst bei einer darüber hinausgehenden Finanzierungsdauer "können" (s. ausdrücklich Abschn. 45 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 Satz 14 GewStR 1998) die Kredite zu Dauerschulden werden.

Dem FG ist jedoch nicht darin zu folgen, dass die Veräußerung des mit dem Kredit finanzierten Grundstücks angesichts der "wirtschaftlichen Weiterleitung" des Kreditvertrages an die Objektkäuferin den Charakter der Schuld ("objektgebundener Kredit") unberührt lässt. Zwar reichen die laufenden, aus den Pachteinnahmen erwirtschafteten Kaufpreisraten der Käuferin zusammen mit ihrer Restzahlung nach den Feststellungen des FG für sich genommen aus, um der Klägerin die Rückzahlung des Darlehens (laufende Annuitäten und Darlehensrestzahlung) vollen Umfangs zu ermöglichen. Darüber hinaus ist die langjährig gestreckte Kaufpreiszahlung durch die aufeinander abgestimmten Regelungen im Darlehensvertrag der Klägerin und im Kaufvertrag sowie im von der Klägerin abgeschlossenen Pachtvertrag auch vertraglich in hinreichender Weise abgesichert gewesen; die Vereinbarungen sind absprachegemäß vollzogen worden. Die Klägerin ist aber nach der Veräußerung des Objekts weiterhin (auf eigene Rechnung) Darlehensnehmerin geblieben. Sie hat eine rechtlich eigenständige Stundungsvereinbarung mit der Käuferin geschlossen und einen gesonderten (für sie zur freien finanziellen Verfügung stehenden und nicht für eine Darlehenstilgung einzusetzenden) Geschäftserfolg erzielt (Agio).

Auf dieser Grundlage hat die Klägerin ab dem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2002 die gestundete Restkaufpreis-Forderung auch unter der Position A. Anlagevermögen im Bereich der Finanzanlagen als Sonstige Ausleihungen (Darlehen Z-KG) erfasst.

Dem Zweck des § 8 Nr. 1 GewStG 2002 a.F., unter dem Gesichtspunkt einer "objektiven Ertragskraft" des Unternehmens eine Gleichstellung von Erträgen aus eigen- und fremdfinanziertem Kapital herbeizuführen widerspräche es, diese Auflösung des ursprünglichen Finanzierungszusammenhangs durch den Verkauf des Objekts und die gesonderte Stundungsvereinbarung unberücksichtigt zu lassen. Seit 2002 ist der ursprünglich bestehende Zusammenhang zum laufenden Geschäftsverkehr (Umlaufvermögen) gelöst; die Schuld dient seitdem der allgemeinen Verstärkung des Betriebskapitals. Es ist dabei auch anerkannt, dass eine bestehende Schuld während ihrer Laufzeit zur Dauerschuld werden kann.  

 

. Besteuerungsvermeidung durch grenzüberschreitende Organschaften

Besteuerungsvermeidung durch grenzüberschreitende Organschaften

BFH Urteil vom 09.02.11 I R 54

Begründung:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch Urteil vom 9. Februar 2011 I R 54, 55/10 die Begründung einer sog. gewerbesteuerlichen Organschaft "über die Grenze" zwischen einer inländischen Untergesellschaft und einer ausländischen Obergesellschaft anerkannt.

Verpflichtet sich eine inländische Kapitalgesellschaft, ihren ganzen Gewinn als Organgesellschaft an ein anderes gewerbliches Unternehmen als Organträger abzuführen, so ist das Einkommen der Organgesellschaft nicht dieser, sondern unter bestimmten Voraussetzungen dem Organträger zuzurechnen. Voraussetzung ist u.a., dass der Organträger die Mehrheit der Anteile an der Organgesellschaft hält und überdies seine Geschäftsleitung, früher zusätzlich auch noch seinen Sitz, im Inland hat. Das gilt im Grundsatz für die Körperschaftsteuer (nach §§ 14 ff. des Körperschaftsteuergesetzes) ebenso wie für die Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes).

Fraglich ist allerdings, ob der strikte Inlandsbezug der Organschaft den Anforderungen des Unions- und des Abkommensrechts uneingeschränkt standhält. Der I. Senat des BFH hat letzteres – die Übereinstimmung mit dem Abkommensrecht – für die Gewerbesteuer verneint. Der gesetzlich erforderliche Inlandsbezug des Organträgers verstoße gegen das völkerrechtlich verbindlich in einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vereinbarte Diskriminierungsverbot gegenüber solchen inländischen Kapitalgesellschaften, deren Anteile mehrheitlich nicht von einem im Inland, sondern von einem in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Unternehmen gehalten werden.

Konkret ging es um eine britische Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der public limited company (plc), die mehrheitlich an einer deutschen GmbH beteiligt war. Die GmbH wollte vermeiden, dass sie bestimmte gewerbesteuerliche Nachteile durch Hinzurechnung sog. Dauerschuldzinsen erleiden musste, weil das Organschaftsverhältnis zu der britischen plc nicht anerkannt wurde. Der BFH gab ihr im Ergebnis recht.

Das Urteil des BFH ist noch zu der früheren Regelungslage im Gewerbesteuergesetz und den danach bestehenden tatbestandlichen Erfordernissen ergangen. Mittlerweile bedarf es im Gewerbesteuerrecht – nicht anders als schon seit jeher im Körperschaftsteuerrecht – zusätzlich eines gesellschaftsrechtlichen Gewinnabführungsvertrages, um ein steuerliches Organschaftsverhältnis begründen zu können. Es wird derzeit diskutiert, ob das Verlangen nach einem solchen Vertrag in Einklang mit Unionsrecht steht. Auch deswegen wird im gegenwärtigen Koalitionsvertrag zwischen den Regierungsparteien die Abschaffung der Organschaft zugunsten eines Gruppenbesteuerungssystems ausdrücklich als "mittelfristiges Ziel" benannt. Problematisch ist dabei vor allem die grenzüberschreitende "Öffnung" eines solchen Systems, die möglicherweise Gefahren für die öffentlichen Haushalte mit sich bringen könnte. In Anbetracht dessen kommt der Entscheidung des BFH aktuelle und besondere Bedeutung zu.

 

 

Gewerbesteuer auf Gewinne aus der Veräußerung von Personengesellschaftsanteilen durch nicht natürliche Personen ist verfassungsgemäß

§ 7 Satz 2 GewStG ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar.

BFH Urteil vom 22.7.2010, IV R 29/07

Erläuterungen:

Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. Juli 2010 IV R 29/07 ist es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar, dass nach § 7 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) Gewinne, die bei der Veräußerung von Anteilen an einer gewerblichen Personengesellschaft durch eine nicht natürliche Person erzielt werden, der Gewerbesteuer unterliegen, während Veräußerungen durch eine natürliche Person nicht mit Gewerbesteuer belastet sind. Im Urteilsfall hatten Kapital- und Personengesellschaften sowie eine Stiftung ihre Anteile an einer GmbH & Co. KG veräußert.

Zwar seien – so das Urteil – Gewinne aus der Veräußerung von Personengesellschaftsanteilen (sog. Mitunternehmeranteilen) durch natürliche Personen nicht gewerbesteuerpflichtig. Der Gesetzgeber dürfte aber nicht nur zwischen natürlichen Personen und Kapitalgesellschaften differenzieren und den von Kapitalgesellschaften aus der Veräußerung ihrer Mitunternehmeranteile erzielten Gewinn der Gewerbsteuer unterwerfen. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber seinen verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraum nicht dadurch verletzt, dass er den von einer Oberpersonengesellschaft erzielten Gewinn aus der Veräußerung ihrer Beteiligung an einer Unterpersonengesellschaft auch insoweit mit Gewerbesteuer belastet habe, als an der Oberpersonengesellschaft natürliche Personen beteiligt sind. Zum einen würden solche mittelbar – d. h. über die Oberpersonengesellschaft – an der Unterpersonengesellschaft beteiligte natürliche Personen durch die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteur entlastet. Zum anderen habe sich der Gesetzgeber davon leiten lassen dürfen, dass die Feststellung der mittelbaren Beteiligungsverhältnisse mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden sein könne.

Das Urteil führt schließlich auch aus, dass die Anwendung des – ab dem Jahre 2002 zu beachtenden – § 7 Satz 2 GewStG, der auf das im Dezember 2001 verabschiedete Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz zurückgeht, im Streitfall nicht deshalb gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstößt, weil die Gesellschafter bereits im September 2001 beschlossen hatten, ihre Personengesellschaftsanteile zum 1. Februar 2002 abzutreten. Da die Entscheidung des BFH auf der mündlichen Verhandlung vom 22. Juli 2010 beruhte und zu diesem Zeitpunkt die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 7. Juli 2010, die sich grundsätzlich mit den verfassungsrechtlichen Grenzen rückwirkender Steuergesetze befassen, noch nicht veröffentlicht waren, konnten die Erwägungen des BVerfG vom BFH allerdings nicht (mehr) berücksichtigt werden.

Gewerbesteuerliche Organschaft

Eine GmbH, die ein Alten- und Pflegeheim betreibt, das gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG 2002 von der Gewerbesteuer befreit ist, kann Organträgerin einer gewerbesteuerlichen Organschaft mit einer Tochtergesellschaft sein, die im Auftrag der GmbH Dienstleistungen (hier: Zubereitung von Speisen und Reinigungsarbeiten) für das Heim erbringt .

Der der Organträgerin in diesem Fall zuzurechnende Gewerbeertrag der Organgesellschaft wird nicht von der Gewerbesteuerbefreiung umfasst .

BFH Beschluss vom 10.3.2010, I R 41/09

Erläuterungen:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 10. März 2010 I R 41/09 entschieden, dass sich die gewerbesteuerliche Steuerbefreiung einer Kapitalgesellschaft für den Betrieb eines Senioren- und Pflegeheims nicht auf Gewinnabführungen einer Tochtergesellschaft erstreckt, die ausschließlich Dienstleistungen für den Heimbetrieb erbringt.

In dem vom BFH entschiedenen Fall hatte eine GmbH (Organträgerin), die ein von der Gewerbeteuer befreites Senioren- und Pflegeheim betrieb, mit einer Tochtergesellschaft (Organgesellschaft) eine gewerbesteuerliche Organschaft gegründet. Die Tochtergesellschaft bereitete im Auftrag der Muttergesellschaft gegen Entgelt Speisen und Getränke für die Heimbewohner zu und übernahm die Reinigung des Heims. Nach Auffassung des BFH muss die Muttergesellschaft den an sie abgeführten Gewinn der Tochtergesellschaft trotz der Gewerbesteuerbefreiung des Heimbetriebs versteuern. Der von der Tochtergesellschaft erzielte Gewerbeertrag, der für sich genommen keinem Steuerbefreiungstatbestand unterfällt, wird nicht von der Steuerbefreiung der Muttergesellschaft umfasst.

Keine Gewerbesteuer für lärmgeplagte Nachbargemeinden eines Großflughafens

Einrichtungen zur Messung von Lärmemissionen stellen eine Betriebsstätte eines Verkehrsflughafens dar. Es liegt aber wegen eines fehlenden räumlichen Zusammenhangs keine mehrgemeindliche Betriebsstätte vor, wenn eine Verbindung mit den Lärmmessstationen (Datenübertragung) nur über allgemeine Kommunikationsleitungen besteht.

BFH Urteil vom 16. Dezember 2009 I R 56/08

Erläuterungen

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch Urteil vom 16. Dezember 2009 I R 56/08 entschieden, dass Nachbargemeinden eines Flughafens auch dann kein Anteil an der Gewerbesteuer des Flughafenbetreibers zusteht, wenn auf ihrem Gebiet für den Betrieb des Flughafens unerlässliche Lärmmessstationen installiert sind.

Die Erhebung der Gewerbesteuer beruht auf der Festsetzung eines sog. Gewerbesteuermessbetrages. Dieser Messbetrag, der aus dem Gewerbeertrag des Gewerbebetriebes abzuleiten ist, ist zu zerlegen, wenn Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten worden sind. Auf diese Weise wird jede Gemeinde, die "Lasten" aus der gewerblichen Tätigkeit zu tragen hat, mit einem Anteil am Gewerbesteueraufkommen "entschädigt". Gesetzlicher Zerlegungsmaßstab ist grundsätzlich das Verhältnis, in dem sich die Summe der Arbeitslöhne auf die einzelnen Betriebsstätten verteilt. Bei sog. mehrgemeindlichen Betriebsstätten kann die Zerlegung auch nach einem anderen Aufteilungsmaßstab vorgenommen werden.

Im Streitfall ging es um einen hessischen Großflughafen, der in den umliegenden Gemeinden Lärmmessstationen betrieb und zum Fortbestand seiner Betriebsgenehmigung auch betreiben musste. Die betroffenen Gemeinden begehrten wegen dieser Messstationen einen Anteil am Gewerbesteueraufkommen. Sie verwiesen insbesondere auf die mit der räumlichen Nähe zum Flughafen einhergehenden Lärmbelastungen und die dadurch ausgelösten Investitionen im Gemeindebereich.

Dem entsprach der BFH nicht. Zwar seien die Lärmmessstationen als Betriebsstätten des Flughafens anzusehen. Ein Anteil an der Gewerbesteuer stehe den Nachbargemeinden gleichwohl nicht zu: Zum einen würden in den Messstationen keine Arbeitnehmer beschäftigt, nach deren Löhnen eine Zerlegung erfolgen könnte. Zum anderen reiche die bloße Verbindung der Stationen mit dem Flughafen zur Datenübertragung per Kabel im öffentlichen Wählnetz nicht aus, um von einer die Gesamtanlage umfassenden sog. mehrgemeindlichen Betriebsstätte auszugehen.

In ähnlicher Weise hatte der BFH in der Vergangenheit bereits für Windkraftanlagen entschieden. Durch das Jahressteuergesetz 2009 ist daraufhin allerdings das Gewerbesteuergesetz geändert worden; seitdem werden auch die Standortgemeinden der Windkraftanlagen nach einem besonderen Zerlegungsschlüssel am Gewerbesteueraufkommen beteiligt.

Gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Darlehenszinsen: Vorlage an den Europäischen Gerichtshof

Dem EuGH werden die folgenden Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Steht Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten einer Regelung entgegen, wonach die von einem Unternehmen eines Mitgliedstaates an ein verbundenes Unternehmen eines anderen Mitgliedstaates gezahlten Darlehenszinsen bei dem erstgenannten Unternehmen der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer hinzugerechnet werden?

Falls die erste Frage bejaht wird: Ist Art. 1 Abs. 10 ZLR dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten auch dann freisteht, die Richtlinie nicht anzuwenden, wenn die in Art. 3 Buchst. b ZLR genannten Voraussetzungen für das Vorliegen eines verbundenen Unternehmens zum Zeitpunkt der Zinszahlung noch nicht während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens zwei Jahren erfüllt waren? Können sich die Mitgliedstaaten in diesem Fall gegenüber dem zahlenden Unternehmen unmittelbar auf Art. 1 Abs. 10 ZLR berufen?

BFH Beschluss vom 27. Mai 2009 I R 30/08

Erläuterungen:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 27. Mai 2009 I R 30/08 dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) ein bei ihm anhängiges Revisionsverfahren zur Entscheidung darüber vorgelegt, ob die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Darlehenszinsen mit der Richtlinie 2003/49/EG (EU-Zins- und Lizenzrichtlinie) vereinbar ist.

Im Streitfall wurden die von einer inländischen Kapitalgesellschaft an ihre alleinige Anteilseignerin, eine in den Niederlanden ansässige Kapitalgesellschaft, gezahlten Darlehenszinsen entsprechend der im Streitjahr 2004 geltenden Regelung in § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage zur Hälfte wieder hinzugerechnet.

Nach der EU-Zins- und Lizenzrichtlinie sind grenzüberschreitende Zinszahlungen zwischen Unternehmen, die durch eine Beteiligung von mindestens 25 % miteinander verbunden sind, im Sitzstaat des zahlenden Unternehmens von der Steuer befreit. Der BFH hält es für fraglich, ob die in der Richtlinie angeordnete Steuerbefreiung auch die volle steuerliche Abzugsfähigkeit der Zinsen beim zahlenden Unternehmen gebietet.

Der Vorlagebeschluss des BFH hat auch Bedeutung für die ab 2008 geltende Neuregelung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Darlehenszinsen in § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG.

Gewerbesteuerlicher Verlustvortrag bei Wechsel von unmittelbarer zu mittelbarer Beteiligung an einer atypisch stillen Gesellschaft – Wegfall der Unternehmeridentität







Mit dem Ausscheiden des stillen Gesellschafters aus einer atypisch stillen Gesellschaft geht der Verlustvortrag verloren, soweit der Fehlbetrag auf den ausscheidenden Gesellschafter entfällt. Dies gilt auch dann, wenn der ausscheidende stille Gesellschafter über eine andere Personengesellschaft (Obergesellschaft) mittelbar weiterhin an der atypisch stillen Gesellschaft (Untergesellschaft) beteiligt ist.

 Scheidet der stille Gesellschafter während des Erhebungszeitraums aus der atypisch stillen Gesellschaft aus, können bis zu diesem Zeitpunkt angefallene positive Gewerbeerträge der Gesellschaft noch um Verluste früherer Jahre gekürzt werden, soweit sie nicht zuvor mit etwaigen Verlusten, die nach dem Ausscheiden des Gesellschafters im Erhebungszeitraum entstanden sind, zu verrechnen sind.

BFH Urteil vom 22. Januar 2009 IV R 90/05