Zuständigkeit für die abweichende Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags

Der sog. Sanierungserlass (BMF-Schreiben vom 27. März 2003, BStBl I 2003, 240) ist weder eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung noch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift einer obersten Landesfinanzbehörde i.S. des § 184 Abs. 2 AO. Aus dem Sanierungserlass kann sich damit bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags grundsätzlich keine Zuständigkeit des FA zur abweichenden Festsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 163 Satz 1 AO ergeben; zuständig dafür sind die Gemeinden.

BFH Urteil vom 25.4.2012, I R 24/11

Begründung:
Steuern können nach § 163 Satz 1 AO niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Nach § 184 Abs. 2 Satz 1 AO schließt die Befugnis des Betriebsfinanzamtes (§ 22 Abs. 1 AO), Realsteuermessbeträge festzusetzen, auch die Befugnis zu Billigkeitsmaßnahmen i.S. von § 163 Satz 1 AO ein, soweit für solche Maßnahmen in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung oder einer obersten Landesfinanzbehörde Richtlinien aufgestellt worden sind. Diese Voraussetzungen des § 184 Abs. 2 Satz 1 AO liegen im Streitfall nicht vor.

Der Sanierungserlass ist weder eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung noch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift einer obersten Landesfinanzbehörde i.S. des § 184 Abs. 2 AO. Aus dem Sanierungserlass kann sich damit grundsätzlich keine Zuständigkeit des FA zur abweichenden Festsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 163 AO ergeben.

 

Vorabgewinnanteile bei Aufteilung des Gewerbesteuermessbetrags einer Mitunternehmerschaft

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass Vorabgewinnanteile für die Bemessung des Anteils eines Mitunternehmers am Gewerbesteuermessbetrag nicht zu berücksichtigen sind.

BFH Beschluss vom 7. April 2009 IV B 109/08

Begründung:

Nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 3 Satz 2 EStG eichtet sich der Anteil eines Mitunternehmers am Gewerbesteuermessbetrag nach seinem Anteil am Gewinn der Mitunternehmerschaft nach Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels. Vorabgewinnanteile sind nicht zu berücksichtigen.

Bereits der Wortlaut des 2. Halbsatzes der Vorschriften lässt keinen Zweifel daran, dass Vorabgewinnanteile nicht berücksichtigt werden dürfen. Aus den Gesetzesmaterialien lässt sich außerdem erkennen, dass der Wortlaut den Willen des historischen Gesetzgebers richtig wiedergibt. Denn der Gesetzentwurf zu § 35 EStG hatte zunächst vorgesehen, dass sich der anteilige Gewerbesteuermessbetrag aus dem "Verhältnis des dem Mitunternehmer zuzurechnenden Gewinnanteils zuzüglich der von ihm erzielten Vergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 zur Summe aller Gewinnanteile und aller Vergütungen der Mitunternehmerschaft" ergeben sollte

Die später Gesetz gewordene und für die Entscheidung dieses Rechtsstreits maßgebliche Fassung des § 35 EStG beruht auf einem Vorschlag des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags. Zur Begründung der Änderung hieß es, der Gesetzentwurf werde u.a. in folgendem Punkt geändert: "Die Festlegung, dass bei Mitunternehmerschaften für die Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags der Gewinnverteilungsschlüssel (ohne Berücksichtigung [von] gesellschaftsvertraglich vereinbarter Vorabgewinne) maßgebend ist."

Daraus erhellt zudem, dass sämtliche Vorabgewinne, also nicht nur steuerrechtliche Sondervergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, sondern auch gesellschaftsrechtlich vereinbarte Vorabgewinne unberücksichtigt bleiben sollten. Dies findet im Wortlaut der Regelung dadurch Niederschlag, dass der "allgemeine Gewinnverteilungsschlüssel" maßgebend sein soll. Die Auffassung der Finanzverwaltung, gewinnabhängige Vorabgewinnanteile seien Bestandteil des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels (BMF-Schreiben in BStBl I 2007, 701, Rz 21), deckt sich insoweit nicht mit dem gesetzgeberischen Willen.