Grenzgänger auf Dienstreisen unter Beachtung des DBA Schweiz

Bei der Anwendung der Grenzgängerregelung in Art. 15a DBA-Schweiz 1992 zählen Dienstreisetage mit Übernachtungen im Ansässigkeitsstaat zu den Tagen, an denen der Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen nicht an seinen Wohnsitz zurückkehrt –Nichtrückkehrtage.

Eintägige Dienstreisen in Drittstaaten führen nicht zu Nichtrückkehrtagen (Abweichung vom BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 683 Tz. 14).

Der Tag, an dem der Arbeitnehmer von einer mehrtätigen Dienstreise in Drittstaaten an seinen Wohnsitz zurückkehrt, zählt nicht als Nichtrückkehrtag. Ein Nichtrückkehrtag liegt dagegen vor, wenn der Arbeitnehmer an diesem Tag mit der Rückreise beginnt, aber erst am Folgetag an seinen Wohnsitz zurückkehrt.

Tage, an denen der Arbeitnehmer aufgrund einer anderweitigen selbständigen Tätigkeit nicht an seinen Wohnsitz zurückkehrt, führen nicht zu Nichtrückkehrtagen.

Entfällt eine mehrtägige Dienstreise des Arbeitnehmers auf Wochenenden oder Feiertage, so liegen keine Nichtrückkehrtage vor, wenn die Arbeit an diesen Tagen nicht ausdrücklich vereinbart ist und der Arbeitgeber für die an diesen Tagen geleistete Arbeit weder einen anderweitigen Freizeitausgleich noch ein zusätzliches Entgelt gewährt, sondern lediglich die Reisekosten übernimmt. Dies gilt auch für leitende Angestellte, die ihre Tätigkeit zeitlich eigenverantwortlich wahrnehmen und während einer Dienstreise freiwillig am Wochenende arbeiten.

BFH Urteil vom 11. November 2009 I R 15/09

Erläuterung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit seiner Entscheidungen zu Streitfragen bei der Besteuerung sog. Grenzgänger nach den Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) mit der Schweiz Stellung genommen.

Sog. Grenzgänger sind Steuerpflichtige, die regelmäßig zwischen ihrem Wohnsitz in einem Vertragsstaat und dem Arbeitsort im anderen Vertragsstaat hin und zurück pendeln. Das Besteuerungsrecht für Grenzgänger steht nach den DBA dem Wohnsitzstaat zu. Das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates entfällt jedoch bei einer berufsbedingten Nichtrückkehr an den Wohnsitz an mehr als 60 Tagen (DBA-Schweiz).

Der BFH hatte in den Streitfällen darüber zu befinden, ob diese Höchstgrenzen durch Dienstreisen der Steuerpflichtigen überschritten wurden. Im Streitfall I R 15/09 hat er dies für die Grenzgängerregelung des DBA-Schweiz bei einem in Deutschland ansässigen und hier unbeschränkt Steuerpflichtigen verneint, da bei der Berechnung der „schädlichen“ Nichtrückkehrtage zwar Dienstreisetage mit auswärtiger Übernachtung in Deutschland zu berücksichtigen waren, nicht aber solche Dienstreisetage, an denen der Steuerpflichtige an den Wohnsitz zurückgekehrt ist (eintägige Dienstreisen, Rückreisetage bei mehrtägigen Dienstreisen).

Grenzgänger auf Dienstreisen unter Beachtung des DBA Frankreich

Bei einer Beschäftigung in der Grenzzone während des ganzen Kalenderjahres geht die Grenzgängereigenschaft nach Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich nur dann verloren, wenn der Arbeitnehmer an mehr als 45 Arbeitstagen (Nichtrückkehrtagen) entweder nicht zum Wohnsitz zurückkehrt oder ganztägig außerhalb der Grenzzone für seinen Arbeitgeber tätig ist.

Eintägige Dienstreisen außerhalb der Grenzzone führen zu Nichtrückkehrtagen, wenn der Arbeitnehmer an diesen Tagen nicht zugleich innerhalb der Grenzzone gearbeitet hat; bloße Transferreisen innerhalb der Grenzzone sind insoweit unbeachtlich. Dies gilt in gleicher Weise für Rückreisetage bei mehrtägigen Dienstreisen außerhalb der Grenzzone.

Hinreisetage bei mehrtägigen Dienstreisen außerhalb der Grenzzone zählen nur dann zu den Nichtrückkehrtagen, wenn der Arbeitnehmer nicht vor der Abreise zwischen seinem Wohnsitz und dem Arbeitsort in der Grenzzone gependelt ist.

Entfällt eine mehrtägige Dienstreise außerhalb der Grenzzone auf Wochenenden oder Feiertage, so liegen keine Nichtrückkehrtage vor, wenn die Arbeit an diesen Tagen weder vertraglich vereinbart ist noch vom Arbeitnehmer tatsächlich ausgeübt wird die Reisetätigkeit ist insoweit nicht als Arbeitstätigkeit anzusehen.

Krankheitstage während einer mehrtägigen Dienstreise führen nicht zu Nichtrückkehrtagen. Ein Nichtrückkehrtag liegt dagegen vor, wenn der Arbeitnehmer während der Dienstreise infolge höherer Gewalt (hier: "Taifunwarnung") daran gehindert ist, seine vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen.

BFH Urteil vom 11. November 2009 I R 84/08 und (IR 83/08) und (IR 15/09)

Erläuterungen:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit drei Entscheidungen zu Streitfragen bei der Besteuerung sog. Grenzgänger nach den Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) mit  Frankreich Stellung genommen.

Sog. Grenzgänger sind Steuerpflichtige, die regelmäßig zwischen ihrem Wohnsitz in einem Vertragsstaat und dem Arbeitsort im anderen Vertragsstaat hin und zurück pendeln. Das Besteuerungsrecht für Grenzgänger steht nach den DBA dem Wohnsitzstaat zu. Das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates entfällt jedoch bei einer berufsbedingten Nichtrückkehr an den Wohnsitz an mehr als 45 Tagen (DBA-Frankreich).

Für das DBA-Frankreich – und konkret einen in Frankreich wohnenden, in Deutschland mit seinen Arbeitseinkünften beschränkt Steuerpflichtigen – hat der BFH dagegen im Streitfall I R 84/08 angenommen, dass Dienstreisetage auch bei einer Rückkehr an den Wohnsitz in diese Berechnung einzubeziehen sind, wenn der Steuerpflichtige ganztägig außerhalb der im Abkommen festgelegten Grenzzone gearbeitet hat. Keine Nichtrückkehrtage sind auch Krankheitstage während einer mehrtägigen Dienstreise. Dienstreisetage, die auf Wochenenden oder Feiertage entfallen, gehören demgegenüber nach beiden DBA regelmäßig nicht zu den Nichtrückkehrtagen. Um einen Nichtrückkehrtag handelt es sich auch, wenn der Arbeitnehmer während der Dienstreise infolge höherer Gewalt daran gehindert ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen; im Streitfall I R 84/08 war dies eine „Taifunwarnung“.

Die Entscheidungen in den genannten Revisionsverfahren weichen zu einem Gutteil von der einschlägigen Praxis der Finanzverwaltung ab und sind als Präzedenzfälle von Bedeutung für eine Vielzahl weiterer Parallelverfahren, die derzeit noch beim BFH, aber auch den Finanzgerichten und den Finanzämtern, insbesondere in Baden-Württemberg, anhängig sind.

Beschränkung des Sonderausgabenabzugs bei Grenzgängern verstößt nicht gegen Europarecht

Die europäischen Grundfreiheiten eines Grenzgängers werden durch den beschränkten Sonderausgabenabzug auch dann nicht verletzt, wenn ein anderer Mitgliedstaat die entsprechenden Altersrenten aufgrund des ihm durch das Doppelbesteuerungsabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland zugewiesenen Besteuerungsrechts vollständig der Besteuerung unterwirft.

BFH Urteil vom 24. Juni 2009 X R 57/06

Erläuterung:

Mit Urteil vom 24. Juni 2009 X R 57/06 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die europäischen Grundfreiheiten nicht dadurch verletzt werden, dass die Altersvorsorgeaufwendungen eines Grenzgängers nur beschränkt als Sonderausgaben geltend gemacht werden können, auch wenn ein anderer Mitgliedsstaat aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) mit Deutschland die entsprechenden Altersrenten vollständig besteuert.

Die Regelungen eines DBA können dazu führen, dass das Recht zur Besteuerung der aktiven Arbeitseinkünfte und damit auch die Verpflichtung zur Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen dem „einen“ Staat zugewiesen werden, während der „andere“ Staat das Besteuerungsrecht für die Alterseinkünfte erhält. Haben die betroffenen Steuerrechte unterschiedlichen Besteuerungsregeln, kann es – zeitlich versetzt – zu einer doppelten Besteuerung kommen.

Die in Frankreich arbeitende Klägerin lebt in Deutschland und wird nach dem DBA zwischen Frankreich und Deutschland als Grenzgängerin behandelt. Sie hat ihren französischen Arbeitslohn in Deutschland zu versteuern und kann ihre Altersvorsorgeaufwendungen – ebenso wie ein in Deutschland tätiger Arbeitnehmer – nur in den gesetzlichen Höchstgrenzen geltend machen. Andererseits wird die Klägerin ihre Alterseinkünfte in Frankreich später voll versteuern müssen.

Der BFH hat diese latente Doppelbesteuerung wohl gesehen, erkennt jedoch in der deutschen Regelung des beschränkten Sonderausgabenabzugs keine unzulässige Diskriminierung der Klägerin, da die Beiträge zu in- und ausländischen Sozialversicherungen in Deutschland gleich behandelt werden. Die drohende Doppelbesteuerung der Klägerin beruhe vielmehr auf der fehlenden Harmonisierung der Steuerregeln der EU-Staaten im Bereich der Altersvorsorge und Alterseinkünfte. Nach dem derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrecht bestehe jedoch weder eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ihre Besteuerungsrechte im Rahmen der Doppelbesteuerungsabkommen so aufzuteilen, dass das Besteuerungsrecht der Alterseinkünfte und die Verpflichtung zur Berücksichtigung der vorausgehenden Vorsorgeaufwendungen demselben Staat zugewiesen werden, noch ein Zwang, das eigene Steuersystem so zu gestalten, dass eine Doppelbesteuerung ausgeschlossen ist.