Keine Vermietung ode Verpachtung bei dauerhafter Überlassung eines Grundstücks als Grünausgleichsfläche

Ob eine Vermietung und Verpachtung i.S. von § 4 Nr. 12 UStG vorliegt, richtet sich umsatzsteuerrechtlich nicht nach den Vorschriften des nationalen Zivilrechts, sondern nach Unionsrecht.

 Das grundlegende Merkmal der Vermietung und Verpachtung besteht darin, dass dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre er dessen Eigentümer, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen.

Erfüllt eine Grundstücksüberlassung nicht die Voraussetzungen einer Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, kommt auch eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG nicht in Betracht.

BFH Urteil vom 21.02.2013 – V R 10/12 BFH/NV 2013, 1635

Begründung:

Entgegen der Auffassung des FG wird die Grundstücksüberlassung an die Gemeinde A. nicht von der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG umfasst. Gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG ist u.a. die Bestellung von dinglichen Nutzungsrechten, zu denen auch die entgeltliche Einräumung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit (§ 1090 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) gehört, steuerfrei.

Aus der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung folgt, dass nur die Bestellung solcher dinglicher Nutzungsrechte unter § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG fällt, die auch von dem Begriff "Vermietung und Verpachtung" in Art. 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG umfasst werden. Mit der Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit sollte aber vorliegend das Recht zur Durchführung einer Ausgleichsmaßnahme gesichert werden, das nicht das Merkmal "Vermietung und Verpachtung" erfüllt.

Ob eine Vermietung oder Verpachtung vorliegt, richtet sich umsatzsteuerrechtlich nicht nach den Vorschriften des nationalen Zivilrechts. Das grundlegende Merkmal des Begriffs der "Vermietung von Grundstücken" besteht darin, dass dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre er dessen Eigentümer, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen.

Danach liegt keine Vermietung vor. Zwar hat der Kläger der Gemeinde das Recht zur Inbesitznahme eingeräumt, um die Ausgleichsmaßnahme auf dem Grundstück vornehmen zu können. Dabei ist es den Vertragsparteien aber nicht um eine Inbesitznahme der Grundstücke durch die Gemeinde gegangen, um ihr die Möglichkeit zu verschaffen, Dritte wie ein Eigentümer von der Nutzung ausschließen zu können. Entscheidend war für die Gemeinde, die Grundstücke durch Umgestaltung in einen bestimmten Zustand zu versetzen, um damit ihren naturschutzrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen.

Eine Vermietung scheidet darüber hinaus auch deshalb aus, weil der Kläger der Gemeinde das Nutzungsrecht nicht für eine bestimmte Zeit überlassen hat. Das würde einen in irgendeiner Form, entweder durch konkrete Bezeichnung oder durch ein Kündigungsrecht, begrenzten Zeitraum voraussetzen. Der Kläger hat der Gemeinde das Nutzungsrecht aber "auf Dauer" eingeräumt und sich damit einverstanden erklärt, dass das Grundstück "auf Dauer nur für Zwecke des Naturschutzes und der Landschaftspflege bzw. der Forstwirtschaft genutzt werden darf".

Der Senat hat darin entschieden, dass die Einräumung der Berechtigung zur Überspannung eines Grundstücks jedenfalls dann eine als Vermietung und Verpachtung zu beurteilende Nutzungsüberlassung auf Zeit ist, wenn damit nicht der endgültige und vollständige Verlust der wirtschaftlichen Herrschaftsmacht verbunden ist. Bei Grundstücken führe weder die Überlassung einer verhältnismäßig geringfügigen Grundfläche für die Aufstellung von Strommasten noch die Überspannung zu einem endgültigen und vollständigen Verlust der Herrschaftsmacht. Im vorliegenden Fall kommt es aber durch die unwiderrufliche und dauerhafte Überlassung des Nutzungsrechts, die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen und den umfassenden Entzug der Nutzung als Ackerland zu einem endgültigen und dauerhaften Verlust der wirtschaftlichen Herrschaftsmacht des Klägers über das Grundstück.

Da die Grundstücksüberlassung keine Vermietung und Verpachtung von Grundstücken ist, kommt auch eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG nicht in Betracht.  Die Grundstücksüberlassung ist auch nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei. Danach sind die Umsätze, die unter das GrEStG fallen, steuerfrei.

Die Verwertungsbefugnis kann sich dabei –ebenso wie beim Eigentümer– aus zwei Möglichkeiten der Verwertung ergeben, nämlich aus dem Recht zur Nutzung und aus dem Recht, das Grundstück wie ein Zwischenerwerber auf eigene Rechnung zu veräußern. Da die Verwertung auf eigene Rechnung zu erfolgen hat, verlangen beide Möglichkeiten der Verwertung eine Beteiligung an der Substanz des Grundstücks. Bei der vorwiegend rechtlichen Verwertungsmöglichkeit durch Veräußerung erfolgt die Beteiligung an der Substanz des Grundstücks durch Teilhabe am Erlös bei wirtschaftlicher Verwertungsbefugnis durch Nutzung  muss die Substanzbeteiligung durch Wertbeteiligung in anderer Weise erfolgen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht schon deshalb erfüllt, weil eine anderweitige als die vereinbarte Nutzung "für Zwecke des Naturschutzes und der Landschaftspflege bzw. der Forstwirtschaft" durch den Kläger nicht mehr möglich ist.

Die Einräumung des Nutzungsrechts für die Gemeinde A. und die Bestellung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit für die Gemeinde ist auch keine Nebenleistung zu dem gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreien Verkauf der Grundstücke an die X und werden von der Steuerbefreiung dieses Grundstücksumsatzes daher nicht umfasst.

Dies führt im Streitfall zur Annahme selbständiger Leistungen. Die Nutzungsüberlassung und die Einräumung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit verfolgten einen gegenüber der Grundstückslieferung eigenständigen Zweck. Während der Grundstückserwerb durch die X der Errichtung eines Gewerbegebietes diente, wollte die Gemeinde A. durch den Bezug des Nutzungsrechts und den Erwerb der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit die ihr nach dem NdsNSchG obliegenden raumordnungsrechtlichen Auflagen und Vorgaben erfüllen. Die einzige Verknüpfung zwischen dem Grundstückserwerb durch die X und der Nutzungsüberlassung und Einräumung einer Dienstbarkeit an bzw. für die Gemeinde besteht in einer übergeordneten wirtschaftlichen Gesamtzielsetzung mit dem Inhalt, Grundstücke zur Errichtung eines Gewerbeparks zu erwerben bzw. erwerben zu lassen und die damit erforderlich werdenden naturschutzrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Das reicht für die Annahme einer einheitlichen Leistung nicht aus.