Kosten behinderungsbedingter Heimunterbringung als außergewöhnliche Belastungen

Kosten für die behinderungsbedingte Unterbringung in einer sozial-therapeutischen Einrichtung können außergewöhnliche Belastungen sein.

Ist das FG auf Grund eines von einem fachkundigen Arzt erstellten Gutachtens von der Notwendigkeit der Unterbringung überzeugt, bedarf es nicht mehr eines amtsärztlichen Attestes.

BFH Urteil vom 9.12.2010, VI R 14/09

Begründung:

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, können nicht nochmals nach § 33 EStG berücksichtigt werden. Krankheitskosten sind regelmäßig eine außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG.

Zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung rechnen regelmäßig auch die Kosten für die altersbedingte Unterbringung in einem Altersheim. Liegt ein durch Krankheit veranlasster Aufenthalt in einem Heim vor, stellen sich die Aufwendungen für die Heimunterbringung als Krankheitskosten dar. Nach diesen Grundsätzen sind die Aufwendungen des Klägers als Krankheitskosten abziehbar. Das FG hat unter Bezugnahme auf das im Rahmen des Betreuungsverfahrens vorgelegte ärztliche Gutachten nach § 118 Abs. 2 FGO für das Revisionsgericht bindend festgestellt, dass der Kläger im Streitjahr krankheitsbedingt im Heim untergebracht war. Dem Abzug der Kosten steht nicht entgegen, dass dem Kläger keine Pflegekosten in Rechnung gestellt worden sind.

Kosten krankheitsbedingter Heimunterbringung als außergewöhnliche Belastung abziehbar

Bei einem durch Krankheit veranlassten Aufenthalt in einem Seniorenheim sind die Kosten für die Unterbringung als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 Abs. 1 EStG abziehbar .

Der Aufenthalt kann auch dann krankheitsbedingt sein, wenn keine zusätzlichen Pflegekosten entstanden sind und kein Merkzeichen "H" oder "Bl" im Schwerbehindertenausweis festgestellt ist (gegen BFH-Urteil vom 18. Dezember 2008 III R 12/07, BFH/NV 2009, 1102) .

BFH Urteil vom 13.10.2010, VI R 38/09

Erläuterungen:

Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09 sind Kosten für einen krankheitsbedingten Aufenthalt in einem Seniorenheim auch dann als außergewöhnliche Belastung einkommensteuerlich abziehbar, wenn keine ständige Pflegebedürftigkeit besteht und auch keine zusätzlichen Pflegekosten abgerechnet worden sind. Mit der Entscheidung rückt der BFH von seinen bisher strengeren Grundsätzen ab, wonach ein Abzug entweder zusätzliche Kosten für Pflegeleistungen oder die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises mit den Merkzeichen "H" oder "Bl" voraussetzte.

Im Urteilsfall war die damals 74-jährige Klägerin nach einer stationären Behandlung in einer psychiatrischen Klinik auf ärztliche Empfehlung in ein Seniorenheim gezogen. Ihre Wohnung in einem Zweifamilienhaus hatte die Klägerin währenddessen nicht aufgegeben. Das Finanzamt erkannte die geltend gemachten Kosten des Seniorenheims nicht als außergewöhnliche Belastung an, weil die Klägerin nicht in eine Pflegestufe eingruppiert gewesen sei und auch das Merkmal "H" im Behindertenausweis fehle.

Der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts, wonach die Miet- und Verpflegungskosten abzüglich einer Haushaltsersparnis als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können. Anders als der altersbedingte Aufenthalt führe die krankheitsbedingte Unterbringung in einem Seniorenheim zu Krankheitskosten, die als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden könnten. Pflegebedürftigkeit sei keine Voraussetzung für den Abzug, wenn – wie hier aufgrund ärztlicher Bescheinigungen – festgestellt werden könne, dass der Heimaufenthalt infolge einer Erkrankung notwendig gewesen sei.